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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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was hilft es, die Zweige eines Baumes auf die
schönste Art zuzustutzen, und doch nicht zu sorgen,
daß dessen Wurzel und Stamm am Krebsschaden zu
kranken aufhöre! Die Gesundheit des Ganzen hängt
von der Gesundheit aller dessen Theile ab, aber
vorzüglich von der Gesundheit der Haupt-
theile. Siechen diese; so siechet alles Uebri-
ge." *)

Wie gesagt, ich fand sehr gute, wohlthätige
Menschen, nur verstand ich die Leute nicht immer
recht, wegen ihres ganz eignen Dialekts. -- Ich
habe mich oft über diejenigen gewundert, welche
die einzig-ächte Aussprache des Französischen be-
stimmen wollen, da doch jede Provinz, ja, beynahe
jede Stadt ihre eigne hat, -- das patois abgerech-
net, welches ohnehin eine verdorbene Sprache ist.
In Deutschland kann ein Westphälinger und ein
Pfälzer recht gut deutsch sprechen, und doch werden
sie beyde niemals sprechen, wie der Sachse, oder

*) Vorrede zur Sam. erbaul. Gedichte S. 95. Unter allen
Humanitäts-Schriftstellern hat keiner einen glücklichern Ein-
fall gehabt, den politischen Vampyrs Humanisirung zu predi-
digen, als der erwähnte Herausgeber. Er schlug gerade den
entgegengesezten Weg ein, den die Herausgeber der Horen
gehen wollten. Diesen leztern Weg nennt er S. 21, ff. den
verkehrten und der Natur widersprechenden Weg; zeigt auch
sehr einleuchtend: warum. Die Xenien-Dichter werden
von ihm wahrscheinlich keine Notiz gehabt haben: sonst hätten
sie ihn wohl auch mit einem bonetten Distichon [r]elagirt!

was hilft es, die Zweige eines Baumes auf die
ſchoͤnſte Art zuzuſtutzen, und doch nicht zu ſorgen,
daß deſſen Wurzel und Stamm am Krebsſchaden zu
kranken aufhoͤre! Die Geſundheit des Ganzen haͤngt
von der Geſundheit aller deſſen Theile ab, aber
vorzuͤglich von der Geſundheit der Haupt-
theile. Siechen dieſe; ſo ſiechet alles Uebri-
ge.“ *)

Wie geſagt, ich fand ſehr gute, wohlthaͤtige
Menſchen, nur verſtand ich die Leute nicht immer
recht, wegen ihres ganz eignen Dialekts. — Ich
habe mich oft uͤber diejenigen gewundert, welche
die einzig-aͤchte Ausſprache des Franzoͤſiſchen be-
ſtimmen wollen, da doch jede Provinz, ja, beynahe
jede Stadt ihre eigne hat, — das patois abgerech-
net, welches ohnehin eine verdorbene Sprache iſt.
In Deutſchland kann ein Weſtphaͤlinger und ein
Pfaͤlzer recht gut deutſch ſprechen, und doch werden
ſie beyde niemals ſprechen, wie der Sachſe, oder

*) Vorrede zur Sam. erbaul. Gedichte S. 95. Unter allen
Humanitäts-Schriftſtellern hat keiner einen glücklichern Ein-
fall gehabt, den politiſchen Vampyrs Humaniſirung zu predi-
digen, als der erwähnte Herausgeber. Er ſchlug gerade den
entgegengeſezten Weg ein, den die Herausgeber der Horen
gehen wollten. Dieſen leztern Weg nennt er S. 21, ff. den
verkehrten und der Natur widerſprechenden Weg; zeigt auch
ſehr einleuchtend: warum. Die Xenien-Dichter werden
von ihm wahrſcheinlich keine Notiz gehabt haben: ſonſt hätten
ſie ihn wohl auch mit einem bonetten Diſtichon [r]elagirt!
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[423/0427] was hilft es, die Zweige eines Baumes auf die ſchoͤnſte Art zuzuſtutzen, und doch nicht zu ſorgen, daß deſſen Wurzel und Stamm am Krebsſchaden zu kranken aufhoͤre! Die Geſundheit des Ganzen haͤngt von der Geſundheit aller deſſen Theile ab, aber vorzuͤglich von der Geſundheit der Haupt- theile. Siechen dieſe; ſo ſiechet alles Uebri- ge.“ *) Wie geſagt, ich fand ſehr gute, wohlthaͤtige Menſchen, nur verſtand ich die Leute nicht immer recht, wegen ihres ganz eignen Dialekts. — Ich habe mich oft uͤber diejenigen gewundert, welche die einzig-aͤchte Ausſprache des Franzoͤſiſchen be- ſtimmen wollen, da doch jede Provinz, ja, beynahe jede Stadt ihre eigne hat, — das patois abgerech- net, welches ohnehin eine verdorbene Sprache iſt. In Deutſchland kann ein Weſtphaͤlinger und ein Pfaͤlzer recht gut deutſch ſprechen, und doch werden ſie beyde niemals ſprechen, wie der Sachſe, oder *) Vorrede zur Sam. erbaul. Gedichte S. 95. Unter allen Humanitäts-Schriftſtellern hat keiner einen glücklichern Ein- fall gehabt, den politiſchen Vampyrs Humaniſirung zu predi- digen, als der erwähnte Herausgeber. Er ſchlug gerade den entgegengeſezten Weg ein, den die Herausgeber der Horen gehen wollten. Dieſen leztern Weg nennt er S. 21, ff. den verkehrten und der Natur widerſprechenden Weg; zeigt auch ſehr einleuchtend: warum. Die Xenien-Dichter werden von ihm wahrſcheinlich keine Notiz gehabt haben: ſonſt hätten ſie ihn wohl auch mit einem bonetten Diſtichon relagirt!

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/427>, abgerufen am 25.11.2024.