Nachdem ich ohngefähr neun Tage in Avignon zugebracht hatte, wurde eine große Anzahl Kriegs- gefangner Piemonteser daselbst eingebracht. Unter diesen waren viele Deutsche, auch einer meiner Landsleute, von Werrstadt gebürtig. Er war vor noch nicht langer Zeit in kaiserliche Dienste ge- treten, war aber da weggelaufen zu den Piemon- tesern, und nun ohnweit Nizza gefangen worden. Dieser Mensch erzählte mir so viel Gutes und Rühm- liches von dem Heldenheer Sr. Majestät von Sar- dinien, den Robespierre den petit roi Sarde nannte, daß ich leicht einsah, dieses Heer würde in alle Ewigkeit gegen die Franzosen nichts ausrichten, wie es denn auch nichts ausgerichtet hat.
Gleich den andern Tag gingen einige Piemon- teser nach Miradel, einem ehemals päpstlichen Schlosse auf einem Berge, eine starke Stunde von der Stadt, wo ich auch schon gewesen war, und wo man Wein haben konnte. Als sie sich voll gesoffen hatten, gingen sie fort, kehrten aber zurück, als es finster war, plünderten den
Neun und zwanzigſtes Kapitel.
Meine Ruͤckreiſe von Avignon nach Lyon.
Nachdem ich ohngefaͤhr neun Tage in Avignon zugebracht hatte, wurde eine große Anzahl Kriegs- gefangner Piemonteſer daſelbſt eingebracht. Unter dieſen waren viele Deutſche, auch einer meiner Landsleute, von Werrſtadt gebuͤrtig. Er war vor noch nicht langer Zeit in kaiſerliche Dienſte ge- treten, war aber da weggelaufen zu den Piemon- teſern, und nun ohnweit Nizza gefangen worden. Dieſer Menſch erzaͤhlte mir ſo viel Gutes und Ruͤhm- liches von dem Heldenheer Sr. Majeſtaͤt von Sar- dinien, den Robespierre den petit roi Sarde nannte, daß ich leicht einſah, dieſes Heer wuͤrde in alle Ewigkeit gegen die Franzoſen nichts ausrichten, wie es denn auch nichts ausgerichtet hat.
Gleich den andern Tag gingen einige Piemon- teſer nach Miradel, einem ehemals paͤpſtlichen Schloſſe auf einem Berge, eine ſtarke Stunde von der Stadt, wo ich auch ſchon geweſen war, und wo man Wein haben konnte. Als ſie ſich voll geſoffen hatten, gingen ſie fort, kehrten aber zuruͤck, als es finſter war, pluͤnderten den
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Neun und zwanzigſtes Kapitel.
Meine Ruͤckreiſe von Avignon nach Lyon.
Nachdem ich ohngefaͤhr neun Tage in Avignon
zugebracht hatte, wurde eine große Anzahl Kriegs-
gefangner Piemonteſer daſelbſt eingebracht. Unter
dieſen waren viele Deutſche, auch einer meiner
Landsleute, von Werrſtadt gebuͤrtig. Er war
vor noch nicht langer Zeit in kaiſerliche Dienſte ge-
treten, war aber da weggelaufen zu den Piemon-
teſern, und nun ohnweit Nizza gefangen worden.
Dieſer Menſch erzaͤhlte mir ſo viel Gutes und Ruͤhm-
liches von dem Heldenheer Sr. Majeſtaͤt von Sar-
dinien, den Robespierre den petit roi Sarde
nannte, daß ich leicht einſah, dieſes Heer wuͤrde in
alle Ewigkeit gegen die Franzoſen nichts ausrichten,
wie es denn auch nichts ausgerichtet hat.
Gleich den andern Tag gingen einige Piemon-
teſer nach Miradel, einem ehemals paͤpſtlichen
Schloſſe auf einem Berge, eine ſtarke Stunde von
der Stadt, wo ich auch ſchon geweſen war, und
wo man Wein haben konnte. Als ſie ſich
voll geſoffen hatten, gingen ſie fort, kehrten
aber zuruͤck, als es finſter war, pluͤnderten den
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/422>, abgerufen am 22.11.2024.
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