den Ort, aber weder Grabmal noch Inschrift konnte ich unterscheiden, weil viel Schutt sie bedeckte. Laura soll in einem bleiernen Sarge liegen. FranzlI, König von Frankreich hat das Grab dieses schönen Mädchens öffnen, und ein von ihm selbst zu ihrem Lobe verfertigtes Gedicht hinein legen lassen. Je- derman in Avignon weiß von diesem edel-liebenden Paare, und doch hat man, wie ich gehört habe, zu Vaucluse diesem feinen, großen und freyen Dich- ter auch nicht das geringste Denkmal errichtet, wohl aber das ganze Ländchen mit Kapellen und andern Pfaffen-Possen angefüllt. Hätte ich das geringste Sehenswürdige zu Vaucluse vermuthet, so wäre ich dahin gewalfartet: aber so mogte ich den Weg dahin für nichts und wieder nichts nicht macheu.
Es ist wohl keine Stadt in ganz Frankreich, wo nach Verhältniß der Größe mehrere Kirchen und Klöster sind, als in Avignon. Von weitem sieht die Stadt aus, als wären lauter Kirchen dar- in, wegen der vielen hervorragenden Thürme. Aber schon zu meiner Zeit fing man an, Kirchen, Thürme und Klöster einzureißen, und Avignon sieht ohne Zweifel jezt nicht mehr so bethürmt aus, als vorher.
Während der Revolution öffneten diejenigen, welche der eingeführten Regierung zuwider waren, bey einem Auflauf die Gefängnisse auf dem Schloß- berg; und die zahlreichen Gefangnen warfen sich
den Ort, aber weder Grabmal noch Inſchrift konnte ich unterſcheiden, weil viel Schutt ſie bedeckte. Laura ſoll in einem bleiernen Sarge liegen. FranzlI, Koͤnig von Frankreich hat das Grab dieſes ſchoͤnen Maͤdchens oͤffnen, und ein von ihm ſelbſt zu ihrem Lobe verfertigtes Gedicht hinein legen laſſen. Je- derman in Avignon weiß von dieſem edel-liebenden Paare, und doch hat man, wie ich gehoͤrt habe, zu Vaucluſe dieſem feinen, großen und freyen Dich- ter auch nicht das geringſte Denkmal errichtet, wohl aber das ganze Laͤndchen mit Kapellen und andern Pfaffen-Poſſen angefuͤllt. Haͤtte ich das geringſte Sehenswuͤrdige zu Vaucluſe vermuthet, ſo waͤre ich dahin gewalfartet: aber ſo mogte ich den Weg dahin fuͤr nichts und wieder nichts nicht macheu.
Es iſt wohl keine Stadt in ganz Frankreich, wo nach Verhaͤltniß der Groͤße mehrere Kirchen und Kloͤſter ſind, als in Avignon. Von weitem ſieht die Stadt aus, als waͤren lauter Kirchen dar- in, wegen der vielen hervorragenden Thuͤrme. Aber ſchon zu meiner Zeit fing man an, Kirchen, Thuͤrme und Kloͤſter einzureißen, und Avignon ſieht ohne Zweifel jezt nicht mehr ſo bethuͤrmt aus, als vorher.
Waͤhrend der Revolution oͤffneten diejenigen, welche der eingefuͤhrten Regierung zuwider waren, bey einem Auflauf die Gefaͤngniſſe auf dem Schloß- berg; und die zahlreichen Gefangnen warfen ſich
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den Ort, aber weder Grabmal noch Inſchrift konnte
ich unterſcheiden, weil viel Schutt ſie bedeckte.
Laura ſoll in einem bleiernen Sarge liegen. Franzl I,
Koͤnig von Frankreich hat das Grab dieſes ſchoͤnen
Maͤdchens oͤffnen, und ein von ihm ſelbſt zu ihrem
Lobe verfertigtes Gedicht hinein legen laſſen. Je-
derman in Avignon weiß von dieſem edel-liebenden
Paare, und doch hat man, wie ich gehoͤrt habe, zu
Vaucluſe dieſem feinen, großen und freyen Dich-
ter auch nicht das geringſte Denkmal errichtet, wohl
aber das ganze Laͤndchen mit Kapellen und andern
Pfaffen-Poſſen angefuͤllt. Haͤtte ich das geringſte
Sehenswuͤrdige zu Vaucluſe vermuthet, ſo waͤre
ich dahin gewalfartet: aber ſo mogte ich den Weg
dahin fuͤr nichts und wieder nichts nicht macheu.
Es iſt wohl keine Stadt in ganz Frankreich,
wo nach Verhaͤltniß der Groͤße mehrere Kirchen
und Kloͤſter ſind, als in Avignon. Von weitem
ſieht die Stadt aus, als waͤren lauter Kirchen dar-
in, wegen der vielen hervorragenden Thuͤrme. Aber
ſchon zu meiner Zeit fing man an, Kirchen, Thuͤrme
und Kloͤſter einzureißen, und Avignon ſieht ohne
Zweifel jezt nicht mehr ſo bethuͤrmt aus, als vorher.
Waͤhrend der Revolution oͤffneten diejenigen,
welche der eingefuͤhrten Regierung zuwider waren,
bey einem Auflauf die Gefaͤngniſſe auf dem Schloß-
berg; und die zahlreichen Gefangnen warfen ſich
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/402>, abgerufen am 22.11.2024.
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