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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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wären, einen Anfall von Mehreren abzuhalten, uns
den Bauren bey Nachtzeit so aufs Gerathewohl zu
überlassen. Man könnte nicht wissen, ob sie nicht
vielleicht erst kurz vorher von Leuten unseres Glei-
chen seyen insultirt worden, und ob sie nicht auf
Gelegenheit lauern mögten, sich zu rächen. *) Ich
überdachte das, fand seine Vorstellung vernünftig;
aber die Nacht kam heran, und in der Nacht läßt
sich in jenem gebürgigen und flußreichen Lande,
wo Weg und Steg nicht leicht zu finden sind, gar
schlecht weiter machen. Ueberdieß hatten wir noch
vier französische Meilen nach Valence. Als

*) Die Leute in jenen Gegenden waren ohne Ausnahme gut re-
publikanisch gesinnt, und wußten recht gut, daß die Sankü-
lotten es waren, welche das innere Frankreich gerettet, und die
Sachen dahin gebracht hatten, daß sie der Despotie der Pfaf-
fen, der Edelleute und der Beamten nicht neuerdings, und
wohl noch ärger, als vorher, waren unterworfen worden;
auch, daß sie, ohne Requisition, ihre Feldarbeit in Ruhe und
heiler Haut betreiben konnten. Dieß machte sie auch überall
gastfrey gegen die Sankülotten; aber Viele von diesen, zu stolz
auf die öffentliche Meynung aber ihr Verdienst um die Erhal-
tung der Republik, gingen in ihren Foderungen oft weiter als
sie sollten, und machten es, wie mancher Furst, welcher die
Dankpflicht der Unterthanen für den Schutz den er ihnen an-
gedeihen laßt, wozu sie Geld und Leute ohnehin schon im vor-
aus geben, soweit ausdehnt daß er sie, wie das Ihrige als
sein Eigenthum betrachtet, und nun zugreift, wann und wie
es i[h]m beliebt. So wenig dieß nun gutes Blut bey den Un-
terthanen setzet, so wenig sezte das Herren-Benehmen vieler
Sankulotten auch gutes Blut bey manchen Bauren: und dar-
um war Vorsicht nöthig, wenn Einzelne zur Nacht sich ihnen
nahten.

waͤren, einen Anfall von Mehreren abzuhalten, uns
den Bauren bey Nachtzeit ſo aufs Gerathewohl zu
uͤberlaſſen. Man koͤnnte nicht wiſſen, ob ſie nicht
vielleicht erſt kurz vorher von Leuten unſeres Glei-
chen ſeyen inſultirt worden, und ob ſie nicht auf
Gelegenheit lauern moͤgten, ſich zu raͤchen. *) Ich
uͤberdachte das, fand ſeine Vorſtellung vernuͤnftig;
aber die Nacht kam heran, und in der Nacht laͤßt
ſich in jenem gebuͤrgigen und flußreichen Lande,
wo Weg und Steg nicht leicht zu finden ſind, gar
ſchlecht weiter machen. Ueberdieß hatten wir noch
vier franzoͤſiſche Meilen nach Valence. Als

*) Die Leute in jenen Gegenden waren ohne Ausnahme gut re-
publikaniſch geſinnt, und wußten recht gut, daß die Sankü-
lotten es waren, welche das innere Frankreich gerettet, und die
Sachen dahin gebracht hatten, daß ſie der Deſpotie der Pfaf-
fen, der Edelleute und der Beamten nicht neuerdings, und
wohl noch ärger, als vorher, waren unterworfen worden;
auch, daß ſie, ohne Requiſition, ihre Feldarbeit in Ruhe und
heiler Haut betreiben konnten. Dieß machte ſie auch überall
gaſtfrey gegen die Sankülotten; aber Viele von dieſen, zu ſtolz
auf die öffentliche Meynung aber ihr Verdienſt um die Erhal-
tung der Republik, gingen in ihren Foderungen oft weiter als
ſie ſollten, und machten es, wie mancher Furſt, welcher die
Dankpflicht der Unterthanen für den Schutz den er ihnen an-
gedeihen laßt, wozu ſie Geld und Leute ohnehin ſchon im vor-
aus geben, ſoweit ausdehnt daß er ſie, wie das Ihrige als
ſein Eigenthum betrachtet, und nun zugreift, wann und wie
es i[h]m beliebt. So wenig dieß nun gutes Blut bey den Un-
terthanen ſetzet, ſo wenig ſezte das Herren-Benehmen vieler
Sankulotten auch gutes Blut bey manchen Bauren: und dar-
um war Vorſicht nöthig, wenn Einzelne zur Nacht ſich ihnen
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[383/0387] waͤren, einen Anfall von Mehreren abzuhalten, uns den Bauren bey Nachtzeit ſo aufs Gerathewohl zu uͤberlaſſen. Man koͤnnte nicht wiſſen, ob ſie nicht vielleicht erſt kurz vorher von Leuten unſeres Glei- chen ſeyen inſultirt worden, und ob ſie nicht auf Gelegenheit lauern moͤgten, ſich zu raͤchen. *) Ich uͤberdachte das, fand ſeine Vorſtellung vernuͤnftig; aber die Nacht kam heran, und in der Nacht laͤßt ſich in jenem gebuͤrgigen und flußreichen Lande, wo Weg und Steg nicht leicht zu finden ſind, gar ſchlecht weiter machen. Ueberdieß hatten wir noch vier franzoͤſiſche Meilen nach Valence. Als *) Die Leute in jenen Gegenden waren ohne Ausnahme gut re- publikaniſch geſinnt, und wußten recht gut, daß die Sankü- lotten es waren, welche das innere Frankreich gerettet, und die Sachen dahin gebracht hatten, daß ſie der Deſpotie der Pfaf- fen, der Edelleute und der Beamten nicht neuerdings, und wohl noch ärger, als vorher, waren unterworfen worden; auch, daß ſie, ohne Requiſition, ihre Feldarbeit in Ruhe und heiler Haut betreiben konnten. Dieß machte ſie auch überall gaſtfrey gegen die Sankülotten; aber Viele von dieſen, zu ſtolz auf die öffentliche Meynung aber ihr Verdienſt um die Erhal- tung der Republik, gingen in ihren Foderungen oft weiter als ſie ſollten, und machten es, wie mancher Furſt, welcher die Dankpflicht der Unterthanen für den Schutz den er ihnen an- gedeihen laßt, wozu ſie Geld und Leute ohnehin ſchon im vor- aus geben, ſoweit ausdehnt daß er ſie, wie das Ihrige als ſein Eigenthum betrachtet, und nun zugreift, wann und wie es ihm beliebt. So wenig dieß nun gutes Blut bey den Un- terthanen ſetzet, ſo wenig ſezte das Herren-Benehmen vieler Sankulotten auch gutes Blut bey manchen Bauren: und dar- um war Vorſicht nöthig, wenn Einzelne zur Nacht ſich ihnen nahten.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/387>, abgerufen am 22.11.2024.