Daß es mir leicht war, die Gunst aller meiner Kameraden zu erwerben, sowohl der Offiziere, als der Gemeinen -- denn die alle heißen Kameraden oder Brüder -- bilden sich diejenigen meiner Leser schon für sich ein, die mich von meiner Wiege an kennen. Ich that alles, was sie thaten, schwadro- nirte wie sie, lief herum wie sie, trank wie sie, schimpfte auf Aristokraten und Pfaffen, wie sie, und war also in allen Stücken gerade wie sie. Mein Dienst erstreckte sich, so lange wir in Lyon waren, blos auf das Patrouilliren, und zur Guillotine zie- hen, um welche wir täglich, Nachmittags um zwey Uhr, einen Kreis schließen mußten. Ich würde d[e]nk' ich, meine Leser beleidigen, wenn ich ihnen noch viel von dem traurigen Spektakel schildern wollte, vor welchem ich anfänglich zurückschauderte, her- nach aber es gleichgültig, oder doch ohne Zuckun- gen betrachten konnte.
Einer von den Repräsentanten, welche damals in Lyon das schreckliche Amt, die Empörer zu stra- fen, ausübten, war der in ganz Europa bekannte
Fuͤnf und zwanzigſtes Kapitel.
Meine Lage bey den Sankuͤlotten.
Daß es mir leicht war, die Gunſt aller meiner Kameraden zu erwerben, ſowohl der Offiziere, als der Gemeinen — denn die alle heißen Kameraden oder Bruͤder — bilden ſich diejenigen meiner Leſer ſchon fuͤr ſich ein, die mich von meiner Wiege an kennen. Ich that alles, was ſie thaten, ſchwadro- nirte wie ſie, lief herum wie ſie, trank wie ſie, ſchimpfte auf Ariſtokraten und Pfaffen, wie ſie, und war alſo in allen Stuͤcken gerade wie ſie. Mein Dienſt erſtreckte ſich, ſo lange wir in Lyon waren, blos auf das Patrouilliren, und zur Guillotine zie- hen, um welche wir taͤglich, Nachmittags um zwey Uhr, einen Kreis ſchließen mußten. Ich wuͤrde d[e]nk' ich, meine Leſer beleidigen, wenn ich ihnen noch viel von dem traurigen Spektakel ſchildern wollte, vor welchem ich anfaͤnglich zuruͤckſchauderte, her- nach aber es gleichguͤltig, oder doch ohne Zuckun- gen betrachten konnte.
Einer von den Repraͤſentanten, welche damals in Lyon das ſchreckliche Amt, die Empoͤrer zu ſtra- fen, ausuͤbten, war der in ganz Europa bekannte
<TEI><text><body><pbfacs="#f0371"n="367"/><divn="1"><head>Fuͤnf und zwanzigſtes Kapitel.</head><lb/><p><hirendition="#g">Meine Lage bey den Sankuͤlotten</hi>.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>aß es mir leicht war, die Gunſt aller meiner<lb/>
Kameraden zu erwerben, ſowohl der Offiziere, als<lb/>
der Gemeinen — denn die alle heißen Kameraden<lb/>
oder Bruͤder — bilden ſich diejenigen meiner Leſer<lb/>ſchon fuͤr ſich ein, die mich von meiner Wiege an<lb/>
kennen. Ich that alles, was ſie thaten, ſchwadro-<lb/>
nirte wie ſie, lief herum wie ſie, trank wie ſie,<lb/>ſchimpfte auf Ariſtokraten und Pfaffen, wie ſie,<lb/>
und war alſo in allen Stuͤcken gerade wie ſie. Mein<lb/>
Dienſt erſtreckte ſich, ſo lange wir in Lyon waren,<lb/>
blos auf das Patrouilliren, und zur Guillotine zie-<lb/>
hen, um welche wir taͤglich, Nachmittags um zwey<lb/>
Uhr, einen Kreis ſchließen mußten. Ich wuͤrde<lb/>
d<supplied>e</supplied>nk' ich, meine Leſer beleidigen, wenn ich ihnen noch<lb/>
viel von dem traurigen Spektakel ſchildern wollte,<lb/>
vor welchem ich anfaͤnglich zuruͤckſchauderte, her-<lb/>
nach aber es gleichguͤltig, oder doch ohne Zuckun-<lb/>
gen betrachten konnte.</p><lb/><p>Einer von den Repraͤſentanten, welche damals<lb/>
in Lyon das ſchreckliche Amt, die Empoͤrer zu ſtra-<lb/>
fen, ausuͤbten, war der in ganz Europa bekannte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[367/0371]
Fuͤnf und zwanzigſtes Kapitel.
Meine Lage bey den Sankuͤlotten.
Daß es mir leicht war, die Gunſt aller meiner
Kameraden zu erwerben, ſowohl der Offiziere, als
der Gemeinen — denn die alle heißen Kameraden
oder Bruͤder — bilden ſich diejenigen meiner Leſer
ſchon fuͤr ſich ein, die mich von meiner Wiege an
kennen. Ich that alles, was ſie thaten, ſchwadro-
nirte wie ſie, lief herum wie ſie, trank wie ſie,
ſchimpfte auf Ariſtokraten und Pfaffen, wie ſie,
und war alſo in allen Stuͤcken gerade wie ſie. Mein
Dienſt erſtreckte ſich, ſo lange wir in Lyon waren,
blos auf das Patrouilliren, und zur Guillotine zie-
hen, um welche wir taͤglich, Nachmittags um zwey
Uhr, einen Kreis ſchließen mußten. Ich wuͤrde
denk' ich, meine Leſer beleidigen, wenn ich ihnen noch
viel von dem traurigen Spektakel ſchildern wollte,
vor welchem ich anfaͤnglich zuruͤckſchauderte, her-
nach aber es gleichguͤltig, oder doch ohne Zuckun-
gen betrachten konnte.
Einer von den Repraͤſentanten, welche damals
in Lyon das ſchreckliche Amt, die Empoͤrer zu ſtra-
fen, ausuͤbten, war der in ganz Europa bekannte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/371>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.