National-Interesse, durch ihr Uebergewicht, vor dem Privat-Interesse der Rebellen und Ausländer gesichert. Bey dem Anblick dieses buntschäckigen Gemisches von Leuten, welche noch größtentheils die Uniform der Herren trugen, denen sie kurz vor- her gedient hatten, fielen mir die Volonen der Römer ein, von welchem der große Diktator sagte, sie seyen immer gut genug, für das gemeine Wohl zu fechten. Ich konnte daher bey der wunderselt- samen Karrikatur nicht lachen, die diese Militz beym ersten Anblick machte.
Als der Offizier und ich ankamen, schrie er: Citoyens Sancülottes, hier bring' ich Euch einen Deutschen, der aber französisch spricht: Er will brav werden, wie Ihr! -- Vive la republique! schrie mir gleich der ganze sanskülottische Schwarm ent- gegen. Ich erwiederte diesen Zuruf mit den näm- lichen Worten, und war sofort gleich unter den Burschen bekannt.
Ich wollte mir nun auch Kameraden nach mei- nem Geschmack suchen, mit welchen ich nähern Umgang pflegen könnte. Den deutschen Deser- teurs traute ich wenig, wie ich denn überhaupt sa- gen muß, daß unter 10 Deserteurs allemal 9 schlechte Kerls sind -- nicht als wenn ich die Desertion an und für sich für ein schlechtes Stückchen hielte: wie könnten sonst Fürsten und ihre dienstfertigen Werber
National-Intereſſe, durch ihr Uebergewicht, vor dem Privat-Intereſſe der Rebellen und Auslaͤnder geſichert. Bey dem Anblick dieſes buntſchaͤckigen Gemiſches von Leuten, welche noch groͤßtentheils die Uniform der Herren trugen, denen ſie kurz vor- her gedient hatten, fielen mir die Volonen der Roͤmer ein, von welchem der große Diktator ſagte, ſie ſeyen immer gut genug, fuͤr das gemeine Wohl zu fechten. Ich konnte daher bey der wunderſelt- ſamen Karrikatur nicht lachen, die dieſe Militz beym erſten Anblick machte.
Als der Offizier und ich ankamen, ſchrie er: Citoyens Sancuͤlottes, hier bring' ich Euch einen Deutſchen, der aber franzoͤſiſch ſpricht: Er will brav werden, wie Ihr! — Vive la république! ſchrie mir gleich der ganze ſanskuͤlottiſche Schwarm ent- gegen. Ich erwiederte dieſen Zuruf mit den naͤm- lichen Worten, und war ſofort gleich unter den Burſchen bekannt.
Ich wollte mir nun auch Kameraden nach mei- nem Geſchmack ſuchen, mit welchen ich naͤhern Umgang pflegen koͤnnte. Den deutſchen Deſer- teurs traute ich wenig, wie ich denn uͤberhaupt ſa- gen muß, daß unter 10 Deſerteurs allemal 9 ſchlechte Kerls ſind — nicht als wenn ich die Deſertion an und fuͤr ſich fuͤr ein ſchlechtes Stuͤckchen hielte: wie koͤnnten ſonſt Fuͤrſten und ihre dienſtfertigen Werber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0365"n="361"/>
National-Intereſſe, durch ihr Uebergewicht, vor<lb/>
dem Privat-Intereſſe der Rebellen und Auslaͤnder<lb/>
geſichert. Bey dem Anblick dieſes buntſchaͤckigen<lb/>
Gemiſches von Leuten, welche noch groͤßtentheils<lb/>
die Uniform der Herren trugen, denen ſie kurz vor-<lb/>
her gedient hatten, fielen mir die <hirendition="#g">Volonen</hi> der<lb/>
Roͤmer ein, von welchem der große Diktator ſagte,<lb/>ſie ſeyen immer gut genug, fuͤr das gemeine Wohl<lb/>
zu fechten. Ich konnte daher bey der wunderſelt-<lb/>ſamen Karrikatur nicht lachen, die dieſe Militz beym<lb/>
erſten Anblick machte.</p><lb/><p>Als der Offizier und ich ankamen, ſchrie er:<lb/>
Citoyens Sancuͤlottes, hier bring' ich Euch einen<lb/>
Deutſchen, der aber franzoͤſiſch ſpricht: Er will brav<lb/>
werden, wie Ihr! —<hirendition="#aq">Vive la république!</hi>ſchrie<lb/>
mir gleich der ganze ſanskuͤlottiſche Schwarm ent-<lb/>
gegen. Ich erwiederte dieſen Zuruf mit den naͤm-<lb/>
lichen Worten, und war ſofort gleich unter den<lb/>
Burſchen bekannt.</p><lb/><p>Ich wollte mir nun auch Kameraden nach mei-<lb/>
nem Geſchmack ſuchen, mit welchen ich naͤhern<lb/>
Umgang pflegen koͤnnte. Den deutſchen Deſer-<lb/>
teurs traute ich wenig, wie ich denn uͤberhaupt ſa-<lb/>
gen muß, daß unter 10 Deſerteurs allemal 9 ſchlechte<lb/>
Kerls ſind — nicht als wenn ich die Deſertion an<lb/>
und fuͤr ſich fuͤr ein ſchlechtes Stuͤckchen hielte: wie<lb/>
koͤnnten ſonſt Fuͤrſten und ihre dienſtfertigen Werber<lb/></p></div></body></text></TEI>
[361/0365]
National-Intereſſe, durch ihr Uebergewicht, vor
dem Privat-Intereſſe der Rebellen und Auslaͤnder
geſichert. Bey dem Anblick dieſes buntſchaͤckigen
Gemiſches von Leuten, welche noch groͤßtentheils
die Uniform der Herren trugen, denen ſie kurz vor-
her gedient hatten, fielen mir die Volonen der
Roͤmer ein, von welchem der große Diktator ſagte,
ſie ſeyen immer gut genug, fuͤr das gemeine Wohl
zu fechten. Ich konnte daher bey der wunderſelt-
ſamen Karrikatur nicht lachen, die dieſe Militz beym
erſten Anblick machte.
Als der Offizier und ich ankamen, ſchrie er:
Citoyens Sancuͤlottes, hier bring' ich Euch einen
Deutſchen, der aber franzoͤſiſch ſpricht: Er will brav
werden, wie Ihr! — Vive la république! ſchrie
mir gleich der ganze ſanskuͤlottiſche Schwarm ent-
gegen. Ich erwiederte dieſen Zuruf mit den naͤm-
lichen Worten, und war ſofort gleich unter den
Burſchen bekannt.
Ich wollte mir nun auch Kameraden nach mei-
nem Geſchmack ſuchen, mit welchen ich naͤhern
Umgang pflegen koͤnnte. Den deutſchen Deſer-
teurs traute ich wenig, wie ich denn uͤberhaupt ſa-
gen muß, daß unter 10 Deſerteurs allemal 9 ſchlechte
Kerls ſind — nicht als wenn ich die Deſertion an
und fuͤr ſich fuͤr ein ſchlechtes Stuͤckchen hielte: wie
koͤnnten ſonſt Fuͤrſten und ihre dienſtfertigen Werber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/365>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.