Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.suchen, wo sie die nähern Umstände dieser grausa- *) Hätte Pitt diese Gährung stracks unterstützet: Europa wäre
längst zur Ruhe. Aber was kümmert einen Kaufmann das Interesse Anderer! Pitt wollte unumschränkt herrschen in England, und Herr zur See seyn. Die Holländer standen ihm vorzüglich im Wege, und ihre Besitzungen reizten ihn gar sehr. So via facti zuzufahren, ging nicht: er zwang sie also, - auch Andere, weil im Trüben gut fischen ist, und weil das Au- genmerk auf einen gemeinschaftlichen Feind, die Franzosen, es verhindern sollte, sein Augenmerk auf einen besondern zu mer- ken und zu hintertreiben; oder gelänge der Krieg, dann den Franzosen das wegzukapern, was er in diesem Falle den Holländern hätte lassen müssen -- zur Theilnahme am Kriege. Aber schon bey der Belagerung von Dunkirchen, die er von der Seeseite nicht unterstützen ließ, konnte man merken, wohin er eigentlich wollte. Die mordbrennerische Expedition auf Toulon zeigte das Nämliche. Der Krieg sollte einmal in die Länge gezogen werden, um das Volk in England und dessen Sprecher in eine anhaltende Nothwendigkeit zu setzen, sein despotisches Verfahren als ein interimistisches Resultat der Noth und der Zeit gelten zu lassen: während der Zeit aber die Zügel der willkührlichen Regierung so fest anzuschnallen, daß nichts sie weiter zerreiße. Die Volksmasse mußte also durch ſuchen, wo ſie die naͤhern Umſtaͤnde dieſer grauſa- *) Hätte Pitt dieſe Gährung ſtracks unterſtützet: Europa wäre
längſt zur Ruhe. Aber was kümmert einen Kaufmann das Intereſſe Anderer! Pitt wollte unumſchränkt herrſchen in England, und Herr zur See ſeyn. Die Holländer ſtanden ihm vorzüglich im Wege, und ihre Beſitzungen reizten ihn gar ſehr. So via facti zuzufahren, ging nicht: er zwang ſie alſo, – auch Andere, weil im Trüben gut fiſchen iſt, und weil das Au- genmerk auf einen gemeinſchaftlichen Feind, die Franzoſen, es verhindern ſollte, ſein Augenmerk auf einen beſondern zu mer- ken und zu hintertreiben; oder gelänge der Krieg, dann den Franzoſen das wegzukapern, was er in dieſem Falle den Holländern hätte laſſen müſſen — zur Theilnahme am Kriege. Aber ſchon bey der Belagerung von Dunkirchen, die er von der Seeſeite nicht unterſtützen ließ, konnte man merken, wohin er eigentlich wollte. Die mordbrenneriſche Expedition auf Toulon zeigte das Nämliche. Der Krieg ſollte einmal in die Länge gezogen werden, um das Volk in England und deſſen Sprecher in eine anhaltende Nothwendigkeit zu ſetzen, ſein deſpotiſches Verfahren als ein interimiſtiſches Reſultat der Noth und der Zeit gelten zu laſſen: während der Zeit aber die Zügel der willkührlichen Regierung ſo feſt anzuſchnallen, daß nichts ſie weiter zerreiße. Die Volksmaſſe mußte alſo durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0358" n="354"/> ſuchen, wo ſie die naͤhern Umſtaͤnde dieſer grauſa-<lb/> men und entſetzlichen Tragoͤdie finden werden.<lb/> Ich glaube aber doch bewieſen zu haben, daß der<lb/> Konvent bey den damaligen mißlichen Umſtaͤnden<lb/> nicht anders konnte, als ſo ein hartes Urtheil uͤber<lb/> Lyon zu ſprechen. Lyon rebellirte gerade zu einer<lb/> Zeit, wo die Republik noch keine innere Konſiſtenz<lb/> hatte, und auf allen Seiten von den fuͤrchterlich-<lb/> ſten Feinden bedroht und geaͤngſtiget wurde. Und<lb/> haͤtten ſich die Staͤdte <hi rendition="#g">Marſeille</hi>, <hi rendition="#g">Toulon</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Lyon</hi> behaupten koͤnnen: dann gute Nacht<lb/> Republik, gute Nacht Freyheit! <note xml:id="note-0358" next="#note-0359" place="foot" n="*)">Hätte <hi rendition="#g">Pitt</hi> dieſe Gährung ſtracks unterſtützet: Europa wäre<lb/> längſt zur Ruhe. Aber was kümmert einen Kaufmann das<lb/> Intereſſe Anderer! <hi rendition="#g">Pitt</hi> wollte unumſchränkt herrſchen in<lb/> England, und Herr zur See ſeyn. Die Holländer ſtanden ihm<lb/> vorzüglich im Wege, und ihre Beſitzungen reizten ihn gar<lb/> ſehr. So <hi rendition="#aq">via facti</hi> zuzufahren, ging nicht: er zwang ſie alſo,<lb/> – auch Andere, weil im Trüben gut fiſchen iſt, und weil das Au-<lb/> genmerk auf einen gemeinſchaftlichen Feind, die Franzoſen, es<lb/> verhindern ſollte, ſein Augenmerk auf einen beſondern zu mer-<lb/> ken und zu hintertreiben; oder gelänge der Krieg, dann den<lb/> Franzoſen das wegzukapern, was er in dieſem Falle den<lb/> Holländern hätte laſſen müſſen — zur Theilnahme am Kriege.<lb/> Aber ſchon bey der Belagerung von <hi rendition="#g">Dunkirchen</hi>, die er<lb/> von der Seeſeite nicht unterſtützen ließ, konnte man merken,<lb/> wohin er eigentlich wollte. Die mordbrenneriſche Expedition<lb/> auf <hi rendition="#g">Toulon</hi> zeigte das Nämliche. Der Krieg ſollte einmal<lb/> in die Länge gezogen werden, um das Volk in England und<lb/> deſſen Sprecher in eine anhaltende Nothwendigkeit zu ſetzen,<lb/> ſein deſpotiſches Verfahren als ein interimiſtiſches Reſultat der<lb/> Noth und der Zeit gelten zu laſſen: während der Zeit aber die<lb/> Zügel der willkührlichen Regierung ſo feſt anzuſchnallen, daß<lb/> nichts ſie weiter zerreiße. Die Volksmaſſe mußte alſo durch</note></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [354/0358]
ſuchen, wo ſie die naͤhern Umſtaͤnde dieſer grauſa-
men und entſetzlichen Tragoͤdie finden werden.
Ich glaube aber doch bewieſen zu haben, daß der
Konvent bey den damaligen mißlichen Umſtaͤnden
nicht anders konnte, als ſo ein hartes Urtheil uͤber
Lyon zu ſprechen. Lyon rebellirte gerade zu einer
Zeit, wo die Republik noch keine innere Konſiſtenz
hatte, und auf allen Seiten von den fuͤrchterlich-
ſten Feinden bedroht und geaͤngſtiget wurde. Und
haͤtten ſich die Staͤdte Marſeille, Toulon
und Lyon behaupten koͤnnen: dann gute Nacht
Republik, gute Nacht Freyheit! *)
*) Hätte Pitt dieſe Gährung ſtracks unterſtützet: Europa wäre
längſt zur Ruhe. Aber was kümmert einen Kaufmann das
Intereſſe Anderer! Pitt wollte unumſchränkt herrſchen in
England, und Herr zur See ſeyn. Die Holländer ſtanden ihm
vorzüglich im Wege, und ihre Beſitzungen reizten ihn gar
ſehr. So via facti zuzufahren, ging nicht: er zwang ſie alſo,
– auch Andere, weil im Trüben gut fiſchen iſt, und weil das Au-
genmerk auf einen gemeinſchaftlichen Feind, die Franzoſen, es
verhindern ſollte, ſein Augenmerk auf einen beſondern zu mer-
ken und zu hintertreiben; oder gelänge der Krieg, dann den
Franzoſen das wegzukapern, was er in dieſem Falle den
Holländern hätte laſſen müſſen — zur Theilnahme am Kriege.
Aber ſchon bey der Belagerung von Dunkirchen, die er
von der Seeſeite nicht unterſtützen ließ, konnte man merken,
wohin er eigentlich wollte. Die mordbrenneriſche Expedition
auf Toulon zeigte das Nämliche. Der Krieg ſollte einmal
in die Länge gezogen werden, um das Volk in England und
deſſen Sprecher in eine anhaltende Nothwendigkeit zu ſetzen,
ſein deſpotiſches Verfahren als ein interimiſtiſches Reſultat der
Noth und der Zeit gelten zu laſſen: während der Zeit aber die
Zügel der willkührlichen Regierung ſo feſt anzuſchnallen, daß
nichts ſie weiter zerreiße. Die Volksmaſſe mußte alſo durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |