Der Präsident des Jakobinerklubs, Chailler, -- bey Hn. Girtanner heißt er Challier: aber fehlerhaft -- ein unternehmender Kopf, rieth jezt, daß man, um fernern Aufstand zu verhüten, die Straßen mit Kanonen besetzen sollte. Er gab davon der Municipalität Nachricht, aber diese ver- warf den Anschlag, und die Feinde der Jakobiner stellten den Bürgern vor, daß man die Absicht habe, alle Nichtjakobiner nieder zu machen. Dieses Vor- geben war an sich absurd, fand aber doch Eingang und Chailler wurde angeklagt, auch eingesteckt, aber sogleich wieder frey gemacht. Dabey aber blieb es nicht: denn um Mitternacht überfielen die Ari- stokraten den Saal, worin die Jakobiner zum Theil noch versammelt waren, tödteten deren über 150 und zerstörten das ganze Gebäude. Bey dieser Ge- legenheit kam die ganze Stadt in Harnisch, und gar viele Menschen wurden selbige Nacht ermordet.
Chailler ward flüchtig, und die Jakobiner klagten eine große Liste von Lyonern als Aristokra- ten und Feinde der Republik zu Paris an. Der Konvent schickte auch einige Sankülotten, welche dann doch in Lyon Furcht verbreiteten. Da aber diese bald zur italiänischen Armee abgingen, so wollten die Lyoner, daß die Regierung geändert, und ein Interims-Parlament errichtet werden sollte. Dieses Parlament sollte weder im Namen des Kö-
Der Praͤſident des Jakobinerklubs, Chailler, — bey Hn. Girtanner heißt er Challier: aber fehlerhaft — ein unternehmender Kopf, rieth jezt, daß man, um fernern Aufſtand zu verhuͤten, die Straßen mit Kanonen beſetzen ſollte. Er gab davon der Municipalitaͤt Nachricht, aber dieſe ver- warf den Anſchlag, und die Feinde der Jakobiner ſtellten den Buͤrgern vor, daß man die Abſicht habe, alle Nichtjakobiner nieder zu machen. Dieſes Vor- geben war an ſich abſurd, fand aber doch Eingang und Chailler wurde angeklagt, auch eingeſteckt, aber ſogleich wieder frey gemacht. Dabey aber blieb es nicht: denn um Mitternacht uͤberfielen die Ari- ſtokraten den Saal, worin die Jakobiner zum Theil noch verſammelt waren, toͤdteten deren uͤber 150 und zerſtoͤrten das ganze Gebaͤude. Bey dieſer Ge- legenheit kam die ganze Stadt in Harniſch, und gar viele Menſchen wurden ſelbige Nacht ermordet.
Chailler ward fluͤchtig, und die Jakobiner klagten eine große Liſte von Lyonern als Ariſtokra- ten und Feinde der Republik zu Paris an. Der Konvent ſchickte auch einige Sankuͤlotten, welche dann doch in Lyon Furcht verbreiteten. Da aber dieſe bald zur italiaͤniſchen Armee abgingen, ſo wollten die Lyoner, daß die Regierung geaͤndert, und ein Interims-Parlament errichtet werden ſollte. Dieſes Parlament ſollte weder im Namen des Koͤ-
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Der Praͤſident des Jakobinerklubs, Chailler,
— bey Hn. Girtanner heißt er Challier:
aber fehlerhaft — ein unternehmender Kopf, rieth
jezt, daß man, um fernern Aufſtand zu verhuͤten,
die Straßen mit Kanonen beſetzen ſollte. Er gab
davon der Municipalitaͤt Nachricht, aber dieſe ver-
warf den Anſchlag, und die Feinde der Jakobiner
ſtellten den Buͤrgern vor, daß man die Abſicht habe,
alle Nichtjakobiner nieder zu machen. Dieſes Vor-
geben war an ſich abſurd, fand aber doch Eingang
und Chailler wurde angeklagt, auch eingeſteckt,
aber ſogleich wieder frey gemacht. Dabey aber blieb
es nicht: denn um Mitternacht uͤberfielen die Ari-
ſtokraten den Saal, worin die Jakobiner zum Theil
noch verſammelt waren, toͤdteten deren uͤber 150
und zerſtoͤrten das ganze Gebaͤude. Bey dieſer Ge-
legenheit kam die ganze Stadt in Harniſch, und gar
viele Menſchen wurden ſelbige Nacht ermordet.
Chailler ward fluͤchtig, und die Jakobiner
klagten eine große Liſte von Lyonern als Ariſtokra-
ten und Feinde der Republik zu Paris an. Der
Konvent ſchickte auch einige Sankuͤlotten, welche
dann doch in Lyon Furcht verbreiteten. Da aber
dieſe bald zur italiaͤniſchen Armee abgingen, ſo
wollten die Lyoner, daß die Regierung geaͤndert,
und ein Interims-Parlament errichtet werden ſollte.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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