Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

fen vor sich. Nirgends in Deutschland, nicht in der
schlechtesten Dorfschule, kann das Schulwesen elender
bestellt seyn, als es bisher bey uns gäng und gäbe
war. -- Die Schriften, welche für die Pädagogik
herauskamen, namentlich in Deutschland, waren
für unsere Geistlichen so gut, wie gar nicht da. --
Unwissenheit in allen Fächern der Wissenschaften
herrschte durch alle Klassen. -- Was die heillosen
Büchermacher drucken lassen, davon wollte man
nichts wissen, weil ihre Bücher so trocken und so
schwer zu verstehen sind, und weil man so leicht
ein Kätzer werden könnte. Und so kam es, daß je-
der schon ein Kätzer war, der nur Schmidts
Geschichte der Deutschen las." --

"Es ist gar nichts Neues, fährt er S. 164 fort,
daß wir bisher mit Pfarrern versehen waren, wel-
che in 12, 15, 20, und 25 Jahren nicht mehr die
Kanzel bestiegen haben. Aus den Predigten macht
man sich bey uns überhaupt wenig. Höchstens hiel-
ten andere Pfarrer alle Vierteljahr eine sogenannte
Predigt, das heißt, so eine Erzählungsstunde,
welche sie mit Mährchen-Erzählen und Heiligen-
Histörchen zubrachten, oder mit Schimpferey über
Vorfälle in der Gemeinde. An den meisten Orten
mußten Mönche die Pfarrdienste versehen. Daß
selten einer der Pfarrer, oder ihrer Vikarien eine
Predigt machen konnte, ist ausgemacht. Aber wo

fen vor ſich. Nirgends in Deutſchland, nicht in der
ſchlechteſten Dorfſchule, kann das Schulweſen elender
beſtellt ſeyn, als es bisher bey uns gaͤng und gaͤbe
war. — Die Schriften, welche fuͤr die Paͤdagogik
herauskamen, namentlich in Deutſchland, waren
fuͤr unſere Geiſtlichen ſo gut, wie gar nicht da. —
Unwiſſenheit in allen Faͤchern der Wiſſenſchaften
herrſchte durch alle Klaſſen. — Was die heilloſen
Buͤchermacher drucken laſſen, davon wollte man
nichts wiſſen, weil ihre Buͤcher ſo trocken und ſo
ſchwer zu verſtehen ſind, und weil man ſo leicht
ein Kaͤtzer werden koͤnnte. Und ſo kam es, daß je-
der ſchon ein Kaͤtzer war, der nur Schmidts
Geſchichte der Deutſchen las.“ —

„Es iſt gar nichts Neues, faͤhrt er S. 164 fort,
daß wir bisher mit Pfarrern verſehen waren, wel-
che in 12, 15, 20, und 25 Jahren nicht mehr die
Kanzel beſtiegen haben. Aus den Predigten macht
man ſich bey uns uͤberhaupt wenig. Hoͤchſtens hiel-
ten andere Pfarrer alle Vierteljahr eine ſogenannte
Predigt, das heißt, ſo eine Erzaͤhlungsſtunde,
welche ſie mit Maͤhrchen-Erzaͤhlen und Heiligen-
Hiſtoͤrchen zubrachten, oder mit Schimpferey uͤber
Vorfaͤlle in der Gemeinde. An den meiſten Orten
mußten Moͤnche die Pfarrdienſte verſehen. Daß
ſelten einer der Pfarrer, oder ihrer Vikarien eine
Predigt machen konnte, iſt ausgemacht. Aber wo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0320" n="316"/>
fen vor &#x017F;ich. Nirgends in Deut&#x017F;chland, nicht in der<lb/>
&#x017F;chlechte&#x017F;ten Dorf&#x017F;chule, kann das Schulwe&#x017F;en elender<lb/>
be&#x017F;tellt &#x017F;eyn, als es bisher bey uns ga&#x0364;ng und ga&#x0364;be<lb/>
war. &#x2014; Die Schriften, welche fu&#x0364;r die Pa&#x0364;dagogik<lb/>
herauskamen, namentlich in Deut&#x017F;chland, waren<lb/>
fu&#x0364;r un&#x017F;ere Gei&#x017F;tlichen &#x017F;o gut, wie gar nicht da. &#x2014;<lb/>
Unwi&#x017F;&#x017F;enheit in allen Fa&#x0364;chern der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften<lb/>
herr&#x017F;chte durch alle Kla&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Was die heillo&#x017F;en<lb/>
Bu&#x0364;chermacher drucken la&#x017F;&#x017F;en, davon wollte man<lb/>
nichts wi&#x017F;&#x017F;en, weil ihre Bu&#x0364;cher &#x017F;o trocken und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chwer zu ver&#x017F;tehen &#x017F;ind, und weil man &#x017F;o leicht<lb/>
ein Ka&#x0364;tzer werden ko&#x0364;nnte. Und &#x017F;o kam es, daß je-<lb/>
der &#x017F;chon ein Ka&#x0364;tzer war, der nur <hi rendition="#g">Schmidts</hi><lb/>
Ge&#x017F;chichte der Deut&#x017F;chen las.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t gar nichts Neues, fa&#x0364;hrt er S. 164 fort,<lb/>
daß wir bisher mit Pfarrern ver&#x017F;ehen waren, wel-<lb/>
che in 12, 15, 20, und 25 Jahren nicht mehr die<lb/>
Kanzel be&#x017F;tiegen haben. Aus den Predigten macht<lb/>
man &#x017F;ich bey uns u&#x0364;berhaupt wenig. Ho&#x0364;ch&#x017F;tens hiel-<lb/>
ten andere Pfarrer alle Vierteljahr eine &#x017F;ogenannte<lb/>
Predigt, das heißt, &#x017F;o eine Erza&#x0364;hlungs&#x017F;tunde,<lb/>
welche &#x017F;ie mit Ma&#x0364;hrchen-Erza&#x0364;hlen und Heiligen-<lb/>
Hi&#x017F;to&#x0364;rchen zubrachten, oder mit Schimpferey u&#x0364;ber<lb/>
Vorfa&#x0364;lle in der Gemeinde. An den mei&#x017F;ten Orten<lb/>
mußten Mo&#x0364;nche die Pfarrdien&#x017F;te ver&#x017F;ehen. Daß<lb/>
&#x017F;elten einer der Pfarrer, oder ihrer Vikarien eine<lb/>
Predigt machen konnte, i&#x017F;t ausgemacht. Aber wo<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0320] fen vor ſich. Nirgends in Deutſchland, nicht in der ſchlechteſten Dorfſchule, kann das Schulweſen elender beſtellt ſeyn, als es bisher bey uns gaͤng und gaͤbe war. — Die Schriften, welche fuͤr die Paͤdagogik herauskamen, namentlich in Deutſchland, waren fuͤr unſere Geiſtlichen ſo gut, wie gar nicht da. — Unwiſſenheit in allen Faͤchern der Wiſſenſchaften herrſchte durch alle Klaſſen. — Was die heilloſen Buͤchermacher drucken laſſen, davon wollte man nichts wiſſen, weil ihre Buͤcher ſo trocken und ſo ſchwer zu verſtehen ſind, und weil man ſo leicht ein Kaͤtzer werden koͤnnte. Und ſo kam es, daß je- der ſchon ein Kaͤtzer war, der nur Schmidts Geſchichte der Deutſchen las.“ — „Es iſt gar nichts Neues, faͤhrt er S. 164 fort, daß wir bisher mit Pfarrern verſehen waren, wel- che in 12, 15, 20, und 25 Jahren nicht mehr die Kanzel beſtiegen haben. Aus den Predigten macht man ſich bey uns uͤberhaupt wenig. Hoͤchſtens hiel- ten andere Pfarrer alle Vierteljahr eine ſogenannte Predigt, das heißt, ſo eine Erzaͤhlungsſtunde, welche ſie mit Maͤhrchen-Erzaͤhlen und Heiligen- Hiſtoͤrchen zubrachten, oder mit Schimpferey uͤber Vorfaͤlle in der Gemeinde. An den meiſten Orten mußten Moͤnche die Pfarrdienſte verſehen. Daß ſelten einer der Pfarrer, oder ihrer Vikarien eine Predigt machen konnte, iſt ausgemacht. Aber wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/320
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/320>, abgerufen am 25.11.2024.