Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

die Seele gefahren sey. Mir ists auch so gegangen,
sagte er, aber nun bin ich dergleichen schon gewohnt.
Du wirst noch mehr guillotiniren sehen, und nicht
mehr davor erschrecken. Er hatte recht: man ge-
wöhnt sich nach und nach auch an die allerscheuß-
lichsten Scenen. Man denke an die Vieh- und
Menschen-Schlächter! --

Da wir in Colmar Ruhetag hatten, so konnte
ich aller Orten herum wandern und mich mit den
Einwohnern bekannt machen. Ich fand denn in
Colmar weit mehr Patriotismus, als in Stras-
burg. Vorzüglich rühmte man an einem Procura-
tor Glocsin, daß er bey verschiednen Gelegen-
heiten die gemeine Sache mit aller Macht vertre-
ten habe. Der Name Glocsin fiel mir auf:
denn eine weitläufige Anverwandte von mir hatte
einen Doktor Glocsin von Colmar geheurathet. Ich
fragte also weiter nach, und erfuhr, daß der D.
Glocsin, welcher die Mamsell Stutz von Grehwei-
ler vorzeiten geheurathet hatte, der Vater des Pro-
kurators gewesen sey. Hierauf beschloß ich hinzu-
gehen. Ich traf ihn zwar nicht zu Hause, aber
sein Schwager, dem ich meinen Namen und mein
Vaterland sagte, bewirthete mich ganz artig, und
versprach, dem Prokurator von mir Nachricht zu
geben. Dieser würde auch -- sezte er hinzu --

die Seele gefahren ſey. Mir iſts auch ſo gegangen,
ſagte er, aber nun bin ich dergleichen ſchon gewohnt.
Du wirſt noch mehr guillotiniren ſehen, und nicht
mehr davor erſchrecken. Er hatte recht: man ge-
woͤhnt ſich nach und nach auch an die allerſcheuß-
lichſten Scenen. Man denke an die Vieh- und
Menſchen-Schlaͤchter! —

Da wir in Colmar Ruhetag hatten, ſo konnte
ich aller Orten herum wandern und mich mit den
Einwohnern bekannt machen. Ich fand denn in
Colmar weit mehr Patriotismus, als in Stras-
burg. Vorzuͤglich ruͤhmte man an einem Procura-
tor Glocſin, daß er bey verſchiednen Gelegen-
heiten die gemeine Sache mit aller Macht vertre-
ten habe. Der Name Glocſin fiel mir auf:
denn eine weitlaͤufige Anverwandte von mir hatte
einen Doktor Glocſin von Colmar geheurathet. Ich
fragte alſo weiter nach, und erfuhr, daß der D.
Glocſin, welcher die Mamſell Stutz von Grehwei-
ler vorzeiten geheurathet hatte, der Vater des Pro-
kurators geweſen ſey. Hierauf beſchloß ich hinzu-
gehen. Ich traf ihn zwar nicht zu Hauſe, aber
ſein Schwager, dem ich meinen Namen und mein
Vaterland ſagte, bewirthete mich ganz artig, und
verſprach, dem Prokurator von mir Nachricht zu
geben. Dieſer wuͤrde auch — ſezte er hinzu —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0315" n="311"/>
die Seele gefahren &#x017F;ey. Mir i&#x017F;ts auch &#x017F;o gegangen,<lb/>
&#x017F;agte er, aber nun bin ich dergleichen &#x017F;chon gewohnt.<lb/>
Du wir&#x017F;t noch mehr guillotiniren &#x017F;ehen, und nicht<lb/>
mehr davor er&#x017F;chrecken. Er hatte recht: man ge-<lb/>
wo&#x0364;hnt &#x017F;ich nach und nach auch an die aller&#x017F;cheuß-<lb/>
lich&#x017F;ten Scenen. Man denke an die Vieh- und<lb/>
Men&#x017F;chen-Schla&#x0364;chter! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Da wir in Colmar Ruhetag hatten, &#x017F;o konnte<lb/>
ich aller Orten herum wandern und mich mit den<lb/>
Einwohnern bekannt machen. Ich fand denn in<lb/>
Colmar weit mehr Patriotismus, als in Stras-<lb/>
burg. Vorzu&#x0364;glich ru&#x0364;hmte man an einem Procura-<lb/>
tor <hi rendition="#g">Gloc&#x017F;in</hi>, daß er bey ver&#x017F;chiednen Gelegen-<lb/>
heiten die gemeine Sache mit aller Macht vertre-<lb/>
ten habe. Der Name <hi rendition="#g">Gloc&#x017F;in</hi> fiel mir auf:<lb/>
denn eine weitla&#x0364;ufige Anverwandte von mir hatte<lb/>
einen Doktor Gloc&#x017F;in von Colmar geheurathet. Ich<lb/>
fragte al&#x017F;o weiter nach, und erfuhr, daß der D.<lb/>
Gloc&#x017F;in, welcher die Mam&#x017F;ell <hi rendition="#g">Stutz</hi> von Grehwei-<lb/>
ler vorzeiten geheurathet hatte, der Vater des Pro-<lb/>
kurators gewe&#x017F;en &#x017F;ey. Hierauf be&#x017F;chloß ich hinzu-<lb/>
gehen. Ich traf ihn zwar nicht zu Hau&#x017F;e, aber<lb/>
&#x017F;ein Schwager, dem ich meinen Namen und mein<lb/>
Vaterland &#x017F;agte, bewirthete mich ganz artig, und<lb/>
ver&#x017F;prach, dem Prokurator von mir Nachricht zu<lb/>
geben. Die&#x017F;er wu&#x0364;rde auch &#x2014; &#x017F;ezte er hinzu &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0315] die Seele gefahren ſey. Mir iſts auch ſo gegangen, ſagte er, aber nun bin ich dergleichen ſchon gewohnt. Du wirſt noch mehr guillotiniren ſehen, und nicht mehr davor erſchrecken. Er hatte recht: man ge- woͤhnt ſich nach und nach auch an die allerſcheuß- lichſten Scenen. Man denke an die Vieh- und Menſchen-Schlaͤchter! — Da wir in Colmar Ruhetag hatten, ſo konnte ich aller Orten herum wandern und mich mit den Einwohnern bekannt machen. Ich fand denn in Colmar weit mehr Patriotismus, als in Stras- burg. Vorzuͤglich ruͤhmte man an einem Procura- tor Glocſin, daß er bey verſchiednen Gelegen- heiten die gemeine Sache mit aller Macht vertre- ten habe. Der Name Glocſin fiel mir auf: denn eine weitlaͤufige Anverwandte von mir hatte einen Doktor Glocſin von Colmar geheurathet. Ich fragte alſo weiter nach, und erfuhr, daß der D. Glocſin, welcher die Mamſell Stutz von Grehwei- ler vorzeiten geheurathet hatte, der Vater des Pro- kurators geweſen ſey. Hierauf beſchloß ich hinzu- gehen. Ich traf ihn zwar nicht zu Hauſe, aber ſein Schwager, dem ich meinen Namen und mein Vaterland ſagte, bewirthete mich ganz artig, und verſprach, dem Prokurator von mir Nachricht zu geben. Dieſer wuͤrde auch — ſezte er hinzu —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/315
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/315>, abgerufen am 22.11.2024.