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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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unanständigsten Beynamen gab. Ein gemeiner
Christ würde sagen, man habe Gott gelästert. --
Wenn es erlaubt wäre, die Unanständigkeiten der
Pöbelsprache zu wiederholen, so sollten hier Re-
densarten vorkommen, worüber der fromme Christ
sich kreuzen und segnen würde. Aber wir wollen sie
übergehen.

Die Dekadi's d. i. die zehnten Tage im
Monate, derer jeder dreißig hat, waren blos Ru-
hetage, oder Tage, woran man, ohne als schlech-
ter Bürger verdächtig zu werden, müßig gehen
konnte.

Aber im Anfange des Monats Mai, 1794,
that Robespierre den Vorschlag, morali-
sche Feste an den Dekadentagen anzuordnen. Die
Rede des Ropespierre, die er hierzu hielt, ist
wohl leicht eine der schönsten, die jemals gehalten
sind, und verdient von jedem gelesen zu werden,
der Gefühl für das Wahre und Schöne hat. Mit
dem Feuer eines Demosthenes und mit Kants
Gründlichkeit bewies er hier: daß die Moral die
erste Stütze der bürgerlichen Gesellschaft sey. Dar-
in, fuhr er fort, besteht das Geheimniß der
Staatskunst und der Gesetzgebung, daß man mo-
ralische Tugenden aus den Büchern der Philosophie
in die Gesetze und in die öffentliche Verwaltung ver-
pflanze, und die gemeinen Begriffe von Rechtschaf-

unanſtaͤndigſten Beynamen gab. Ein gemeiner
Chriſt wuͤrde ſagen, man habe Gott gelaͤſtert. —
Wenn es erlaubt waͤre, die Unanſtaͤndigkeiten der
Poͤbelſprache zu wiederholen, ſo ſollten hier Re-
densarten vorkommen, woruͤber der fromme Chriſt
ſich kreuzen und ſegnen wuͤrde. Aber wir wollen ſie
uͤbergehen.

Die Dekadi's d. i. die zehnten Tage im
Monate, derer jeder dreißig hat, waren blos Ru-
hetage, oder Tage, woran man, ohne als ſchlech-
ter Buͤrger verdaͤchtig zu werden, muͤßig gehen
konnte.

Aber im Anfange des Monats Mai, 1794,
that Robespierre den Vorſchlag, morali-
ſche Feſte an den Dekadentagen anzuordnen. Die
Rede des Ropespierre, die er hierzu hielt, iſt
wohl leicht eine der ſchoͤnſten, die jemals gehalten
ſind, und verdient von jedem geleſen zu werden,
der Gefuͤhl fuͤr das Wahre und Schoͤne hat. Mit
dem Feuer eines Demoſthenes und mit Kants
Gruͤndlichkeit bewies er hier: daß die Moral die
erſte Stuͤtze der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſey. Dar-
in, fuhr er fort, beſteht das Geheimniß der
Staatskunſt und der Geſetzgebung, daß man mo-
raliſche Tugenden aus den Buͤchern der Philoſophie
in die Geſetze und in die oͤffentliche Verwaltung ver-
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[297/0301] unanſtaͤndigſten Beynamen gab. Ein gemeiner Chriſt wuͤrde ſagen, man habe Gott gelaͤſtert. — Wenn es erlaubt waͤre, die Unanſtaͤndigkeiten der Poͤbelſprache zu wiederholen, ſo ſollten hier Re- densarten vorkommen, woruͤber der fromme Chriſt ſich kreuzen und ſegnen wuͤrde. Aber wir wollen ſie uͤbergehen. Die Dekadi's d. i. die zehnten Tage im Monate, derer jeder dreißig hat, waren blos Ru- hetage, oder Tage, woran man, ohne als ſchlech- ter Buͤrger verdaͤchtig zu werden, muͤßig gehen konnte. Aber im Anfange des Monats Mai, 1794, that Robespierre den Vorſchlag, morali- ſche Feſte an den Dekadentagen anzuordnen. Die Rede des Ropespierre, die er hierzu hielt, iſt wohl leicht eine der ſchoͤnſten, die jemals gehalten ſind, und verdient von jedem geleſen zu werden, der Gefuͤhl fuͤr das Wahre und Schoͤne hat. Mit dem Feuer eines Demoſthenes und mit Kants Gruͤndlichkeit bewies er hier: daß die Moral die erſte Stuͤtze der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſey. Dar- in, fuhr er fort, beſteht das Geheimniß der Staatskunſt und der Geſetzgebung, daß man mo- raliſche Tugenden aus den Buͤchern der Philoſophie in die Geſetze und in die oͤffentliche Verwaltung ver- pflanze, und die gemeinen Begriffe von Rechtſchaf-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/301>, abgerufen am 22.11.2024.