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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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auch, und so war die Versammlung immer sehr
ansehnlich und zahlreich. Die Worte: Tempel
der Vernunft
standen mit großen goldenen
Buchstaben über den Thüren der ehemaligen Tem-
pel des Aberglaubens. Oft wurden drey, vier und
mehrere Reden an einer Dekade gehalten, und
man kam oft erst Abends um zehn, elf Uhr aus
der lezten, Zum Einschläfern war keine. --

Das Zeichen zum Anfang jeder Versammlung
wurde mit Läuten einer Glocke gegeben, aber auf
ganz andere Art wie zu dem Gottesdienste bey
uns: die Glocke wurde blos einseitig angeschlagen.
Der Anfang dieses Vernunft-Dienstes, oder dieser
Vernunft-Huldigung, wenn man so sagen darf,
wurde mit Absingung gewisser Lieder gemacht, wo-
zu auch Instrumente gespielt wurden. Die Lieder
waren aus den Sammlungen republikanischer Ge-
sänge, welche man jezt in Frankreich sehr häufig,
gut und enthusiastisch-belebend hat. Vorzüglich
wurde der Marseiller Marsch musicirt und gesun-
gen. Der Beschluß geschah wieder mit einem re-
publikanischen Liede.

So hatte denn Frankreich am Ende des Jahres
1793 bis in den Sommer 1794 gar keine eigent-
liche Religion, welche öffentlich wäre geübt wor-
den, nicht einmal eine öffentliche natürliche: denn
diese erfordert wenigstens öffentliches Bekenntniß

auch, und ſo war die Verſammlung immer ſehr
anſehnlich und zahlreich. Die Worte: Tempel
der Vernunft
ſtanden mit großen goldenen
Buchſtaben uͤber den Thuͤren der ehemaligen Tem-
pel des Aberglaubens. Oft wurden drey, vier und
mehrere Reden an einer Dekade gehalten, und
man kam oft erſt Abends um zehn, elf Uhr aus
der lezten, Zum Einſchlaͤfern war keine. —

Das Zeichen zum Anfang jeder Verſammlung
wurde mit Laͤuten einer Glocke gegeben, aber auf
ganz andere Art wie zu dem Gottesdienſte bey
uns: die Glocke wurde blos einſeitig angeſchlagen.
Der Anfang dieſes Vernunft-Dienſtes, oder dieſer
Vernunft-Huldigung, wenn man ſo ſagen darf,
wurde mit Abſingung gewiſſer Lieder gemacht, wo-
zu auch Inſtrumente geſpielt wurden. Die Lieder
waren aus den Sammlungen republikaniſcher Ge-
ſaͤnge, welche man jezt in Frankreich ſehr haͤufig,
gut und enthuſiaſtiſch-belebend hat. Vorzuͤglich
wurde der Marſeiller Marſch muſicirt und geſun-
gen. Der Beſchluß geſchah wieder mit einem re-
publikaniſchen Liede.

So hatte denn Frankreich am Ende des Jahres
1793 bis in den Sommer 1794 gar keine eigent-
liche Religion, welche oͤffentlich waͤre geuͤbt wor-
den, nicht einmal eine oͤffentliche natuͤrliche: denn
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[288/0292] auch, und ſo war die Verſammlung immer ſehr anſehnlich und zahlreich. Die Worte: Tempel der Vernunft ſtanden mit großen goldenen Buchſtaben uͤber den Thuͤren der ehemaligen Tem- pel des Aberglaubens. Oft wurden drey, vier und mehrere Reden an einer Dekade gehalten, und man kam oft erſt Abends um zehn, elf Uhr aus der lezten, Zum Einſchlaͤfern war keine. — Das Zeichen zum Anfang jeder Verſammlung wurde mit Laͤuten einer Glocke gegeben, aber auf ganz andere Art wie zu dem Gottesdienſte bey uns: die Glocke wurde blos einſeitig angeſchlagen. Der Anfang dieſes Vernunft-Dienſtes, oder dieſer Vernunft-Huldigung, wenn man ſo ſagen darf, wurde mit Abſingung gewiſſer Lieder gemacht, wo- zu auch Inſtrumente geſpielt wurden. Die Lieder waren aus den Sammlungen republikaniſcher Ge- ſaͤnge, welche man jezt in Frankreich ſehr haͤufig, gut und enthuſiaſtiſch-belebend hat. Vorzuͤglich wurde der Marſeiller Marſch muſicirt und geſun- gen. Der Beſchluß geſchah wieder mit einem re- publikaniſchen Liede. So hatte denn Frankreich am Ende des Jahres 1793 bis in den Sommer 1794 gar keine eigent- liche Religion, welche oͤffentlich waͤre geuͤbt wor- den, nicht einmal eine oͤffentliche natuͤrliche: denn dieſe erfordert wenigſtens oͤffentliches Bekenntniß

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/292>, abgerufen am 22.11.2024.