griffe in die Rechte der Geistlichkeit und des Pap- stes, ganz gegen das kanonische Recht. Weil nun Viele, besonders die Freunde der Pfaffen, sich auf die Freyheiten der Gallikauischen Kirche, die Rechte der Geistlichkeit, das Jus canonicun u. s. w. be- riefen, so dekretirte endlich, im Jahr 1792, die Assemblee, daß die Geistlichkeit ihre Gesetze fort- hin blos und allein von der gesetzgebenden Macht der Nation zu erhalten habe; daß alle ältere Ge- setze, Privilegien, Konkordaten, Canones, Bul- len, Brevia u. s. f. durchaus nichts mehr gelten sollten, und daß in Religionssachen blos der klare Ausspruch der h. Schrift anzunehmen, und als Glaubensartikel zu befolgen sey.
Da lag nun Papst, Kirche und Concilien! Das hieß dem Katholicismus ganz ans Herz grei- fen! Man weiß nämlich, daß die römische Kirche unter andern ihr Wesen in der Einigkeit des Glau- bens (unit[a]te fidei) sezt, das heißt, daß diese Religion fodert, daß alle katholischen Christen ihre Lehren auf dieselbe Art, ohne alle Aenderung und Abweichung gerade so nachbestimmen sollen, wie die Kirche oder der Papst sie ihnen nach der Bibel oder der Tradition vorbestimmt. Diese Glaubensquelle stopfte der National-Convent nun zu, und verwies blos auf den klaren Ausspruch der Bibel. Die Bibel aber ist eine Sammlung
griffe in die Rechte der Geiſtlichkeit und des Pap- ſtes, ganz gegen das kanoniſche Recht. Weil nun Viele, beſonders die Freunde der Pfaffen, ſich auf die Freyheiten der Gallikauiſchen Kirche, die Rechte der Geiſtlichkeit, das Jus canonicun u. ſ. w. be- riefen, ſo dekretirte endlich, im Jahr 1792, die Aſſemblée, daß die Geiſtlichkeit ihre Geſetze fort- hin blos und allein von der geſetzgebenden Macht der Nation zu erhalten habe; daß alle aͤltere Ge- ſetze, Privilegien, Konkordaten, Canones, Bul- len, Brevia u. ſ. f. durchaus nichts mehr gelten ſollten, und daß in Religionsſachen blos der klare Ausſpruch der h. Schrift anzunehmen, und als Glaubensartikel zu befolgen ſey.
Da lag nun Papſt, Kirche und Concilien! Das hieß dem Katholicismus ganz ans Herz grei- fen! Man weiß naͤmlich, daß die roͤmiſche Kirche unter andern ihr Weſen in der Einigkeit des Glau- bens (unit[a]te fidei) ſezt, das heißt, daß dieſe Religion fodert, daß alle katholiſchen Chriſten ihre Lehren auf dieſelbe Art, ohne alle Aenderung und Abweichung gerade ſo nachbeſtimmen ſollen, wie die Kirche oder der Papſt ſie ihnen nach der Bibel oder der Tradition vorbeſtimmt. Dieſe Glaubensquelle ſtopfte der National-Convent nun zu, und verwies blos auf den klaren Ausſpruch der Bibel. Die Bibel aber iſt eine Sammlung
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griffe in die Rechte der Geiſtlichkeit und des Pap-
ſtes, ganz gegen das kanoniſche Recht. Weil nun
Viele, beſonders die Freunde der Pfaffen, ſich auf
die Freyheiten der Gallikauiſchen Kirche, die Rechte
der Geiſtlichkeit, das Jus canonicun u. ſ. w. be-
riefen, ſo dekretirte endlich, im Jahr 1792, die
Aſſemblée, daß die Geiſtlichkeit ihre Geſetze fort-
hin blos und allein von der geſetzgebenden Macht
der Nation zu erhalten habe; daß alle aͤltere Ge-
ſetze, Privilegien, Konkordaten, Canones, Bul-
len, Brevia u. ſ. f. durchaus nichts mehr gelten
ſollten, und daß in Religionsſachen blos der klare
Ausſpruch der h. Schrift anzunehmen, und als
Glaubensartikel zu befolgen ſey.
Da lag nun Papſt, Kirche und Concilien!
Das hieß dem Katholicismus ganz ans Herz grei-
fen! Man weiß naͤmlich, daß die roͤmiſche Kirche
unter andern ihr Weſen in der Einigkeit des Glau-
bens (unitate fidei) ſezt, das heißt, daß dieſe
Religion fodert, daß alle katholiſchen Chriſten ihre
Lehren auf dieſelbe Art, ohne alle Aenderung
und Abweichung gerade ſo nachbeſtimmen ſollen,
wie die Kirche oder der Papſt ſie ihnen nach der
Bibel oder der Tradition vorbeſtimmt. Dieſe
Glaubensquelle ſtopfte der National-Convent nun
zu, und verwies blos auf den klaren Ausſpruch
der Bibel. Die Bibel aber iſt eine Sammlung
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/247>, abgerufen am 23.11.2024.
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