Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.
Unter der Regierung Ludwig XVI. war freylich nicht, so respektiren wir ihre wieder nicht. -- Und seht, so
kam es, daß eine ganze Nation mit kaltem Blute das end- lich ihrem Throne bis auf die Hesen mit jesuitisch-systemati- scher Grausamkeit vergalt, was dieser nach seiner Politik, durch Jesuiten eingeschlummert, auf die unverantwortlichste Art längst an ihr verschuldet hatte. Seht dieß Fürsten, seht dieß Völker, sehts und zittert, aber seht ja zugleich, woher das alles kam! Die Politik verderbte die Moral, die Moral die Religion, der Fürst den Priester, der Priester ihn und das Volk; und das Volk endlich, der politischen und religiö- sen Neckerey müde, und durch das Betragen Beyder gewi[ß]igt und geweckt, stürzt, um sich zu retten -- Beyde. Seht, soviel vermag verkehrte Politik! Sie durch Prie- ster, Aberglauben, Furcht und Bastillen retten wollen, ver- räth eine noch verkehrtere. Nur ächte, innere Moralität, durch reife Einsicht gestüzt, und ohne alle Quacksalberey der Priester vom Beherrscher wie vom Beherrschten überall geach- tet, und auf alles, was in ihr Gebiet einschlägt, ehrlich an- gewandt, nebst heiliger Beachtung der Rechte Anderer, es mag sie die Vernunft, oder der von ihr bestimmte Zweck des Staates angeben, sichert die Ruhe und das Gluck der Völker und der Fürsten. -- Man lese in den Briefen eines preuß. Augenzeugen über den Feldzug des Herzogs von Braunschweig -- 4ten Pac[ks] 2te Abth. S. 452 ff. Unter der Regierung Ludwig XVI. war freylich nicht, ſo reſpektiren wir ihre wieder nicht. — Und ſeht, ſo
kam es, daß eine ganze Nation mit kaltem Blute das end- lich ihrem Throne bis auf die Heſen mit jeſuitiſch-ſyſtemati- ſcher Grauſamkeit vergalt, was dieſer nach ſeiner Politik, durch Jeſuiten eingeſchlummert, auf die unverantwortlichſte Art längſt an ihr verſchuldet hatte. Seht dieß Fürſten, ſeht dieß Völker, ſehts und zittert, aber ſeht ja zugleich, woher das alles kam! Die Politik verderbte die Moral, die Moral die Religion, der Fürſt den Prieſter, der Prieſter ihn und das Volk; und das Volk endlich, der politiſchen und religiö- ſen Neckerey müde, und durch das Betragen Beyder gewi[ß]igt und geweckt, ſtürzt, um ſich zu retten — Beyde. Seht, ſoviel vermag verkehrte Politik! Sie durch Prie- ſter, Aberglauben, Furcht und Baſtillen retten wollen, ver- räth eine noch verkehrtere. Nur ächte, innere Moralität, durch reife Einſicht geſtüzt, und ohne alle Quackſalberey der Prieſter vom Beherrſcher wie vom Beherrſchten überall geach- tet, und auf alles, was in ihr Gebiet einſchlägt, ehrlich an- gewandt, nebſt heiliger Beachtung der Rechte Anderer, es mag ſie die Vernunft, oder der von ihr beſtimmte Zweck des Staates angeben, ſichert die Ruhe und das Gluck der Völker und der Fürſten. — Man leſe in den Briefen eines preuß. Augenzeugen über den Feldzug des Herzogs von Braunſchweig — 4ten Pac[ks] 2te Abth. S. 452 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0238" n="234"/> <p>Unter der Regierung <hi rendition="#g">Ludwig</hi> <hi rendition="#aq">XVI.</hi> war freylich<lb/> viel Toleranz in Frankreich: das kam aber nicht<lb/> daher, als wenn die Pfaffen toleranter geworden<lb/> waͤren: nein, die Urſache war vielmehr, daß die<lb/> Layen den Pfaffen und der Kircherey entwachſen<lb/> waren, und daß die Buͤcher des Voltaire, des<lb/> Rouſſeau, des Montesquieux und andrer Philo-<lb/> ſophen, von allen Klaſſen geleſen wurden, und<lb/> Eingang uͤberall fanden, weil ſie verſtaͤndlich, un-<lb/> terhaltend, und in der Landesſprache geſchrieben<lb/> waren. Dadurch war nun freylich viel vorbereitet,<lb/><note xml:id="note-0238" prev="#note-0237" place="foot" n="*)"><p>nicht, ſo reſpektiren wir ihre wieder nicht. — Und ſeht, ſo<lb/> kam es, daß eine ganze Nation mit kaltem Blute das end-<lb/> lich ihrem Throne bis auf die Heſen mit jeſuitiſch-ſyſtemati-<lb/> ſcher Grauſamkeit vergalt, was dieſer nach ſeiner Politik,<lb/> durch Jeſuiten eingeſchlummert, auf die unverantwortlichſte<lb/> Art längſt an ihr verſchuldet hatte. Seht dieß Fürſten, ſeht<lb/> dieß Völker, ſehts und zittert, aber ſeht ja zugleich, woher<lb/> das alles kam! Die Politik verderbte die Moral, die Moral<lb/> die Religion, der Fürſt den Prieſter, der Prieſter ihn und<lb/> das Volk; und das Volk endlich, der politiſchen und religiö-<lb/> ſen Neckerey müde, und durch das Betragen Beyder gewi<supplied>ß</supplied>igt<lb/> und geweckt, ſtürzt, um ſich zu retten — Beyde.</p><lb/><p>Seht, ſoviel vermag verkehrte Politik! Sie durch Prie-<lb/> ſter, Aberglauben, Furcht und Baſtillen retten wollen, ver-<lb/> räth eine noch verkehrtere. Nur ächte, innere Moralität,<lb/> durch reife Einſicht geſtüzt, und ohne alle Quackſalberey der<lb/> Prieſter vom Beherrſcher wie vom Beherrſchten überall geach-<lb/> tet, und auf alles, was in ihr Gebiet einſchlägt, ehrlich an-<lb/> gewandt, nebſt heiliger Beachtung der Rechte Anderer, es<lb/> mag ſie die Vernunft, oder der von ihr beſtimmte Zweck des<lb/> Staates angeben, ſichert die Ruhe und das Gluck der Völker<lb/> und der Fürſten. — Man leſe in den <hi rendition="#g">Briefen</hi> eines preuß.<lb/> Augenzeugen über den Feldzug des Herzogs von Braunſchweig<lb/> — 4ten Pac<supplied>ks</supplied> 2te Abth. S. 452 ff.</p></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [234/0238]
Unter der Regierung Ludwig XVI. war freylich
viel Toleranz in Frankreich: das kam aber nicht
daher, als wenn die Pfaffen toleranter geworden
waͤren: nein, die Urſache war vielmehr, daß die
Layen den Pfaffen und der Kircherey entwachſen
waren, und daß die Buͤcher des Voltaire, des
Rouſſeau, des Montesquieux und andrer Philo-
ſophen, von allen Klaſſen geleſen wurden, und
Eingang uͤberall fanden, weil ſie verſtaͤndlich, un-
terhaltend, und in der Landesſprache geſchrieben
waren. Dadurch war nun freylich viel vorbereitet,
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*) nicht, ſo reſpektiren wir ihre wieder nicht. — Und ſeht, ſo
kam es, daß eine ganze Nation mit kaltem Blute das end-
lich ihrem Throne bis auf die Heſen mit jeſuitiſch-ſyſtemati-
ſcher Grauſamkeit vergalt, was dieſer nach ſeiner Politik,
durch Jeſuiten eingeſchlummert, auf die unverantwortlichſte
Art längſt an ihr verſchuldet hatte. Seht dieß Fürſten, ſeht
dieß Völker, ſehts und zittert, aber ſeht ja zugleich, woher
das alles kam! Die Politik verderbte die Moral, die Moral
die Religion, der Fürſt den Prieſter, der Prieſter ihn und
das Volk; und das Volk endlich, der politiſchen und religiö-
ſen Neckerey müde, und durch das Betragen Beyder gewißigt
und geweckt, ſtürzt, um ſich zu retten — Beyde.
Seht, ſoviel vermag verkehrte Politik! Sie durch Prie-
ſter, Aberglauben, Furcht und Baſtillen retten wollen, ver-
räth eine noch verkehrtere. Nur ächte, innere Moralität,
durch reife Einſicht geſtüzt, und ohne alle Quackſalberey der
Prieſter vom Beherrſcher wie vom Beherrſchten überall geach-
tet, und auf alles, was in ihr Gebiet einſchlägt, ehrlich an-
gewandt, nebſt heiliger Beachtung der Rechte Anderer, es
mag ſie die Vernunft, oder der von ihr beſtimmte Zweck des
Staates angeben, ſichert die Ruhe und das Gluck der Völker
und der Fürſten. — Man leſe in den Briefen eines preuß.
Augenzeugen über den Feldzug des Herzogs von Braunſchweig
— 4ten Packs 2te Abth. S. 452 ff.
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| Zitationshilfe: | Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/238>, abgerufen am 24.11.2024. |
