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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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Daß Schneider den Märe Dietrich für
den ärgsten Feind der Volksfreyheit ansah, und
ihm die schädlichsten Machinationen, voll bittern
Grolles, zuschrieb, zeigen die erwähnten Betrach-
tungen über den Gemeingeist, nebst Simo-
neau's Todtenfeyer. Hier sang er:

Lasset uns der Wehmuth Thräne weinen
Auf das Grab des edlen Simoneau,
Weil er starb als Hirte für die Seinen,
Weil er nicht als feiger Miethling floh!
Weil er nur für seine Brüder lebte,
Weil er stand im Sturme der Gefahr,
Weil er vor dem Tode selbst nicht bebte,
Weil er treu dem Bürgereide war.
Keiner lebte noch im Frankenreiche,
Keiner starb so tugendhaft wie Er.
Ach, daß ihm am Bürgersinne gleiche
Jeder Volksbeamte, jeder Mär!

Strasburg war vorzeiten eine der ansehnlichsten Reichsstädte
in Deutschland. Das sogenannte Philisterwesen, oder das
ungeschliffne Goliathisiren der Reichsstädter war durch die
Verbindung mit Frankreich noch immer nicht abgeschliffen.
Nun nehnte man ein Domstift hinzu, Bischöfe und Adliche
von Außen, die im Elsaß zu verlieren hatten: und die Größe
der [G]ährung ist kein Räthsel mehr.
Vierter Theil. [O]

Daß Schneider den Maͤre Dietrich fuͤr
den aͤrgſten Feind der Volksfreyheit anſah, und
ihm die ſchaͤdlichſten Machinationen, voll bittern
Grolles, zuſchrieb, zeigen die erwaͤhnten Betrach-
tungen uͤber den Gemeingeiſt, nebſt Simo-
neau's Todtenfeyer. Hier ſang er:

Laſſet uns der Wehmuth Thraͤne weinen
Auf das Grab des edlen Simoneau,
Weil er ſtarb als Hirte fuͤr die Seinen,
Weil er nicht als feiger Miethling floh!
Weil er nur fuͤr ſeine Bruͤder lebte,
Weil er ſtand im Sturme der Gefahr,
Weil er vor dem Tode ſelbſt nicht bebte,
Weil er treu dem Buͤrgereide war.
Keiner lebte noch im Frankenreiche,
Keiner ſtarb ſo tugendhaft wie Er.
Ach, daß ihm am Buͤrgerſinne gleiche
Jeder Volksbeamte, jeder Maͤr!

Strasburg war vorzeiten eine der anſehnlichſten Reichsſtädte
in Deutſchland. Das ſogenannte Philiſterweſen, oder das
ungeſchliffne Goliathiſiren der Reichsſtädter war durch die
Verbindung mit Frankreich noch immer nicht abgeſchliffen.
Nun nehnte man ein Domſtift hinzu, Biſchöfe und Adliche
von Außen, die im Elſaß zu verlieren hatten: und die Größe
der [G]ährung iſt kein Räthſel mehr.
Vierter Theil. [O]
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[209/0213] Daß Schneider den Maͤre Dietrich fuͤr den aͤrgſten Feind der Volksfreyheit anſah, und ihm die ſchaͤdlichſten Machinationen, voll bittern Grolles, zuſchrieb, zeigen die erwaͤhnten Betrach- tungen uͤber den Gemeingeiſt, nebſt Simo- neau's Todtenfeyer. Hier ſang er: Laſſet uns der Wehmuth Thraͤne weinen Auf das Grab des edlen Simoneau, Weil er ſtarb als Hirte fuͤr die Seinen, Weil er nicht als feiger Miethling floh! Weil er nur fuͤr ſeine Bruͤder lebte, Weil er ſtand im Sturme der Gefahr, Weil er vor dem Tode ſelbſt nicht bebte, Weil er treu dem Buͤrgereide war. Keiner lebte noch im Frankenreiche, Keiner ſtarb ſo tugendhaft wie Er. Ach, daß ihm am Buͤrgerſinne gleiche Jeder Volksbeamte, jeder Maͤr! *) *) Strasburg war vorzeiten eine der anſehnlichſten Reichsſtädte in Deutſchland. Das ſogenannte Philiſterweſen, oder das ungeſchliffne Goliathiſiren der Reichsſtädter war durch die Verbindung mit Frankreich noch immer nicht abgeſchliffen. Nun nehnte man ein Domſtift hinzu, Biſchöfe und Adliche von Außen, die im Elſaß zu verlieren hatten: und die Größe der Gährung iſt kein Räthſel mehr. Vierter Theil. O

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/213>, abgerufen am 23.11.2024.