schlau; Er hingegen zeigte sich immer gerade, kühn und ohne Schminke. Sein Stolz beleidigte man- che Eitelkeit, und seine Superiorität drückte schwer auf alles, was ihn umgab. Auch ohne Verbre- chen mußte er die Leidenschaften gegen sich empö- ren, denn er schonte niemand, und demüthigte mit Blick und Charakter jeden, der kleiner war als er, und doch oft größer und besser scheinen wollte. Was sich nicht gegen seine Verdienste und gegen seinen Stolz verschwor, das zitterte vor dem Stachel seiner Satyre, und wapnete sich oft selbst mit Verbrechen, um den mächtigen Feind zu stür- zen. Große Leidenschaften zeugen große Fehler und Tugenden, und es gehört mehr, als bloßer Scharfsinn dazu, über Männer von ungewöhnli- chem Gepräge zu entscheiden.
Man hat Schneidern Fehler und gar Laster schuldgegeben, wozu er nicht einmal Anlage hatte; und ob er gleich immer strafbar bleiben wird: so ist doch sein Todes-Urtheil aus lauter Lügen zusammengesezt. Schneiders Verfolgung, Ver- läumdung und Hinrichtung hatten ihren meisten Grund in seiner Freymüthigkeit gegen die Pfaffen, den Märe Dietrich und deren hofierenden, ver- rätherischen Anhang. Das Gesetz vom 28ten Jul 1791 gegen die ungeschwornen Geistlichen wurde im Niederrheinischen Departement entweder gar
ſchlau; Er hingegen zeigte ſich immer gerade, kuͤhn und ohne Schminke. Sein Stolz beleidigte man- che Eitelkeit, und ſeine Superioritaͤt druͤckte ſchwer auf alles, was ihn umgab. Auch ohne Verbre- chen mußte er die Leidenſchaften gegen ſich empoͤ- ren, denn er ſchonte niemand, und demuͤthigte mit Blick und Charakter jeden, der kleiner war als er, und doch oft groͤßer und beſſer ſcheinen wollte. Was ſich nicht gegen ſeine Verdienſte und gegen ſeinen Stolz verſchwor, das zitterte vor dem Stachel ſeiner Satyre, und wapnete ſich oft ſelbſt mit Verbrechen, um den maͤchtigen Feind zu ſtuͤr- zen. Große Leidenſchaften zeugen große Fehler und Tugenden, und es gehoͤrt mehr, als bloßer Scharfſinn dazu, uͤber Maͤnner von ungewoͤhnli- chem Gepraͤge zu entſcheiden.
Man hat Schneidern Fehler und gar Laſter ſchuldgegeben, wozu er nicht einmal Anlage hatte; und ob er gleich immer ſtrafbar bleiben wird: ſo iſt doch ſein Todes-Urtheil aus lauter Luͤgen zuſammengeſezt. Schneiders Verfolgung, Ver- laͤumdung und Hinrichtung hatten ihren meiſten Grund in ſeiner Freymuͤthigkeit gegen die Pfaffen, den Maͤre Dietrich und deren hofierenden, ver- raͤtheriſchen Anhang. Das Geſetz vom 28ten Jul 1791 gegen die ungeſchwornen Geiſtlichen wurde im Niederrheiniſchen Departement entweder gar
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ſchlau; Er hingegen zeigte ſich immer gerade, kuͤhn
und ohne Schminke. Sein Stolz beleidigte man-
che Eitelkeit, und ſeine Superioritaͤt druͤckte ſchwer
auf alles, was ihn umgab. Auch ohne Verbre-
chen mußte er die Leidenſchaften gegen ſich empoͤ-
ren, denn er ſchonte niemand, und demuͤthigte
mit Blick und Charakter jeden, der kleiner war
als er, und doch oft groͤßer und beſſer ſcheinen
wollte. Was ſich nicht gegen ſeine Verdienſte und
gegen ſeinen Stolz verſchwor, das zitterte vor dem
Stachel ſeiner Satyre, und wapnete ſich oft ſelbſt
mit Verbrechen, um den maͤchtigen Feind zu ſtuͤr-
zen. Große Leidenſchaften zeugen große Fehler
und Tugenden, und es gehoͤrt mehr, als bloßer
Scharfſinn dazu, uͤber Maͤnner von ungewoͤhnli-
chem Gepraͤge zu entſcheiden.
Man hat Schneidern Fehler und gar Laſter
ſchuldgegeben, wozu er nicht einmal Anlage hatte;
und ob er gleich immer ſtrafbar bleiben wird: ſo
iſt doch ſein Todes-Urtheil aus lauter Luͤgen
zuſammengeſezt. Schneiders Verfolgung, Ver-
laͤumdung und Hinrichtung hatten ihren meiſten
Grund in ſeiner Freymuͤthigkeit gegen die Pfaffen,
den Maͤre Dietrich und deren hofierenden, ver-
raͤtheriſchen Anhang. Das Geſetz vom 28ten Jul
1791 gegen die ungeſchwornen Geiſtlichen wurde
im Niederrheiniſchen Departement entweder gar
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/208>, abgerufen am 27.11.2024.
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