ohnerachtet läßt es sich immer essen, wenn es gut bereitet wird, und die Pferde nicht zu alt sind. Gewöhnlich wurde eine Brühe von Speck und Essig daran gemacht, und so konnte man es immer ge- nießen. Die Frau Brion hat mir mein Pferde- fleisch einigemal ganz vortrefflich zubereitet.
Wie aber wir schwerfällige Deutsche an dem Joche der Gewohnheit überall weit fester hängen, als der lenkbarere Franzose, so auch hier. Das Vorurtheil aus Mangel an Gewöhnung beherrschte die deutschen Deserteurs und Gefangenen lange eben so, wie das entgegengesezte Urtheil, oder der angewöhnte Wohlgeschmack unsere Vorfahren vor- zeiten beherrschte. Diesen war Pferdefleisch eines ihrer köstlichsten Gerichte, so köstlich, daß der Haupt-Lähmer altdeutscher Kraft -- ich meyne den heiligen Bonifacius -- es kaum dahin bringen konnte, ihnen den Geschmack daran abzu- gewöhnen. Papst GregorIII, und dessen Nach- folger, Zacharias, hatten ihm dieß aufgetra- gen, weil ihre Heiligkeiten Pferdefleisch für unrein und abscheulich hielten. Aber die lezte Heiligkeit hielt dafür auch die Krähen, Störche, Biber und Hasen! *)
*)Schmidts Geschichte der Deutschen. Ulm 1785. I. B. S. 6.
ohnerachtet laͤßt es ſich immer eſſen, wenn es gut bereitet wird, und die Pferde nicht zu alt ſind. Gewoͤhnlich wurde eine Bruͤhe von Speck und Eſſig daran gemacht, und ſo konnte man es immer ge- nießen. Die Frau Brion hat mir mein Pferde- fleiſch einigemal ganz vortrefflich zubereitet.
Wie aber wir ſchwerfaͤllige Deutſche an dem Joche der Gewohnheit uͤberall weit feſter haͤngen, als der lenkbarere Franzoſe, ſo auch hier. Das Vorurtheil aus Mangel an Gewoͤhnung beherrſchte die deutſchen Deſerteurs und Gefangenen lange eben ſo, wie das entgegengeſezte Urtheil, oder der angewoͤhnte Wohlgeſchmack unſere Vorfahren vor- zeiten beherrſchte. Dieſen war Pferdefleiſch eines ihrer koͤſtlichſten Gerichte, ſo koͤſtlich, daß der Haupt-Laͤhmer altdeutſcher Kraft — ich meyne den heiligen Bonifacius — es kaum dahin bringen konnte, ihnen den Geſchmack daran abzu- gewoͤhnen. Papſt GregorIII, und deſſen Nach- folger, Zacharias, hatten ihm dieß aufgetra- gen, weil ihre Heiligkeiten Pferdefleiſch fuͤr unrein und abſcheulich hielten. Aber die lezte Heiligkeit hielt dafuͤr auch die Kraͤhen, Stoͤrche, Biber und Haſen! *)
*)Schmidts Geſchichte der Deutſchen. Ulm 1785. I. B. S. 6.
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ohnerachtet laͤßt es ſich immer eſſen, wenn es gut
bereitet wird, und die Pferde nicht zu alt ſind.
Gewoͤhnlich wurde eine Bruͤhe von Speck und Eſſig
daran gemacht, und ſo konnte man es immer ge-
nießen. Die Frau Brion hat mir mein Pferde-
fleiſch einigemal ganz vortrefflich zubereitet.
Wie aber wir ſchwerfaͤllige Deutſche an dem
Joche der Gewohnheit uͤberall weit feſter haͤngen,
als der lenkbarere Franzoſe, ſo auch hier. Das
Vorurtheil aus Mangel an Gewoͤhnung beherrſchte
die deutſchen Deſerteurs und Gefangenen lange
eben ſo, wie das entgegengeſezte Urtheil, oder der
angewoͤhnte Wohlgeſchmack unſere Vorfahren vor-
zeiten beherrſchte. Dieſen war Pferdefleiſch eines
ihrer koͤſtlichſten Gerichte, ſo koͤſtlich, daß der
Haupt-Laͤhmer altdeutſcher Kraft — ich meyne
den heiligen Bonifacius — es kaum dahin
bringen konnte, ihnen den Geſchmack daran abzu-
gewoͤhnen. Papſt Gregor III, und deſſen Nach-
folger, Zacharias, hatten ihm dieß aufgetra-
gen, weil ihre Heiligkeiten Pferdefleiſch fuͤr unrein
und abſcheulich hielten. Aber die lezte Heiligkeit
hielt dafuͤr auch die Kraͤhen, Stoͤrche, Biber und
Haſen! *)
*) Schmidts Geſchichte der Deutſchen. Ulm 1785. I. B.
S. 6.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/166>, abgerufen am 24.11.2024.
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