Er: Darunter verstehe ich den Willen der Na- tion, auf diese oder jene Art als Nation zu existi- ren. Die Modifikation dieser Existenz macht den Grund aller Gesetze aus: sie ist die Grundlage der öffentlichen Ruhe, und darf folglich von keinem einzelnen Mitgliede übertreten, verändert, oder verdreht werden. Nun glaube ich, hast Du eini- gen Begriff von der Freyheit, welche die Franzo- sen einführen wollen.
Ich: Aber seyd Ihr denn jezt frey?
Er: Wie man es nehmen will. Unsre gesetz- gebende Macht hat die Nothwendigkeit eingesehen, Gesetze und Verordnungen zu machen, welche mit der vernünftigen Freyheit der Bürger nicht bestehen können. Dergleichen Verordnungen haben wir viele.
Ich: Also seyd Ihr ja nicht frey!
Er: Höre, Freund, wenn Du das Fieber hast, und wirklich König bist: bist Du da frey? Antwort: nein! Frankreich hat jezt das Fieber: Frankreich liegt im schrecklichsten Paroxismus, dessen Krisis sich fürchterlich äußert: und nun überlege, ob da die friedliche Lage der Freyheit in vollem Maaße, so wie wir sie wünschen, und mit der Zeit haben werden, jezt schon Statt haben könne?
Ich: Da Ihr aber diese schreckliche Krisen, die- sen Paroxismus zum voraus sehen konntet, warum finget Ihr Eure Revolution an?
Er: Dieser Paroxismus ist nicht ganz Folge der Revolution. Warum kamen Eure Fürsten, uns
Ich: Was verſtehſt Du unter allgemeinem Willen?
Er: Darunter verſtehe ich den Willen der Na- tion, auf dieſe oder jene Art als Nation zu exiſti- ren. Die Modifikation dieſer Exiſtenz macht den Grund aller Geſetze aus: ſie iſt die Grundlage der oͤffentlichen Ruhe, und darf folglich von keinem einzelnen Mitgliede uͤbertreten, veraͤndert, oder verdreht werden. Nun glaube ich, haſt Du eini- gen Begriff von der Freyheit, welche die Franzo- ſen einfuͤhren wollen.
Ich: Aber ſeyd Ihr denn jezt frey?
Er: Wie man es nehmen will. Unſre geſetz- gebende Macht hat die Nothwendigkeit eingeſehen, Geſetze und Verordnungen zu machen, welche mit der vernuͤnftigen Freyheit der Buͤrger nicht beſtehen koͤnnen. Dergleichen Verordnungen haben wir viele.
Ich: Alſo ſeyd Ihr ja nicht frey!
Er: Hoͤre, Freund, wenn Du das Fieber haſt, und wirklich Koͤnig biſt: biſt Du da frey? Antwort: nein! Frankreich hat jezt das Fieber: Frankreich liegt im ſchrecklichſten Paroxismus, deſſen Kriſis ſich fuͤrchterlich aͤußert: und nun uͤberlege, ob da die friedliche Lage der Freyheit in vollem Maaße, ſo wie wir ſie wuͤnſchen, und mit der Zeit haben werden, jezt ſchon Statt haben koͤnne?
Ich: Da Ihr aber dieſe ſchreckliche Kriſen, die- ſen Paroxismus zum voraus ſehen konntet, warum finget Ihr Eure Revolution an?
Er: Dieſer Paroxismus iſt nicht ganz Folge der Revolution. Warum kamen Eure Fuͤrſten, uns
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0534"n="522"/><p><hirendition="#g">Ich</hi>: Was verſtehſt Du unter allgemeinem<lb/>
Willen?</p><lb/><p><hirendition="#g">Er</hi>: Darunter verſtehe ich den Willen der Na-<lb/>
tion, auf dieſe oder jene Art als Nation zu exiſti-<lb/>
ren. Die Modifikation dieſer Exiſtenz macht den<lb/>
Grund aller Geſetze aus: ſie iſt die Grundlage der<lb/>
oͤffentlichen Ruhe, und darf folglich von keinem<lb/>
einzelnen Mitgliede uͤbertreten, veraͤndert, oder<lb/>
verdreht werden. Nun glaube ich, haſt Du eini-<lb/>
gen Begriff von der Freyheit, welche die Franzo-<lb/>ſen einfuͤhren wollen.</p><lb/><p><hirendition="#g">Ich</hi>: Aber ſeyd Ihr denn jezt frey?</p><lb/><p><hirendition="#g">Er</hi>: Wie man es nehmen will. Unſre geſetz-<lb/>
gebende Macht hat die Nothwendigkeit eingeſehen,<lb/>
Geſetze und Verordnungen zu machen, welche mit<lb/>
der vernuͤnftigen Freyheit der Buͤrger nicht beſtehen<lb/>
koͤnnen. Dergleichen Verordnungen haben wir viele.</p><lb/><p><hirendition="#g">Ich</hi>: Alſo ſeyd Ihr ja nicht frey!</p><lb/><p><hirendition="#g">Er</hi>: Hoͤre, Freund, wenn Du das Fieber haſt,<lb/>
und wirklich Koͤnig biſt: biſt Du da frey? Antwort:<lb/>
nein! Frankreich hat jezt das Fieber: Frankreich<lb/>
liegt im ſchrecklichſten Paroxismus, deſſen Kriſis<lb/>ſich fuͤrchterlich aͤußert: und nun uͤberlege, ob da<lb/>
die friedliche Lage der Freyheit in vollem Maaße,<lb/>ſo wie wir ſie wuͤnſchen, und mit der Zeit haben<lb/>
werden, jezt ſchon Statt haben koͤnne?</p><lb/><p><hirendition="#g">Ich</hi>: Da Ihr aber dieſe ſchreckliche Kriſen, die-<lb/>ſen Paroxismus zum voraus ſehen konntet, warum<lb/>
finget Ihr Eure Revolution an?</p><lb/><p><hirendition="#g">Er</hi>: Dieſer Paroxismus iſt nicht ganz Folge<lb/>
der Revolution. Warum kamen Eure Fuͤrſten, uns<lb/></p></div></body></text></TEI>
[522/0534]
Ich: Was verſtehſt Du unter allgemeinem
Willen?
Er: Darunter verſtehe ich den Willen der Na-
tion, auf dieſe oder jene Art als Nation zu exiſti-
ren. Die Modifikation dieſer Exiſtenz macht den
Grund aller Geſetze aus: ſie iſt die Grundlage der
oͤffentlichen Ruhe, und darf folglich von keinem
einzelnen Mitgliede uͤbertreten, veraͤndert, oder
verdreht werden. Nun glaube ich, haſt Du eini-
gen Begriff von der Freyheit, welche die Franzo-
ſen einfuͤhren wollen.
Ich: Aber ſeyd Ihr denn jezt frey?
Er: Wie man es nehmen will. Unſre geſetz-
gebende Macht hat die Nothwendigkeit eingeſehen,
Geſetze und Verordnungen zu machen, welche mit
der vernuͤnftigen Freyheit der Buͤrger nicht beſtehen
koͤnnen. Dergleichen Verordnungen haben wir viele.
Ich: Alſo ſeyd Ihr ja nicht frey!
Er: Hoͤre, Freund, wenn Du das Fieber haſt,
und wirklich Koͤnig biſt: biſt Du da frey? Antwort:
nein! Frankreich hat jezt das Fieber: Frankreich
liegt im ſchrecklichſten Paroxismus, deſſen Kriſis
ſich fuͤrchterlich aͤußert: und nun uͤberlege, ob da
die friedliche Lage der Freyheit in vollem Maaße,
ſo wie wir ſie wuͤnſchen, und mit der Zeit haben
werden, jezt ſchon Statt haben koͤnne?
Ich: Da Ihr aber dieſe ſchreckliche Kriſen, die-
ſen Paroxismus zum voraus ſehen konntet, warum
finget Ihr Eure Revolution an?
Er: Dieſer Paroxismus iſt nicht ganz Folge
der Revolution. Warum kamen Eure Fuͤrſten, uns
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/534>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.