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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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Ich: Weil es der Vernunft und dem natürli-
chen Gesetz zuwider ist.

Er: Das ist nicht richtig gesprochen: Es muß
heißen: weil es dem geschriebnen Gesetz zuwider ist.
Verstehst Du mich?

Ich: O ja, aber das Naturgesetz muß doch
die Grundlage aller geschriebnen Gesetze seyn.

Er: Das gehört alleweile nicht hieher, so wahr
es sonst ist. Das Naturrecht bildet keine Gesell-
schaft: wo aber Gesellschaft ist, da giebt es posi-
tive Gesetze, und es muß sie geben: und was diese
befehlen, das ist recht und erlaubt und was sie ver-
bieten, ist unrecht, und nicht erlaubt. Jezt will
ich Dir auch sagen, was Freyheit ist. Freyheit
heißt das Vermögen, blos nach solchen Gesetzen zu
leben, welche vernünftig und dem gemeinen We-
sen nützlich sind. Sklaverey hingegen heißt von
Gesetzen abhängen, welche absurd, unbillig, un-
gerecht u. s. w. sind. Hast Du mich verstanden?

Ich: O ja, ich bitte, nur fortzufahren.

Er: Du siehst also, daß Freyheit keine Gesetz-
losigkeit ist, und nichts weniger mit sich bringt,
als das Vermögen, willkührlich zu handeln, oder
seinen besondern Willen dem allgemeinen Willen
vorzuziehen: jeder muß sich dem allgemeinen Wil-
len unterwerfen.


Ich: Weil es der Vernunft und dem natuͤrli-
chen Geſetz zuwider iſt.

Er: Das iſt nicht richtig geſprochen: Es muß
heißen: weil es dem geſchriebnen Geſetz zuwider iſt.
Verſtehſt Du mich?

Ich: O ja, aber das Naturgeſetz muß doch
die Grundlage aller geſchriebnen Geſetze ſeyn.

Er: Das gehoͤrt alleweile nicht hieher, ſo wahr
es ſonſt iſt. Das Naturrecht bildet keine Geſell-
ſchaft: wo aber Geſellſchaft iſt, da giebt es poſi-
tive Geſetze, und es muß ſie geben: und was dieſe
befehlen, das iſt recht und erlaubt und was ſie ver-
bieten, iſt unrecht, und nicht erlaubt. Jezt will
ich Dir auch ſagen, was Freyheit iſt. Freyheit
heißt das Vermoͤgen, blos nach ſolchen Geſetzen zu
leben, welche vernuͤnftig und dem gemeinen We-
ſen nuͤtzlich ſind. Sklaverey hingegen heißt von
Geſetzen abhaͤngen, welche abſurd, unbillig, un-
gerecht u. ſ. w. ſind. Haſt Du mich verſtanden?

Ich: O ja, ich bitte, nur fortzufahren.

Er: Du ſiehſt alſo, daß Freyheit keine Geſetz-
loſigkeit iſt, und nichts weniger mit ſich bringt,
als das Vermoͤgen, willkuͤhrlich zu handeln, oder
ſeinen beſondern Willen dem allgemeinen Willen
vorzuziehen: jeder muß ſich dem allgemeinen Wil-
len unterwerfen.


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[521/0533] Ich: Weil es der Vernunft und dem natuͤrli- chen Geſetz zuwider iſt. Er: Das iſt nicht richtig geſprochen: Es muß heißen: weil es dem geſchriebnen Geſetz zuwider iſt. Verſtehſt Du mich? Ich: O ja, aber das Naturgeſetz muß doch die Grundlage aller geſchriebnen Geſetze ſeyn. Er: Das gehoͤrt alleweile nicht hieher, ſo wahr es ſonſt iſt. Das Naturrecht bildet keine Geſell- ſchaft: wo aber Geſellſchaft iſt, da giebt es poſi- tive Geſetze, und es muß ſie geben: und was dieſe befehlen, das iſt recht und erlaubt und was ſie ver- bieten, iſt unrecht, und nicht erlaubt. Jezt will ich Dir auch ſagen, was Freyheit iſt. Freyheit heißt das Vermoͤgen, blos nach ſolchen Geſetzen zu leben, welche vernuͤnftig und dem gemeinen We- ſen nuͤtzlich ſind. Sklaverey hingegen heißt von Geſetzen abhaͤngen, welche abſurd, unbillig, un- gerecht u. ſ. w. ſind. Haſt Du mich verſtanden? Ich: O ja, ich bitte, nur fortzufahren. Er: Du ſiehſt alſo, daß Freyheit keine Geſetz- loſigkeit iſt, und nichts weniger mit ſich bringt, als das Vermoͤgen, willkuͤhrlich zu handeln, oder ſeinen beſondern Willen dem allgemeinen Willen vorzuziehen: jeder muß ſich dem allgemeinen Wil- len unterwerfen.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/533>, abgerufen am 12.12.2024.