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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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nant saß da, und las in der französischen Ueber-
setzung des Fräuleins von Sternheim. Die Sol-
daten legten mir hundert Fragen vor, welche ich
beantworten mußte, die ich aber so beantwortete,
wie es mir zuträglich schien. Ich bediente mich hier
der Ausdrücke, Monsieur, Messieurs, avoir la grace,
la bonte, de ermettre
u. dgl. aber der Hauptmann
bath mich, alle Freyheitstödtende Ausdrücke (termes
[ - 3 Zeichen fehlen]erticides
) nicht mehr zu gebrauchen. "Du bist
jezt, sagte er, im Lande der Freyheit, mußt also
auch reden, wie ein freyer Mann."

Ich: Das ist wohl wahr: aber Dir z. B. bin
ich doch Respekt schuldig.

Er: Gerade so viel als ich Dir. Bin ich Dein
Herr? Oder hab' ich Dir zu befehlen?

Ich: Du bist aber doch Hauptmann!

Er: Und Du bist Mensch, und das ist hinläng-
lich, um frey zu seyn, und von Niemanden abzu-
hängen. Aber ich merke lieber Freund, Du hast
noch keinen Begriff von der Freyheit. Wenn Dir's
nicht zuwider ist, so will ich Dir hierüber einige
Auskunft geben. Sag mir einmal, darfst Du steh-
len?

Ich: Bewahre! Stehlen darf Niemand.

Er: Warum nicht?

Ich: Weils nicht recht ist.

Er: Gut: woher weißt Du, daß es nicht recht ist?


nant ſaß da, und las in der franzoͤſiſchen Ueber-
ſetzung des Fraͤuleins von Sternheim. Die Sol-
daten legten mir hundert Fragen vor, welche ich
beantworten mußte, die ich aber ſo beantwortete,
wie es mir zutraͤglich ſchien. Ich bediente mich hier
der Ausdruͤcke, Monſieur, Meſſieurs, avoir la grace,
la bonté, de ermettre
u. dgl. aber der Hauptmann
bath mich, alle Freyheitstoͤdtende Ausdruͤcke (termes
[ – 3 Zeichen fehlen]erticides
) nicht mehr zu gebrauchen. „Du biſt
jezt, ſagte er, im Lande der Freyheit, mußt alſo
auch reden, wie ein freyer Mann.“

Ich: Das iſt wohl wahr: aber Dir z. B. bin
ich doch Reſpekt ſchuldig.

Er: Gerade ſo viel als ich Dir. Bin ich Dein
Herr? Oder hab' ich Dir zu befehlen?

Ich: Du biſt aber doch Hauptmann!

Er: Und Du biſt Menſch, und das iſt hinlaͤng-
lich, um frey zu ſeyn, und von Niemanden abzu-
haͤngen. Aber ich merke lieber Freund, Du haſt
noch keinen Begriff von der Freyheit. Wenn Dir's
nicht zuwider iſt, ſo will ich Dir hieruͤber einige
Auskunft geben. Sag mir einmal, darfſt Du ſteh-
len?

Ich: Bewahre! Stehlen darf Niemand.

Er: Warum nicht?

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[520/0532] nant ſaß da, und las in der franzoͤſiſchen Ueber- ſetzung des Fraͤuleins von Sternheim. Die Sol- daten legten mir hundert Fragen vor, welche ich beantworten mußte, die ich aber ſo beantwortete, wie es mir zutraͤglich ſchien. Ich bediente mich hier der Ausdruͤcke, Monſieur, Meſſieurs, avoir la grace, la bonté, de ermettre u. dgl. aber der Hauptmann bath mich, alle Freyheitstoͤdtende Ausdruͤcke (termes ___erticides) nicht mehr zu gebrauchen. „Du biſt jezt, ſagte er, im Lande der Freyheit, mußt alſo auch reden, wie ein freyer Mann.“ Ich: Das iſt wohl wahr: aber Dir z. B. bin ich doch Reſpekt ſchuldig. Er: Gerade ſo viel als ich Dir. Bin ich Dein Herr? Oder hab' ich Dir zu befehlen? Ich: Du biſt aber doch Hauptmann! Er: Und Du biſt Menſch, und das iſt hinlaͤng- lich, um frey zu ſeyn, und von Niemanden abzu- haͤngen. Aber ich merke lieber Freund, Du haſt noch keinen Begriff von der Freyheit. Wenn Dir's nicht zuwider iſt, ſo will ich Dir hieruͤber einige Auskunft geben. Sag mir einmal, darfſt Du ſteh- len? Ich: Bewahre! Stehlen darf Niemand. Er: Warum nicht? Ich: Weils nicht recht iſt. Er: Gut: woher weißt Du, daß es nicht recht iſt?

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/532>, abgerufen am 04.12.2024.