Es ist überhaupt keine läppischere Kreatur auf Gottes Erdboden, als ein französischer Emigrant dieser Zeit. Stolz und aufgeblasen, wie der Frosch in der Fabel, verachtet er alles, was nicht so wie er, Franzos und von Adel ist. Die Preußischen Offiziere hatten gar nicht Ursache, den Emigranten gewogen zu seyn: denn diese haben sehr oft erklärt, daß der preußische Adel, wie überhaupt der deutsche Adel eine noblesse de rotare sey; eine noblesse ba- taide; daß ein preußischer Offizier faut il Colonel, noch lange nicht assez noble wäre, pour etre Mous- quetaire dans la maison du roi*) u. s. w. So sprachen die Emigranten von unsern Offizieren, und doch buhlten diese um ihre Freundschaft, und waren stolz auf die Ehre, mit solchen Messieurs um- zugehen. Ueberhaupt hätten unsre Deutsche sich schämen sollen, daß sie den französischen Windbeu- teln so nachliefen, und wohl gar glaubten, daß sie von einer nähern Verbindung mit ihnen Ehre hätten. Dieses Gesindel verachtete ja uns, unsre Sprache und unsre Sitten, und wir hätten sie ehren sollen? --
Ich habe mich allemal geschämt, wenn ich sah, wie manch sonst braver, ehrwürdiger deutscher Mann diesen verächtlichen Possenkindern hofirte, und sich
*) Die sogenannten Mousquetaires waren ehedem alle von Adel. Jetzt hat dieser Popanz ein Ende.
Es iſt uͤberhaupt keine laͤppiſchere Kreatur auf Gottes Erdboden, als ein franzoͤſiſcher Emigrant dieſer Zeit. Stolz und aufgeblaſen, wie der Froſch in der Fabel, verachtet er alles, was nicht ſo wie er, Franzos und von Adel iſt. Die Preußiſchen Offiziere hatten gar nicht Urſache, den Emigranten gewogen zu ſeyn: denn dieſe haben ſehr oft erklaͤrt, daß der preußiſche Adel, wie uͤberhaupt der deutſche Adel eine nobleſſe de rotare ſey; eine nobleſſe bâ- taide; daß ein preußiſcher Offizier fût il Colonel, noch lange nicht aſſez noble waͤre, pour étre Mous- quetaire dans la maiſon du roi*) u. ſ. w. So ſprachen die Emigranten von unſern Offizieren, und doch buhlten dieſe um ihre Freundſchaft, und waren ſtolz auf die Ehre, mit ſolchen Meſſieurs um- zugehen. Ueberhaupt haͤtten unſre Deutſche ſich ſchaͤmen ſollen, daß ſie den franzoͤſiſchen Windbeu- teln ſo nachliefen, und wohl gar glaubten, daß ſie von einer naͤhern Verbindung mit ihnen Ehre haͤtten. Dieſes Geſindel verachtete ja uns, unſre Sprache und unſre Sitten, und wir haͤtten ſie ehren ſollen? —
Ich habe mich allemal geſchaͤmt, wenn ich ſah, wie manch ſonſt braver, ehrwuͤrdiger deutſcher Mann dieſen veraͤchtlichen Poſſenkindern hofirte, und ſich
*) Die ſogenannten Mousquetaires waren ehedem alle von Adel. Jetzt hat dieſer Popanz ein Ende.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0052"n="40"/><p>Es iſt uͤberhaupt keine laͤppiſchere Kreatur auf<lb/>
Gottes Erdboden, als ein franzoͤſiſcher Emigrant<lb/>
dieſer Zeit. Stolz und aufgeblaſen, wie der Froſch<lb/>
in der Fabel, verachtet er alles, was nicht ſo wie<lb/>
er, Franzos und von Adel iſt. Die Preußiſchen<lb/>
Offiziere hatten gar nicht Urſache, den Emigranten<lb/>
gewogen zu ſeyn: denn dieſe haben ſehr oft erklaͤrt,<lb/>
daß der preußiſche Adel, wie uͤberhaupt der deutſche<lb/>
Adel eine <hirendition="#aq">nobleſſe de rotare</hi>ſey; eine <hirendition="#aq">nobleſſe bâ-<lb/>
taide</hi>; daß ein preußiſcher Offizier <hirendition="#aq">fût il Colonel,</hi><lb/>
noch lange nicht <hirendition="#aq">aſſez noble</hi> waͤre, <hirendition="#aq">pour étre Mous-<lb/>
quetaire dans la maiſon du roi</hi><noteplace="foot"n="*)">Die ſogenannten <hirendition="#aq">Mousquetaires</hi> waren ehedem alle von<lb/>
Adel. Jetzt hat dieſer Popanz ein Ende.</note> u. ſ. w. So<lb/>ſprachen die Emigranten von unſern Offizieren,<lb/>
und doch buhlten dieſe um ihre Freundſchaft, und<lb/>
waren ſtolz auf die Ehre, mit ſolchen <hirendition="#aq">Meſſieurs</hi> um-<lb/>
zugehen. Ueberhaupt haͤtten unſre Deutſche ſich<lb/>ſchaͤmen ſollen, daß ſie den franzoͤſiſchen Windbeu-<lb/>
teln ſo nachliefen, und wohl gar glaubten, daß ſie<lb/>
von einer naͤhern Verbindung mit ihnen Ehre haͤtten.<lb/>
Dieſes Geſindel verachtete ja uns, unſre Sprache<lb/>
und unſre Sitten, und wir haͤtten ſie ehren ſollen? —</p><lb/><p>Ich habe mich allemal geſchaͤmt, wenn ich ſah,<lb/>
wie manch ſonſt braver, ehrwuͤrdiger deutſcher Mann<lb/>
dieſen veraͤchtlichen Poſſenkindern hofirte, und ſich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[40/0052]
Es iſt uͤberhaupt keine laͤppiſchere Kreatur auf
Gottes Erdboden, als ein franzoͤſiſcher Emigrant
dieſer Zeit. Stolz und aufgeblaſen, wie der Froſch
in der Fabel, verachtet er alles, was nicht ſo wie
er, Franzos und von Adel iſt. Die Preußiſchen
Offiziere hatten gar nicht Urſache, den Emigranten
gewogen zu ſeyn: denn dieſe haben ſehr oft erklaͤrt,
daß der preußiſche Adel, wie uͤberhaupt der deutſche
Adel eine nobleſſe de rotare ſey; eine nobleſſe bâ-
taide; daß ein preußiſcher Offizier fût il Colonel,
noch lange nicht aſſez noble waͤre, pour étre Mous-
quetaire dans la maiſon du roi *) u. ſ. w. So
ſprachen die Emigranten von unſern Offizieren,
und doch buhlten dieſe um ihre Freundſchaft, und
waren ſtolz auf die Ehre, mit ſolchen Meſſieurs um-
zugehen. Ueberhaupt haͤtten unſre Deutſche ſich
ſchaͤmen ſollen, daß ſie den franzoͤſiſchen Windbeu-
teln ſo nachliefen, und wohl gar glaubten, daß ſie
von einer naͤhern Verbindung mit ihnen Ehre haͤtten.
Dieſes Geſindel verachtete ja uns, unſre Sprache
und unſre Sitten, und wir haͤtten ſie ehren ſollen? —
Ich habe mich allemal geſchaͤmt, wenn ich ſah,
wie manch ſonſt braver, ehrwuͤrdiger deutſcher Mann
dieſen veraͤchtlichen Poſſenkindern hofirte, und ſich
*) Die ſogenannten Mousquetaires waren ehedem alle von
Adel. Jetzt hat dieſer Popanz ein Ende.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/52>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.