Auf der andern Seite mogte ich den Vorschlag auch deswegen nicht verwerfen, weil ich dadurch Ursache werden konnte, daß eine blutige Belage- rung in eine friedliche Uebergabe verwandelt würde, wodurch das Leben vieler Menschen, sowohl bey den Unsrigen als bey den Franzosen gewann.
Freilich hätte ich den Salto mortale niemals ge- wagt, wenn ich den Geist der Nation schon damals so gekannt hätte, wie ich ihn bald darauf kennen lernte, und welcher vorzüglich dahin geht, daß dem Feinde nicht eine Spanne breit Platz in der Repu- blik eingeräumt werde, oder bleibe. Das erste Grundgesetz der Nation ist die Untheilbarkeit des Reichs: diese muß erhalten oder die Nation muß vernichtet werden. Aber ich kannte die Franzosen damals von dieser Seite eben so wenig, als der König von Preußen und alle koalisirten Mächte sie auch noch nicht kannten, und Viele, leider! noch immer nicht zu kennen scheinen.
Aber die Gefahr, welcher ich mich nothwendig aussetzen mußte, schreckte mich immer nicht wenig. Ich hatte gehört, daß die Franzosen einige Tage vorher einen Emigrirten, welcher von den Kaiser- lichen desertirt war, in Landau aber als französi- scher Flüchtling erkannt wurde, ohne langen Pro- ceß hatten todtschießen lassen. Was einem Spion und einem Emissär gebührte, war mir lange be-
Auf der andern Seite mogte ich den Vorſchlag auch deswegen nicht verwerfen, weil ich dadurch Urſache werden konnte, daß eine blutige Belage- rung in eine friedliche Uebergabe verwandelt wuͤrde, wodurch das Leben vieler Menſchen, ſowohl bey den Unſrigen als bey den Franzoſen gewann.
Freilich haͤtte ich den Salto mortale niemals ge- wagt, wenn ich den Geiſt der Nation ſchon damals ſo gekannt haͤtte, wie ich ihn bald darauf kennen lernte, und welcher vorzuͤglich dahin geht, daß dem Feinde nicht eine Spanne breit Platz in der Repu- blik eingeraͤumt werde, oder bleibe. Das erſte Grundgeſetz der Nation iſt die Untheilbarkeit des Reichs: dieſe muß erhalten oder die Nation muß vernichtet werden. Aber ich kannte die Franzoſen damals von dieſer Seite eben ſo wenig, als der Koͤnig von Preußen und alle koaliſirten Maͤchte ſie auch noch nicht kannten, und Viele, leider! noch immer nicht zu kennen ſcheinen.
Aber die Gefahr, welcher ich mich nothwendig ausſetzen mußte, ſchreckte mich immer nicht wenig. Ich hatte gehoͤrt, daß die Franzoſen einige Tage vorher einen Emigrirten, welcher von den Kaiſer- lichen deſertirt war, in Landau aber als franzoͤſi- ſcher Fluͤchtling erkannt wurde, ohne langen Pro- ceß hatten todtſchießen laſſen. Was einem Spion und einem Emiſſaͤr gebuͤhrte, war mir lange be-
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Auf der andern Seite mogte ich den Vorſchlag
auch deswegen nicht verwerfen, weil ich dadurch
Urſache werden konnte, daß eine blutige Belage-
rung in eine friedliche Uebergabe verwandelt wuͤrde,
wodurch das Leben vieler Menſchen, ſowohl bey
den Unſrigen als bey den Franzoſen gewann.
Freilich haͤtte ich den Salto mortale niemals ge-
wagt, wenn ich den Geiſt der Nation ſchon damals
ſo gekannt haͤtte, wie ich ihn bald darauf kennen
lernte, und welcher vorzuͤglich dahin geht, daß dem
Feinde nicht eine Spanne breit Platz in der Repu-
blik eingeraͤumt werde, oder bleibe. Das erſte
Grundgeſetz der Nation iſt die Untheilbarkeit des
Reichs: dieſe muß erhalten oder die Nation muß
vernichtet werden. Aber ich kannte die Franzoſen
damals von dieſer Seite eben ſo wenig, als der
Koͤnig von Preußen und alle koaliſirten Maͤchte
ſie auch noch nicht kannten, und Viele, leider! noch
immer nicht zu kennen ſcheinen.
Aber die Gefahr, welcher ich mich nothwendig
ausſetzen mußte, ſchreckte mich immer nicht wenig.
Ich hatte gehoͤrt, daß die Franzoſen einige Tage
vorher einen Emigrirten, welcher von den Kaiſer-
lichen deſertirt war, in Landau aber als franzoͤſi-
ſcher Fluͤchtling erkannt wurde, ohne langen Pro-
ceß hatten todtſchießen laſſen. Was einem Spion
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/510>, abgerufen am 12.12.2024.
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