Leute wurden aufs gröbste mishandelt, wenn gleich Nußdorff nicht zu Deutschland gehört, und es demnach höchst ungerecht war, hier Jagd auf Pa- trioten zu machen. Alle Einwohner mußten ja, vermöge ihres gemeinschaftlichen National-Gesetzes, Patrioten seyn! -- Der Herr Pfarrer ließ auch eine goldne Lilie über das Zifferblatt am Kirchthurme anbringen, welche aber freilich nicht lange figurirt hat. -- Die kaiserlichen und preußischen Offiziere kehrten bey diesem theologischen Altflicker gern und fleißig ein -- wegen seiner hübschen Schwägerinnen. Wie es ihm bey der Rückkunft der Franzosen er- gangen sey, läßt sich denken.
Als wir um Landau stunden, waren eben die Trauben zeitig. Da es nun dortherum gar viele Weinberge giebt, so konnten sich unsre Leute recht daran ergötzen. Dieß thaten sie: aber die Wein- berge wurden auch so mitgenommen, daß, wenn die Einwohner mit der Weinlese, oder dem Herb- sten, wie man dort sagt, nicht geeilt hätten, sie auch keinen Tropfen Wein ins Faß bekommen hät- ten. Die Soldaten machten Exkursionen bis bey- nahe vor Landau, und trafen da mehrmals Nym- phen aus dieser Stadt an. Dieß Hinlaufen der Frauenzimmer nach den Weinbergen dauerte noch fort, als ich schon in Landau war, bis endlich der General Laubadere es gänzlich untersagte.
Leute wurden aufs groͤbſte mishandelt, wenn gleich Nußdorff nicht zu Deutſchland gehoͤrt, und es demnach hoͤchſt ungerecht war, hier Jagd auf Pa- trioten zu machen. Alle Einwohner mußten ja, vermoͤge ihres gemeinſchaftlichen National-Geſetzes, Patrioten ſeyn! — Der Herr Pfarrer ließ auch eine goldne Lilie uͤber das Zifferblatt am Kirchthurme anbringen, welche aber freilich nicht lange figurirt hat. — Die kaiſerlichen und preußiſchen Offiziere kehrten bey dieſem theologiſchen Altflicker gern und fleißig ein — wegen ſeiner huͤbſchen Schwaͤgerinnen. Wie es ihm bey der Ruͤckkunft der Franzoſen er- gangen ſey, laͤßt ſich denken.
Als wir um Landau ſtunden, waren eben die Trauben zeitig. Da es nun dortherum gar viele Weinberge giebt, ſo konnten ſich unſre Leute recht daran ergoͤtzen. Dieß thaten ſie: aber die Wein- berge wurden auch ſo mitgenommen, daß, wenn die Einwohner mit der Weinleſe, oder dem Herb- ſten, wie man dort ſagt, nicht geeilt haͤtten, ſie auch keinen Tropfen Wein ins Faß bekommen haͤt- ten. Die Soldaten machten Exkurſionen bis bey- nahe vor Landau, und trafen da mehrmals Nym- phen aus dieſer Stadt an. Dieß Hinlaufen der Frauenzimmer nach den Weinbergen dauerte noch fort, als ich ſchon in Landau war, bis endlich der General Laubadere es gaͤnzlich unterſagte.
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Leute wurden aufs groͤbſte mishandelt, wenn gleich
Nußdorff nicht zu Deutſchland gehoͤrt, und es
demnach hoͤchſt ungerecht war, hier Jagd auf Pa-
trioten zu machen. Alle Einwohner mußten ja,
vermoͤge ihres gemeinſchaftlichen National-Geſetzes,
Patrioten ſeyn! — Der Herr Pfarrer ließ auch eine
goldne Lilie uͤber das Zifferblatt am Kirchthurme
anbringen, welche aber freilich nicht lange figurirt
hat. — Die kaiſerlichen und preußiſchen Offiziere
kehrten bey dieſem theologiſchen Altflicker gern und
fleißig ein — wegen ſeiner huͤbſchen Schwaͤgerinnen.
Wie es ihm bey der Ruͤckkunft der Franzoſen er-
gangen ſey, laͤßt ſich denken.
Als wir um Landau ſtunden, waren eben die
Trauben zeitig. Da es nun dortherum gar viele
Weinberge giebt, ſo konnten ſich unſre Leute recht
daran ergoͤtzen. Dieß thaten ſie: aber die Wein-
berge wurden auch ſo mitgenommen, daß, wenn
die Einwohner mit der Weinleſe, oder dem Herb-
ſten, wie man dort ſagt, nicht geeilt haͤtten, ſie
auch keinen Tropfen Wein ins Faß bekommen haͤt-
ten. Die Soldaten machten Exkurſionen bis bey-
nahe vor Landau, und trafen da mehrmals Nym-
phen aus dieſer Stadt an. Dieß Hinlaufen der
Frauenzimmer nach den Weinbergen dauerte noch
fort, als ich ſchon in Landau war, bis endlich der
General Laubadere es gaͤnzlich unterſagte.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/496>, abgerufen am 22.11.2024.
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