Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

auf die Finger sehen lernen, hätte sie dadurch ge-
nöthiget, ehrlicher und menschlicher zu seyn; dieß
hätte eine gerechtere Behandlung der Unterthanen
nach sich gezogen, hätte mehr Zufriedenheit mit
der Regierung bewirkt, und man wäre ohne Frey-
heitsbäume frey geworden nach einer gesetzmäßigen
und vernünftigen Behandlung. Aber Männer,
welche durch Verbreitung einer bessern Einsicht hie-
zu beytragen, belegt man mit Schimpfnamen, will
sie nicht: alles soll militärisch gehen; und dann
gehts, wie dort drüben am Rhein! Bahrdt ward
verketzert, verfolgt, vertrieben, starb in Dürftig-
keit; und Klevesahl, sein Nachfolger, ein dü-
sterer, intoleranter Grützkopf, ist reich, angesehn,
bey seines Gleichen, und lebt glücklich! Nun
dann -- so bitte du für uns, du liebe, heilige
Dummheit! --

Dem Fürstbischof von Speier muß ich indeß
noch nachrühmen, daß er alle Erbauungsbücher, wo-
durch der Aberglaube befördert wird, in seinem Stift
verboten hat. Namentlich sind hier die Legende,
der große und der kleine Baumgarten des Paters
Martin von Cochem, die goldene Andacht zum
Herzen Jesu, und andere solche Fratzenbücher verbo-
ten und die Pfaffen angewiesen worden, das Schäd-
liche und Unanständige von derley Andachten öffent-
lich auf der Kanzel vorzutragen, und diesen Vor-

auf die Finger ſehen lernen, haͤtte ſie dadurch ge-
noͤthiget, ehrlicher und menſchlicher zu ſeyn; dieß
haͤtte eine gerechtere Behandlung der Unterthanen
nach ſich gezogen, haͤtte mehr Zufriedenheit mit
der Regierung bewirkt, und man waͤre ohne Frey-
heitsbaͤume frey geworden nach einer geſetzmaͤßigen
und vernuͤnftigen Behandlung. Aber Maͤnner,
welche durch Verbreitung einer beſſern Einſicht hie-
zu beytragen, belegt man mit Schimpfnamen, will
ſie nicht: alles ſoll militaͤriſch gehen; und dann
gehts, wie dort druͤben am Rhein! Bahrdt ward
verketzert, verfolgt, vertrieben, ſtarb in Duͤrftig-
keit; und Kleveſahl, ſein Nachfolger, ein duͤ-
ſterer, intoleranter Gruͤtzkopf, iſt reich, angeſehn,
bey ſeines Gleichen, und lebt gluͤcklich! Nun
dann — ſo bitte du fuͤr uns, du liebe, heilige
Dummheit! —

Dem Fuͤrſtbiſchof von Speier muß ich indeß
noch nachruͤhmen, daß er alle Erbauungsbuͤcher, wo-
durch der Aberglaube befoͤrdert wird, in ſeinem Stift
verboten hat. Namentlich ſind hier die Legende,
der große und der kleine Baumgarten des Paters
Martin von Cochem, die goldene Andacht zum
Herzen Jeſu, und andere ſolche Fratzenbuͤcher verbo-
ten und die Pfaffen angewieſen worden, das Schaͤd-
liche und Unanſtaͤndige von derley Andachten oͤffent-
lich auf der Kanzel vorzutragen, und dieſen Vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0476" n="464"/>
auf die Finger &#x017F;ehen lernen, ha&#x0364;tte &#x017F;ie dadurch ge-<lb/>
no&#x0364;thiget, ehrlicher und men&#x017F;chlicher zu &#x017F;eyn; dieß<lb/>
ha&#x0364;tte eine gerechtere Behandlung der Unterthanen<lb/>
nach &#x017F;ich gezogen, ha&#x0364;tte mehr Zufriedenheit mit<lb/>
der Regierung bewirkt, und man wa&#x0364;re ohne Frey-<lb/>
heitsba&#x0364;ume frey geworden nach einer ge&#x017F;etzma&#x0364;ßigen<lb/>
und vernu&#x0364;nftigen Behandlung. Aber Ma&#x0364;nner,<lb/>
welche durch Verbreitung einer be&#x017F;&#x017F;ern Ein&#x017F;icht hie-<lb/>
zu beytragen, belegt man mit Schimpfnamen, will<lb/>
&#x017F;ie nicht: alles &#x017F;oll milita&#x0364;ri&#x017F;ch gehen; und dann<lb/>
gehts, wie dort dru&#x0364;ben am Rhein! <hi rendition="#g">Bahrdt</hi> ward<lb/>
verketzert, verfolgt, vertrieben, &#x017F;tarb in Du&#x0364;rftig-<lb/>
keit; und <hi rendition="#g">Kleve&#x017F;ahl</hi>, &#x017F;ein Nachfolger, ein du&#x0364;-<lb/>
&#x017F;terer, intoleranter Gru&#x0364;tzkopf, i&#x017F;t reich, ange&#x017F;ehn,<lb/>
bey &#x017F;eines Gleichen, und lebt glu&#x0364;cklich! Nun<lb/>
dann &#x2014; &#x017F;o bitte du fu&#x0364;r uns, du liebe, heilige<lb/>
Dummheit! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Dem Fu&#x0364;r&#x017F;tbi&#x017F;chof von Speier muß ich indeß<lb/>
noch nachru&#x0364;hmen, daß er alle Erbauungsbu&#x0364;cher, wo-<lb/>
durch der Aberglaube befo&#x0364;rdert wird, in &#x017F;einem Stift<lb/>
verboten hat. Namentlich &#x017F;ind hier die Legende,<lb/>
der große und der kleine Baumgarten des Paters<lb/>
Martin von Cochem, die goldene Andacht zum<lb/>
Herzen Je&#x017F;u, und andere &#x017F;olche Fratzenbu&#x0364;cher verbo-<lb/>
ten und die Pfaffen angewie&#x017F;en worden, das Scha&#x0364;d-<lb/>
liche und Unan&#x017F;ta&#x0364;ndige von derley Andachten o&#x0364;ffent-<lb/>
lich auf der Kanzel vorzutragen, und die&#x017F;en Vor-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0476] auf die Finger ſehen lernen, haͤtte ſie dadurch ge- noͤthiget, ehrlicher und menſchlicher zu ſeyn; dieß haͤtte eine gerechtere Behandlung der Unterthanen nach ſich gezogen, haͤtte mehr Zufriedenheit mit der Regierung bewirkt, und man waͤre ohne Frey- heitsbaͤume frey geworden nach einer geſetzmaͤßigen und vernuͤnftigen Behandlung. Aber Maͤnner, welche durch Verbreitung einer beſſern Einſicht hie- zu beytragen, belegt man mit Schimpfnamen, will ſie nicht: alles ſoll militaͤriſch gehen; und dann gehts, wie dort druͤben am Rhein! Bahrdt ward verketzert, verfolgt, vertrieben, ſtarb in Duͤrftig- keit; und Kleveſahl, ſein Nachfolger, ein duͤ- ſterer, intoleranter Gruͤtzkopf, iſt reich, angeſehn, bey ſeines Gleichen, und lebt gluͤcklich! Nun dann — ſo bitte du fuͤr uns, du liebe, heilige Dummheit! — Dem Fuͤrſtbiſchof von Speier muß ich indeß noch nachruͤhmen, daß er alle Erbauungsbuͤcher, wo- durch der Aberglaube befoͤrdert wird, in ſeinem Stift verboten hat. Namentlich ſind hier die Legende, der große und der kleine Baumgarten des Paters Martin von Cochem, die goldene Andacht zum Herzen Jeſu, und andere ſolche Fratzenbuͤcher verbo- ten und die Pfaffen angewieſen worden, das Schaͤd- liche und Unanſtaͤndige von derley Andachten oͤffent- lich auf der Kanzel vorzutragen, und dieſen Vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/476
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/476>, abgerufen am 25.11.2024.