dieser oder jener Philosoph behauptet habe. Und die Theologen! -- Wahr und wahrhaftig, käme Christus zurück, er machte es den meisten von ih- nen, wie ehedem den Schriftgelehrten und Phari- säern; und sie, verwärfe er ihre symbolischen Bü- cher, kreuzigten ihn ohne Erbarmen von neuem! Ich gehe demnach meinen Gang für mich -- unbe- kümmert um den gebahnten Gang Dieses oder Jenes, er heiße Held, Philosoph, Theolog, Sul- tan oder Papst. Ist mein Gang nicht der rechte Gang: je nun, so ist er wenigstens der Gang, den ich mir wohlbedächtig wählte, und dieß -- weil Freyheit und Selbstständigkeit das höchste Gut auf der Welt sind, oder zu seyn scheinen. --
Wir rückten am 14ten April ins Lager vor Maynz, welches aber nur von weitem, jenseits des Rheins, über eine starke Stunde, beynahe ge- gen zwey Stunden, eingeschlossen wurde. Es war an einem Sonntage; und der Pöbel, groß und klein, aus der ganzen dortigen Gend kam heran, uns und unser Lager zu besehen. Unter diesen waren viele meiner Bekannten, welche sich bemühten, mir ihre Anhänglichkeit und Freundschaft zu beweisen.
Lange standen wir ziemlich ruhig. Man machte zwar hie und da einige Schanzen zur Vertheidigung, hatte aber noch kein Geschütz, um einiges von Er- folg gegen die Festung vorzunehmen.
dieſer oder jener Philoſoph behauptet habe. Und die Theologen! — Wahr und wahrhaftig, kaͤme Chriſtus zuruͤck, er machte es den meiſten von ih- nen, wie ehedem den Schriftgelehrten und Phari- ſaͤern; und ſie, verwaͤrfe er ihre ſymboliſchen Buͤ- cher, kreuzigten ihn ohne Erbarmen von neuem! Ich gehe demnach meinen Gang fuͤr mich — unbe- kuͤmmert um den gebahnten Gang Dieſes oder Jenes, er heiße Held, Philoſoph, Theolog, Sul- tan oder Papſt. Iſt mein Gang nicht der rechte Gang: je nun, ſo iſt er wenigſtens der Gang, den ich mir wohlbedaͤchtig waͤhlte, und dieß — weil Freyheit und Selbſtſtaͤndigkeit das hoͤchſte Gut auf der Welt ſind, oder zu ſeyn ſcheinen. —
Wir ruͤckten am 14ten April ins Lager vor Maynz, welches aber nur von weitem, jenſeits des Rheins, uͤber eine ſtarke Stunde, beynahe ge- gen zwey Stunden, eingeſchloſſen wurde. Es war an einem Sonntage; und der Poͤbel, groß und klein, aus der ganzen dortigen Gend kam heran, uns und unſer Lager zu beſehen. Unter dieſen waren viele meiner Bekannten, welche ſich bemuͤhten, mir ihre Anhaͤnglichkeit und Freundſchaft zu beweiſen.
Lange ſtanden wir ziemlich ruhig. Man machte zwar hie und da einige Schanzen zur Vertheidigung, hatte aber noch kein Geſchuͤtz, um einiges von Er- folg gegen die Feſtung vorzunehmen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0373"n="361"/>
dieſer oder jener Philoſoph behauptet habe. Und<lb/>
die Theologen! — Wahr und wahrhaftig, kaͤme<lb/>
Chriſtus zuruͤck, er machte es den meiſten von ih-<lb/>
nen, wie ehedem den Schriftgelehrten und Phari-<lb/>ſaͤern; und ſie, verwaͤrfe er ihre ſymboliſchen Buͤ-<lb/>
cher, kreuzigten ihn ohne Erbarmen von neuem!<lb/>
Ich gehe demnach meinen Gang fuͤr mich — unbe-<lb/>
kuͤmmert um den <hirendition="#g">gebahnten</hi> Gang Dieſes oder<lb/>
Jenes, er heiße Held, Philoſoph, Theolog, Sul-<lb/>
tan oder Papſt. Iſt mein Gang nicht der rechte<lb/>
Gang: je nun, ſo iſt er wenigſtens der Gang, den<lb/>
ich mir wohlbedaͤchtig waͤhlte, und dieß — weil<lb/>
Freyheit und Selbſtſtaͤndigkeit das hoͤchſte Gut auf<lb/>
der Welt ſind, oder zu ſeyn ſcheinen. —</p><lb/><p>Wir ruͤckten am 14ten April ins Lager vor<lb/>
Maynz, welches aber nur von weitem, jenſeits<lb/>
des Rheins, uͤber eine ſtarke Stunde, beynahe ge-<lb/>
gen zwey Stunden, eingeſchloſſen wurde. Es war<lb/>
an einem Sonntage; und der Poͤbel, groß und klein,<lb/>
aus der ganzen dortigen Gend kam heran, uns und<lb/>
unſer Lager zu beſehen. Unter dieſen waren viele<lb/>
meiner Bekannten, welche ſich bemuͤhten, mir ihre<lb/>
Anhaͤnglichkeit und Freundſchaft zu beweiſen.</p><lb/><p>Lange ſtanden wir ziemlich ruhig. Man machte<lb/>
zwar hie und da einige Schanzen zur Vertheidigung,<lb/>
hatte aber noch kein Geſchuͤtz, um einiges von Er-<lb/>
folg gegen die Feſtung vorzunehmen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[361/0373]
dieſer oder jener Philoſoph behauptet habe. Und
die Theologen! — Wahr und wahrhaftig, kaͤme
Chriſtus zuruͤck, er machte es den meiſten von ih-
nen, wie ehedem den Schriftgelehrten und Phari-
ſaͤern; und ſie, verwaͤrfe er ihre ſymboliſchen Buͤ-
cher, kreuzigten ihn ohne Erbarmen von neuem!
Ich gehe demnach meinen Gang fuͤr mich — unbe-
kuͤmmert um den gebahnten Gang Dieſes oder
Jenes, er heiße Held, Philoſoph, Theolog, Sul-
tan oder Papſt. Iſt mein Gang nicht der rechte
Gang: je nun, ſo iſt er wenigſtens der Gang, den
ich mir wohlbedaͤchtig waͤhlte, und dieß — weil
Freyheit und Selbſtſtaͤndigkeit das hoͤchſte Gut auf
der Welt ſind, oder zu ſeyn ſcheinen. —
Wir ruͤckten am 14ten April ins Lager vor
Maynz, welches aber nur von weitem, jenſeits
des Rheins, uͤber eine ſtarke Stunde, beynahe ge-
gen zwey Stunden, eingeſchloſſen wurde. Es war
an einem Sonntage; und der Poͤbel, groß und klein,
aus der ganzen dortigen Gend kam heran, uns und
unſer Lager zu beſehen. Unter dieſen waren viele
meiner Bekannten, welche ſich bemuͤhten, mir ihre
Anhaͤnglichkeit und Freundſchaft zu beweiſen.
Lange ſtanden wir ziemlich ruhig. Man machte
zwar hie und da einige Schanzen zur Vertheidigung,
hatte aber noch kein Geſchuͤtz, um einiges von Er-
folg gegen die Feſtung vorzunehmen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/373>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.