so gut es gieng: denn unsere Herren ließen uns im Stich, und hatten an unsern Schutz vorher bey- nahe gar nicht gedacht, so daß es einem mäßigen Haufen Franzosen eine Kleinigkeit war, eine Haupt- reichsfestung, die Festung Maynz, nebst der an- gränzenden Gegend, ohne vielen Widerstand in Besitz zu nehmen. Wir waren wie eine res dere- licta, und die ist, wie die Juristen sagen, primo occupantis. Die Franzosen, als feindliche Erobe- rer, maßten sich, zum Ersatz für die Invasion in ihr Gebieth, des Heldenrechts an, hoben die Her- ren-Verfassung auf, und führten eine neue, nach ihrer in Frankreich, ein: und nun hatten wir nur die Alternative: entweder als durch Eroberung in Besitz genommenes Volk uns unter der Gewalt und den Verfügungen der neuen Besitzer zu fügen *),
*) Hierin hatte mein Vetter, nach dem, was so geschieht, wohl nicht Unrecht; und ein Westpreuße kann den Beweis dafür a posteriori, der Zeit nach, wegen einer Parallele von der Fügung der Unterthanen in Polen unter der neuemgeführten Verfassung für Sudpreußen nicht gut leugnen, oder er müßte denken, wie der Verfasser von der Untersuchung über die Rechtmäßigkeit der Theilung Polens. (Warschau, 1795.) Denn die Franzosen hatten nach dem Kriegsrechte oder nach dem Rechte des Stärkern Recht, damals als Eroberer daß in den Rheingegenden zu thun, was Preußen nachher in Polen that; und wie Preußen mit Gewalt sich Ge- horsam in Südpreußen erzwang, so erzwangen ihn sich die Franzosen in dem neuacquirirten Rheindepartement. Aber ge-
Dritter Theil. Z
ſo gut es gieng: denn unſere Herren ließen uns im Stich, und hatten an unſern Schutz vorher bey- nahe gar nicht gedacht, ſo daß es einem maͤßigen Haufen Franzoſen eine Kleinigkeit war, eine Haupt- reichsfeſtung, die Feſtung Maynz, nebſt der an- graͤnzenden Gegend, ohne vielen Widerſtand in Beſitz zu nehmen. Wir waren wie eine res dere- licta, und die iſt, wie die Juriſten ſagen, primo occupantis. Die Franzoſen, als feindliche Erobe- rer, maßten ſich, zum Erſatz fuͤr die Invaſion in ihr Gebieth, des Heldenrechts an, hoben die Her- ren-Verfaſſung auf, und fuͤhrten eine neue, nach ihrer in Frankreich, ein: und nun hatten wir nur die Alternative: entweder als durch Eroberung in Beſitz genommenes Volk uns unter der Gewalt und den Verfuͤgungen der neuen Beſitzer zu fuͤgen *),
*) Hierin hatte mein Vetter, nach dem, was ſo geſchieht, wohl nicht Unrecht; und ein Weſtpreuße kann den Beweis dafuͤr a poſteriori, der Zeit nach, wegen einer Parallele von der Fuͤgung der Unterthanen in Polen unter der neuemgefuͤhrten Verfaſſung fuͤr Sudpreußen nicht gut leugnen, oder er muͤßte denken, wie der Verfaſſer von der Unterſuchung uͤber die Rechtmaͤßigkeit der Theilung Polens. (Warſchau, 1795.) Denn die Franzoſen hatten nach dem Kriegsrechte oder nach dem Rechte des Staͤrkern Recht, damals als Eroberer daß in den Rheingegenden zu thun, was Preußen nachher in Polen that; und wie Preußen mit Gewalt ſich Ge- horſam in Suͤdpreußen erzwang, ſo erzwangen ihn ſich die Franzoſen in dem neuacquirirten Rheindepartement. Aber ge-
Dritter Theil. Z
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0365"n="353"/>ſo gut es gieng: denn unſere Herren ließen uns im<lb/>
Stich, und hatten an unſern Schutz vorher bey-<lb/>
nahe gar nicht gedacht, ſo daß es einem maͤßigen<lb/>
Haufen Franzoſen eine Kleinigkeit war, eine Haupt-<lb/>
reichsfeſtung, die Feſtung Maynz, nebſt der an-<lb/>
graͤnzenden Gegend, ohne vielen Widerſtand in<lb/>
Beſitz zu nehmen. Wir waren wie eine <hirendition="#aq">res dere-<lb/>
licta,</hi> und die iſt, wie die Juriſten ſagen, <hirendition="#aq">primo<lb/>
occupantis</hi>. Die Franzoſen, als feindliche Erobe-<lb/>
rer, maßten ſich, zum Erſatz fuͤr die Invaſion in<lb/>
ihr Gebieth, des Heldenrechts an, hoben die Her-<lb/>
ren-Verfaſſung auf, und fuͤhrten eine neue, nach<lb/>
ihrer in Frankreich, ein: und nun hatten wir nur<lb/>
die Alternative: entweder als durch Eroberung in<lb/>
Beſitz genommenes Volk uns unter der Gewalt und<lb/>
den Verfuͤgungen der neuen Beſitzer zu fuͤgen <notexml:id="note-0365"next="#note-0366"place="foot"n="*)">Hierin hatte mein Vetter, nach dem, was ſo geſchieht, wohl<lb/>
nicht Unrecht; und ein Weſtpreuße kann den Beweis dafuͤr<lb/><hirendition="#aq">a poſteriori,</hi> der Zeit nach, wegen einer Parallele von der<lb/>
Fuͤgung der Unterthanen in Polen unter der neuemgefuͤhrten<lb/>
Verfaſſung fuͤr Sudpreußen nicht gut leugnen, oder er muͤßte<lb/>
denken, wie der Verfaſſer von der <hirendition="#g">Unterſuchung uͤber<lb/>
die Rechtmaͤßigkeit der Theilung Polens</hi>.<lb/>
(Warſchau, 1795.) Denn die Franzoſen hatten nach dem<lb/>
Kriegsrechte oder nach dem Rechte des Staͤrkern Recht, damals<lb/>
als Eroberer daß in den Rheingegenden zu thun, was Preußen<lb/>
nachher in Polen that; und wie Preußen mit Gewalt ſich Ge-<lb/>
horſam in Suͤdpreußen erzwang, ſo erzwangen ihn ſich die<lb/>
Franzoſen in dem neuacquirirten Rheindepartement. Aber ge-</note>,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Dritter Theil. Z</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[353/0365]
ſo gut es gieng: denn unſere Herren ließen uns im
Stich, und hatten an unſern Schutz vorher bey-
nahe gar nicht gedacht, ſo daß es einem maͤßigen
Haufen Franzoſen eine Kleinigkeit war, eine Haupt-
reichsfeſtung, die Feſtung Maynz, nebſt der an-
graͤnzenden Gegend, ohne vielen Widerſtand in
Beſitz zu nehmen. Wir waren wie eine res dere-
licta, und die iſt, wie die Juriſten ſagen, primo
occupantis. Die Franzoſen, als feindliche Erobe-
rer, maßten ſich, zum Erſatz fuͤr die Invaſion in
ihr Gebieth, des Heldenrechts an, hoben die Her-
ren-Verfaſſung auf, und fuͤhrten eine neue, nach
ihrer in Frankreich, ein: und nun hatten wir nur
die Alternative: entweder als durch Eroberung in
Beſitz genommenes Volk uns unter der Gewalt und
den Verfuͤgungen der neuen Beſitzer zu fuͤgen *),
*) Hierin hatte mein Vetter, nach dem, was ſo geſchieht, wohl
nicht Unrecht; und ein Weſtpreuße kann den Beweis dafuͤr
a poſteriori, der Zeit nach, wegen einer Parallele von der
Fuͤgung der Unterthanen in Polen unter der neuemgefuͤhrten
Verfaſſung fuͤr Sudpreußen nicht gut leugnen, oder er muͤßte
denken, wie der Verfaſſer von der Unterſuchung uͤber
die Rechtmaͤßigkeit der Theilung Polens.
(Warſchau, 1795.) Denn die Franzoſen hatten nach dem
Kriegsrechte oder nach dem Rechte des Staͤrkern Recht, damals
als Eroberer daß in den Rheingegenden zu thun, was Preußen
nachher in Polen that; und wie Preußen mit Gewalt ſich Ge-
horſam in Suͤdpreußen erzwang, ſo erzwangen ihn ſich die
Franzoſen in dem neuacquirirten Rheindepartement. Aber ge-
Dritter Theil. Z
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/365>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.