ging der Bube zur Thür hinaus. Ich sagte zum Kran- kenwärter Müller, vom Hallischen Regimente: das sey doch abscheulich: ob denn das so geschehen dürfte? Er antwortete mir: die Feldscheere wären nun ein- mal nicht anders, besonders dieser; der sitze den ganzen Tag im Wirthshause zum wilden Mann und trinke. Ich gleich hin, und fand den un- menschlichen Firlefanz wirklich bey einer Flasche Wein. Ich sezte mich ihm gegenüber, und redete ihn an. Herr Chirurgus, sagte ich, wie können Sie aber die armen Leute so unverbunden liegen lassen? die Kerls jammern einen ja in der Seele!
Er. Hab heute schon Sechse verbunden; will auch einen Augenblick Ruhe haben!
Ich. Aber wenn ihre Kranken so schrecklich leiden, und obendrein den kalten Brand befürchten müssen: so müßten sie, denk ich, bis sie ihnen Hülfe geschafft haben, gar nicht an Ruhe denken!
Er. So? Wer nicht warten will, mag hin- laufen!
Ich. Ja, wenn das die armen Leute könnten, dann wollt' ich's Ihnen verdenken, wenn sie nicht längst aus dem Mordloche gelaufen wären!
Er. Mordloch? Herr, das ist zuviel gesprochen! Wenn ich das dem Offizier sage, kommt der Herr in Arrest: versteht mich der Herr?
ging der Bube zur Thuͤr hinaus. Ich ſagte zum Kran- kenwaͤrter Muͤller, vom Halliſchen Regimente: das ſey doch abſcheulich: ob denn das ſo geſchehen duͤrfte? Er antwortete mir: die Feldſcheere waͤren nun ein- mal nicht anders, beſonders dieſer; der ſitze den ganzen Tag im Wirthshauſe zum wilden Mann und trinke. Ich gleich hin, und fand den un- menſchlichen Firlefanz wirklich bey einer Flaſche Wein. Ich ſezte mich ihm gegenuͤber, und redete ihn an. Herr Chirurgus, ſagte ich, wie koͤnnen Sie aber die armen Leute ſo unverbunden liegen laſſen? die Kerls jammern einen ja in der Seele!
Er. Hab heute ſchon Sechſe verbunden; will auch einen Augenblick Ruhe haben!
Ich. Aber wenn ihre Kranken ſo ſchrecklich leiden, und obendrein den kalten Brand befuͤrchten muͤſſen: ſo muͤßten ſie, denk ich, bis ſie ihnen Huͤlfe geſchafft haben, gar nicht an Ruhe denken!
Er. So? Wer nicht warten will, mag hin- laufen!
Ich. Ja, wenn das die armen Leute koͤnnten, dann wollt' ich's Ihnen verdenken, wenn ſie nicht laͤngſt aus dem Mordloche gelaufen waͤren!
Er. Mordloch? Herr, das iſt zuviel geſprochen! Wenn ich das dem Offizier ſage, kommt der Herr in Arreſt: verſteht mich der Herr?
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0268"n="256"/>
ging der Bube zur Thuͤr hinaus. Ich ſagte zum Kran-<lb/>
kenwaͤrter <hirendition="#g">Muͤller</hi>, vom Halliſchen Regimente: das<lb/>ſey doch abſcheulich: ob denn das ſo geſchehen duͤrfte?<lb/>
Er antwortete mir: die Feldſcheere waͤren nun ein-<lb/>
mal nicht anders, beſonders dieſer; der ſitze den<lb/>
ganzen Tag im Wirthshauſe zum wilden Mann<lb/>
und trinke. Ich gleich hin, und fand den un-<lb/>
menſchlichen Firlefanz wirklich bey einer Flaſche<lb/>
Wein. Ich ſezte mich ihm gegenuͤber, und redete<lb/>
ihn an. Herr Chirurgus, ſagte ich, wie koͤnnen<lb/>
Sie aber die armen Leute ſo unverbunden liegen<lb/>
laſſen? die Kerls jammern einen ja in der Seele!</p><lb/><p><hirendition="#g">Er</hi>. Hab heute ſchon Sechſe verbunden; will<lb/>
auch einen Augenblick Ruhe haben!</p><lb/><p><hirendition="#g">Ich</hi>. Aber wenn ihre Kranken ſo ſchrecklich<lb/>
leiden, und obendrein den kalten Brand befuͤrchten<lb/>
muͤſſen: ſo muͤßten ſie, denk ich, bis ſie ihnen Huͤlfe<lb/>
geſchafft haben, gar nicht an Ruhe denken!</p><lb/><p><hirendition="#g">Er</hi>. So? Wer nicht warten will, mag hin-<lb/>
laufen!</p><lb/><p><hirendition="#g">Ich</hi>. Ja, wenn das die armen Leute koͤnnten,<lb/>
dann wollt' ich's Ihnen verdenken, wenn ſie nicht<lb/>
laͤngſt aus dem Mordloche gelaufen waͤren!</p><lb/><p><hirendition="#g">Er</hi>. Mordloch? Herr, das iſt zuviel geſprochen!<lb/>
Wenn ich das dem Offizier ſage, kommt der Herr in<lb/>
Arreſt: verſteht mich der Herr?</p><lb/></div></body></text></TEI>
[256/0268]
ging der Bube zur Thuͤr hinaus. Ich ſagte zum Kran-
kenwaͤrter Muͤller, vom Halliſchen Regimente: das
ſey doch abſcheulich: ob denn das ſo geſchehen duͤrfte?
Er antwortete mir: die Feldſcheere waͤren nun ein-
mal nicht anders, beſonders dieſer; der ſitze den
ganzen Tag im Wirthshauſe zum wilden Mann
und trinke. Ich gleich hin, und fand den un-
menſchlichen Firlefanz wirklich bey einer Flaſche
Wein. Ich ſezte mich ihm gegenuͤber, und redete
ihn an. Herr Chirurgus, ſagte ich, wie koͤnnen
Sie aber die armen Leute ſo unverbunden liegen
laſſen? die Kerls jammern einen ja in der Seele!
Er. Hab heute ſchon Sechſe verbunden; will
auch einen Augenblick Ruhe haben!
Ich. Aber wenn ihre Kranken ſo ſchrecklich
leiden, und obendrein den kalten Brand befuͤrchten
muͤſſen: ſo muͤßten ſie, denk ich, bis ſie ihnen Huͤlfe
geſchafft haben, gar nicht an Ruhe denken!
Er. So? Wer nicht warten will, mag hin-
laufen!
Ich. Ja, wenn das die armen Leute koͤnnten,
dann wollt' ich's Ihnen verdenken, wenn ſie nicht
laͤngſt aus dem Mordloche gelaufen waͤren!
Er. Mordloch? Herr, das iſt zuviel geſprochen!
Wenn ich das dem Offizier ſage, kommt der Herr in
Arreſt: verſteht mich der Herr?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/268>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.