haben Spott und Schande und unersezlichen Scha- den von unserm Einmarsch in Frankreich! So sehr hat sich unser Stolz und Manifesten-Anspruch in acht Wochen demüthigen müssen! Ich bedaure hie- bey keinen mehr, als unsern gutmüthigen König wegen der vielen Opfer, die er an Geld, Men- schen und Vieh den Emigrirten gebracht hat, nicht nur ohne Nutzen für jezt, sondern auch mit, wer weis, wie noch langem Verlust für die Zukunft. Ach, Preußens Ehre geht mir nahe, und vielleicht zittern wir bald vor denen, die sonst vor uns zit- terten!! So sprach ich damals, und bald hieß es im ganzen Regiment: Laukhard ist ein Patriot, ein Franzose! Und doch hat -- die Folge wird es zeigen -- es wohl schwerlich jemand mit den Preu- ßen besser und ehrlicher gemeynt, als Laukhard.
Es geht aber überhaupt so! die Leidenschaften der Menschen wollen geschmeichelt seyn, sonst ist es nicht recht. Wer einem Kranken sagt, daß er sterben werde, daß er gefährlich danieder liege, macht sich den Kranken und dessen Freunde zu Fein- den. Selbst Locke, der große Locke ward böse über seinen Arzt, als er ihm sagte, daß er nicht 24 Stunden mehr leben würde. Es kann wahr seyn, sagte der Philosoph; aber mir hätte er es doch nicht sagen sollen. Ueberhaupt
haben Spott und Schande und unerſezlichen Scha- den von unſerm Einmarſch in Frankreich! So ſehr hat ſich unſer Stolz und Manifeſten-Anſpruch in acht Wochen demuͤthigen muͤſſen! Ich bedaure hie- bey keinen mehr, als unſern gutmuͤthigen Koͤnig wegen der vielen Opfer, die er an Geld, Men- ſchen und Vieh den Emigrirten gebracht hat, nicht nur ohne Nutzen fuͤr jezt, ſondern auch mit, wer weis, wie noch langem Verluſt fuͤr die Zukunft. Ach, Preußens Ehre geht mir nahe, und vielleicht zittern wir bald vor denen, die ſonſt vor uns zit- terten!! So ſprach ich damals, und bald hieß es im ganzen Regiment: Laukhard iſt ein Patriot, ein Franzoſe! Und doch hat — die Folge wird es zeigen — es wohl ſchwerlich jemand mit den Preu- ßen beſſer und ehrlicher gemeynt, als Laukhard.
Es geht aber uͤberhaupt ſo! die Leidenſchaften der Menſchen wollen geſchmeichelt ſeyn, ſonſt iſt es nicht recht. Wer einem Kranken ſagt, daß er ſterben werde, daß er gefaͤhrlich danieder liege, macht ſich den Kranken und deſſen Freunde zu Fein- den. Selbſt Locke, der große Locke ward boͤſe uͤber ſeinen Arzt, als er ihm ſagte, daß er nicht 24 Stunden mehr leben wuͤrde. Es kann wahr ſeyn, ſagte der Philoſoph; aber mir haͤtte er es doch nicht ſagen ſollen. Ueberhaupt
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haben Spott und Schande und unerſezlichen Scha-
den von unſerm Einmarſch in Frankreich! So ſehr
hat ſich unſer Stolz und Manifeſten-Anſpruch in
acht Wochen demuͤthigen muͤſſen! Ich bedaure hie-
bey keinen mehr, als unſern gutmuͤthigen Koͤnig
wegen der vielen Opfer, die er an Geld, Men-
ſchen und Vieh den Emigrirten gebracht hat, nicht
nur ohne Nutzen fuͤr jezt, ſondern auch mit, wer
weis, wie noch langem Verluſt fuͤr die Zukunft.
Ach, Preußens Ehre geht mir nahe, und vielleicht
zittern wir bald vor denen, die ſonſt vor uns zit-
terten!! So ſprach ich damals, und bald hieß
es im ganzen Regiment: Laukhard iſt ein Patriot,
ein Franzoſe! Und doch hat — die Folge wird es
zeigen — es wohl ſchwerlich jemand mit den Preu-
ßen beſſer und ehrlicher gemeynt, als Laukhard.
Es geht aber uͤberhaupt ſo! die Leidenſchaften
der Menſchen wollen geſchmeichelt ſeyn, ſonſt iſt
es nicht recht. Wer einem Kranken ſagt, daß er
ſterben werde, daß er gefaͤhrlich danieder liege,
macht ſich den Kranken und deſſen Freunde zu Fein-
den. Selbſt Locke, der große Locke ward boͤſe
uͤber ſeinen Arzt, als er ihm ſagte, daß er nicht
24 Stunden mehr leben wuͤrde. Es kann wahr
ſeyn, ſagte der Philoſoph; aber mir haͤtte er es
doch nicht ſagen ſollen. Ueberhaupt
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/229>, abgerufen am 22.11.2024.
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