Abscheu gegen alles, was Monarch und Monarchie heißt, noch mehr zu befestigen, läßt sich denken, und der Chasseur erzählte mir sehr viel davon.
Auf den Wagen, worauf die Kranken transpor- tirt wurden, fehlte es an aller Bequemlichkeit: die armen Leute wurden drauf geworfen, wenn sie sich nicht selbst noch helfen konnten, wie man die Kälber auf die Karren wirft, und damit war es dann gut. Niemand bekümmerte sich, ob so ein Kranker etwas unter dem Leibe oder dem Kopfe hatte, ob er bedeckt war, oder nicht: denn die, welche sich um dergleichen hätten bekümmern sollen, wa- ren meistens selbst krank, und hatten kaum Kräfte genug, sich fortzuschleppen. Starb einer unterwegs, so warf man ihn von dem Wagen auf die Seite, und ließ ihn unbegraben liegen. Oft warf man noch Lebende mit herunter, die dann aufs jämmer- lichste im Schlamme verrecken mußten *). Meine Leser müssen hier nicht an Uebertreibung denken: ich würde, wenn ich auch noch abscheulicher schil- derte, doch lange nicht genug sagen. **).
*)Verrecken ist freilich ein sehr unedles Wort: es passet aber vollkommen, die Todesart unsrer Bruder auf dem Rückzuge aus Frankreich zu bezeichnen. Quid sumus! --
**) Man sehe auch noch: Geschichte der Deutschen in Frank- reich, von Naue, B. II. S. 191.
Abſcheu gegen alles, was Monarch und Monarchie heißt, noch mehr zu befeſtigen, laͤßt ſich denken, und der Chaſſeur erzaͤhlte mir ſehr viel davon.
Auf den Wagen, worauf die Kranken transpor- tirt wurden, fehlte es an aller Bequemlichkeit: die armen Leute wurden drauf geworfen, wenn ſie ſich nicht ſelbſt noch helfen konnten, wie man die Kaͤlber auf die Karren wirft, und damit war es dann gut. Niemand bekuͤmmerte ſich, ob ſo ein Kranker etwas unter dem Leibe oder dem Kopfe hatte, ob er bedeckt war, oder nicht: denn die, welche ſich um dergleichen haͤtten bekuͤmmern ſollen, wa- ren meiſtens ſelbſt krank, und hatten kaum Kraͤfte genug, ſich fortzuſchleppen. Starb einer unterwegs, ſo warf man ihn von dem Wagen auf die Seite, und ließ ihn unbegraben liegen. Oft warf man noch Lebende mit herunter, die dann aufs jaͤmmer- lichſte im Schlamme verrecken mußten *). Meine Leſer muͤſſen hier nicht an Uebertreibung denken: ich wuͤrde, wenn ich auch noch abſcheulicher ſchil- derte, doch lange nicht genug ſagen. **).
*)Verrecken iſt freilich ein ſehr unedles Wort: es paſſet aber vollkommen, die Todesart unſrer Bruder auf dem Ruͤckzuge aus Frankreich zu bezeichnen. Quid ſumus! —
**) Man ſehe auch noch: Geſchichte der Deutſchen in Frank- reich, von Naue, B. II. S. 191.
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Abſcheu gegen alles, was Monarch und Monarchie
heißt, noch mehr zu befeſtigen, laͤßt ſich denken,
und der Chaſſeur erzaͤhlte mir ſehr viel davon.
Auf den Wagen, worauf die Kranken transpor-
tirt wurden, fehlte es an aller Bequemlichkeit:
die armen Leute wurden drauf geworfen, wenn ſie
ſich nicht ſelbſt noch helfen konnten, wie man die
Kaͤlber auf die Karren wirft, und damit war es
dann gut. Niemand bekuͤmmerte ſich, ob ſo ein
Kranker etwas unter dem Leibe oder dem Kopfe
hatte, ob er bedeckt war, oder nicht: denn die, welche
ſich um dergleichen haͤtten bekuͤmmern ſollen, wa-
ren meiſtens ſelbſt krank, und hatten kaum Kraͤfte
genug, ſich fortzuſchleppen. Starb einer unterwegs,
ſo warf man ihn von dem Wagen auf die Seite,
und ließ ihn unbegraben liegen. Oft warf man
noch Lebende mit herunter, die dann aufs jaͤmmer-
lichſte im Schlamme verrecken mußten *). Meine
Leſer muͤſſen hier nicht an Uebertreibung denken:
ich wuͤrde, wenn ich auch noch abſcheulicher ſchil-
derte, doch lange nicht genug ſagen. **).
*) Verrecken iſt freilich ein ſehr unedles Wort: es paſſet aber
vollkommen, die Todesart unſrer Bruder auf dem Ruͤckzuge
aus Frankreich zu bezeichnen. Quid ſumus! —
**) Man ſehe auch noch: Geſchichte der Deutſchen in Frank-
reich, von Naue, B. II. S. 191.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/211>, abgerufen am 31.01.2025.
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