er das nicht kann, so wird er immer räsonniren, wie der Blinde von der Farbe.
Nach dem Bücherwesen erkundigte ich mich in Verdun, wie in Longwy, und hörte fast nichts weiter schätzen, als die Nationalblätter, nebst Ma- bly, Voltaire, Rousseau und andern, wel- che gegen den Despotismus und die Pfafferey ge- schrieben haben.
Auf die eifrigen Vertheidiger der Freiheit hat man hier auch stark Jagd gemacht, und unter an- dern den Präsidenten des Distrikts von Varenne, einem kleinen, etwan vier Stunden von Verdun ge- legnen Städtchen, gefänglich hingesezt. Das Ver- brechen dieses würdigen Mannes bestand meist darin, daß er sein Vermögen hingab, um einige Anstalten durchzusetzen, für welche er ehemals in Paris gestimmt hatte. Der Herzog ließ ihn an- fänglich sehr hart an, aber George, so hieß der Präsident, benahm sich so edel und freymüthig, daß der Herzog selbst endlich schwieg. Die Emi- granten hätten ihn gern zernichtet, und gaben ihm Schuld, daß er an der Arretirung ihres flüchtigen Königes zu Varennes Theil gehabt habe: aber die Preußen schüzten den George, und er wurde bald darauf ausgewechselt.
Die gefangnen Franzosen saßen auf der Ci- tadelle, wo man sehr leicht mit ihnen sprechen
er das nicht kann, ſo wird er immer raͤſonniren, wie der Blinde von der Farbe.
Nach dem Buͤcherweſen erkundigte ich mich in Verdun, wie in Longwy, und hoͤrte faſt nichts weiter ſchaͤtzen, als die Nationalblaͤtter, nebſt Ma- bly, Voltaire, Rouſſeau und andern, wel- che gegen den Deſpotismus und die Pfafferey ge- ſchrieben haben.
Auf die eifrigen Vertheidiger der Freiheit hat man hier auch ſtark Jagd gemacht, und unter an- dern den Praͤſidenten des Diſtrikts von Varenne, einem kleinen, etwan vier Stunden von Verdun ge- legnen Staͤdtchen, gefaͤnglich hingeſezt. Das Ver- brechen dieſes wuͤrdigen Mannes beſtand meiſt darin, daß er ſein Vermoͤgen hingab, um einige Anſtalten durchzuſetzen, fuͤr welche er ehemals in Paris geſtimmt hatte. Der Herzog ließ ihn an- faͤnglich ſehr hart an, aber George, ſo hieß der Praͤſident, benahm ſich ſo edel und freymuͤthig, daß der Herzog ſelbſt endlich ſchwieg. Die Emi- granten haͤtten ihn gern zernichtet, und gaben ihm Schuld, daß er an der Arretirung ihres fluͤchtigen Koͤniges zu Varennes Theil gehabt habe: aber die Preußen ſchuͤzten den George, und er wurde bald darauf ausgewechſelt.
Die gefangnen Franzoſen ſaßen auf der Ci- tadelle, wo man ſehr leicht mit ihnen ſprechen
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er das nicht kann, ſo wird er immer raͤſonniren,
wie der Blinde von der Farbe.
Nach dem Buͤcherweſen erkundigte ich mich in
Verdun, wie in Longwy, und hoͤrte faſt nichts
weiter ſchaͤtzen, als die Nationalblaͤtter, nebſt Ma-
bly, Voltaire, Rouſſeau und andern, wel-
che gegen den Deſpotismus und die Pfafferey ge-
ſchrieben haben.
Auf die eifrigen Vertheidiger der Freiheit hat
man hier auch ſtark Jagd gemacht, und unter an-
dern den Praͤſidenten des Diſtrikts von Varenne,
einem kleinen, etwan vier Stunden von Verdun ge-
legnen Staͤdtchen, gefaͤnglich hingeſezt. Das Ver-
brechen dieſes wuͤrdigen Mannes beſtand meiſt
darin, daß er ſein Vermoͤgen hingab, um einige
Anſtalten durchzuſetzen, fuͤr welche er ehemals in
Paris geſtimmt hatte. Der Herzog ließ ihn an-
faͤnglich ſehr hart an, aber George, ſo hieß der
Praͤſident, benahm ſich ſo edel und freymuͤthig,
daß der Herzog ſelbſt endlich ſchwieg. Die Emi-
granten haͤtten ihn gern zernichtet, und gaben ihm
Schuld, daß er an der Arretirung ihres fluͤchtigen
Koͤniges zu Varennes Theil gehabt habe: aber
die Preußen ſchuͤzten den George, und er wurde
bald darauf ausgewechſelt.
Die gefangnen Franzoſen ſaßen auf der Ci-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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