mußte ihm Beifall geben. Semler sprach endlich lateinisch mit mir, um, wie er sagte, zu sehen, ob ich fleißig in dieser Sprache gelesen hätte: Denn wenn man fleißig lateinische Bücher gelesen hätte, wie er hinzu sezte, so müßte man sich auch, dem Ge- nius derselben gemäß, ausdrücken können; gesezt auch, man könne es, aus Mangel der Uebung, nicht fertig. Wir sprachen lateinisch, und er war mit mir zufrieden -- ich sage, er war es, und nicht: er schien es zu seyn; denn Semlers Karakter war so, daß er in solchen Fällen niemals schien zu seyn. -- Dann erkundigte er sich nach meiner Baarschaft und rieth mir, nachdem ich ihm eine ge- naue Berechnung meines Geldes abgelegt hatte, zur Sparsamkeit: einer Tugend, die niemals die meine war; denn dazu war ich schon in der frühern Jugend verdorben worden. Endlich schickte mich Semler zum Herrn D.Nösselt, dem damaligen Prorektor, wo ich für die Hälfte der Gebühren, auf Semlers Empfehlung, die Matrikel und ein großes Pack akademischer Gesetze in Empfang nahm. Herr Nösselt gab mir verschiedene gute Ermahnungen, aber auf ein gelehrtes Gespräch, so stark ich auch auf den Busch schlug, wollte er sich nicht einlassen. Ich habe hernach mehrmals mit ihm gesprochen, ihn aber immer sehr zurück- haltend gefunden.
mußte ihm Beifall geben. Semler ſprach endlich lateiniſch mit mir, um, wie er ſagte, zu ſehen, ob ich fleißig in dieſer Sprache geleſen haͤtte: Denn wenn man fleißig lateiniſche Buͤcher geleſen haͤtte, wie er hinzu ſezte, ſo muͤßte man ſich auch, dem Ge- nius derſelben gemaͤß, ausdruͤcken koͤnnen; geſezt auch, man koͤnne es, aus Mangel der Uebung, nicht fertig. Wir ſprachen lateiniſch, und er war mit mir zufrieden — ich ſage, er war es, und nicht: er ſchien es zu ſeyn; denn Semlers Karakter war ſo, daß er in ſolchen Faͤllen niemals ſchien zu ſeyn. — Dann erkundigte er ſich nach meiner Baarſchaft und rieth mir, nachdem ich ihm eine ge- naue Berechnung meines Geldes abgelegt hatte, zur Sparſamkeit: einer Tugend, die niemals die meine war; denn dazu war ich ſchon in der fruͤhern Jugend verdorben worden. Endlich ſchickte mich Semler zum Herrn D.Noͤſſelt, dem damaligen Prorektor, wo ich fuͤr die Haͤlfte der Gebuͤhren, auf Semlers Empfehlung, die Matrikel und ein großes Pack akademiſcher Geſetze in Empfang nahm. Herr Noͤſſelt gab mir verſchiedene gute Ermahnungen, aber auf ein gelehrtes Geſpraͤch, ſo ſtark ich auch auf den Buſch ſchlug, wollte er ſich nicht einlaſſen. Ich habe hernach mehrmals mit ihm geſprochen, ihn aber immer ſehr zuruͤck- haltend gefunden.
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mußte ihm Beifall geben. Semler ſprach endlich
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wenn man fleißig lateiniſche Buͤcher geleſen haͤtte,
wie er hinzu ſezte, ſo muͤßte man ſich auch, dem Ge-
nius derſelben gemaͤß, ausdruͤcken koͤnnen; geſezt
auch, man koͤnne es, aus Mangel der Uebung,
nicht fertig. Wir ſprachen lateiniſch, und er war
mit mir zufrieden — ich ſage, er war es, und
nicht: er ſchien es zu ſeyn; denn Semlers Karakter
war ſo, daß er in ſolchen Faͤllen niemals ſchien
zu ſeyn. — Dann erkundigte er ſich nach meiner
Baarſchaft und rieth mir, nachdem ich ihm eine ge-
naue Berechnung meines Geldes abgelegt hatte, zur
Sparſamkeit: einer Tugend, die niemals die meine
war; denn dazu war ich ſchon in der fruͤhern
Jugend verdorben worden. Endlich ſchickte mich
Semler zum Herrn D. Noͤſſelt, dem damaligen
Prorektor, wo ich fuͤr die Haͤlfte der Gebuͤhren,
auf Semlers Empfehlung, die Matrikel und ein
großes Pack akademiſcher Geſetze in Empfang
nahm. Herr Noͤſſelt gab mir verſchiedene gute
Ermahnungen, aber auf ein gelehrtes Geſpraͤch,
ſo ſtark ich auch auf den Buſch ſchlug, wollte er
ſich nicht einlaſſen. Ich habe hernach mehrmals
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/92>, abgerufen am 24.11.2024.
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