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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Aber Freund Boger war nicht so ruhig. E[r]
nahm, oder wollte vielmehr einen Advokaten an-
nehmen, der einen Prozeß gegen mich anhängig ma-
chen sollte. Der Advokat rieth ihm indeß, still zu
sitzen und seine Pillen zu verschlucken; er würde den
Kürzern ohnehin ziehen und sich nur noch mehr
blamiren.

So geht es aber, wenn man Schufte zu Freun-
den hat. Endlich nimmt die Freundschaft ein schmu-
tziges Ende! Solche Freundschaften sind gemeiniglich
auf nichts anders gegründet, als auf vorbeirauschen-
des, lärmendes Vergnügen, das man nicht allein ge-
niessen kann, und wozu man jeden annimmt, der
sich anbietet. So lange das Interesse dauert, kann
die Freundschaft wol noch dauern; aber sie hört auf,
sobald das Interesse aufhört; ja sie artet bei meh-
rerer Einsicht nicht selten in die ärgste Feindschaft
aus. -- Von dieser Art sind auch die sogenannten
ewigen Universitäts-Freund- und Brüderschaften,
wenn gleich bei deren Stiftung hoch gesungen wird:

Unsre Freundschaft soll bestehen,
Bis der Tod ein Ende macht. --

Ich will hier noch etwas anmerken: Unsere jungen
Universi[ - 3 Zeichen fehlen]er pflegen gern mit ihren Landsleuten
genauen und vertrauten Umgang anzufangen und
ihnen alle ihre Heimlichkeiten zu entdecken. Das

Aber Freund Boger war nicht ſo ruhig. E[r]
nahm, oder wollte vielmehr einen Advokaten an-
nehmen, der einen Prozeß gegen mich anhaͤngig ma-
chen ſollte. Der Advokat rieth ihm indeß, ſtill zu
ſitzen und ſeine Pillen zu verſchlucken; er wuͤrde den
Kuͤrzern ohnehin ziehen und ſich nur noch mehr
blamiren.

So geht es aber, wenn man Schufte zu Freun-
den hat. Endlich nimmt die Freundſchaft ein ſchmu-
tziges Ende! Solche Freundſchaften ſind gemeiniglich
auf nichts anders gegruͤndet, als auf vorbeirauſchen-
des, laͤrmendes Vergnuͤgen, das man nicht allein ge-
nieſſen kann, und wozu man jeden annimmt, der
ſich anbietet. So lange das Intereſſe dauert, kann
die Freundſchaft wol noch dauern; aber ſie hoͤrt auf,
ſobald das Intereſſe aufhoͤrt; ja ſie artet bei meh-
rerer Einſicht nicht ſelten in die aͤrgſte Feindſchaft
aus. — Von dieſer Art ſind auch die ſogenannten
ewigen Univerſitaͤts-Freund- und Bruͤderſchaften,
wenn gleich bei deren Stiftung hoch geſungen wird:

Unſre Freundſchaft ſoll beſtehen,
Bis der Tod ein Ende macht. —

Ich will hier noch etwas anmerken: Unſere jungen
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genauen und vertrauten Umgang anzufangen und
ihnen alle ihre Heimlichkeiten zu entdecken. Das

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[53/0055] Aber Freund Boger war nicht ſo ruhig. Er nahm, oder wollte vielmehr einen Advokaten an- nehmen, der einen Prozeß gegen mich anhaͤngig ma- chen ſollte. Der Advokat rieth ihm indeß, ſtill zu ſitzen und ſeine Pillen zu verſchlucken; er wuͤrde den Kuͤrzern ohnehin ziehen und ſich nur noch mehr blamiren. So geht es aber, wenn man Schufte zu Freun- den hat. Endlich nimmt die Freundſchaft ein ſchmu- tziges Ende! Solche Freundſchaften ſind gemeiniglich auf nichts anders gegruͤndet, als auf vorbeirauſchen- des, laͤrmendes Vergnuͤgen, das man nicht allein ge- nieſſen kann, und wozu man jeden annimmt, der ſich anbietet. So lange das Intereſſe dauert, kann die Freundſchaft wol noch dauern; aber ſie hoͤrt auf, ſobald das Intereſſe aufhoͤrt; ja ſie artet bei meh- rerer Einſicht nicht ſelten in die aͤrgſte Feindſchaft aus. — Von dieſer Art ſind auch die ſogenannten ewigen Univerſitaͤts-Freund- und Bruͤderſchaften, wenn gleich bei deren Stiftung hoch geſungen wird: Unſre Freundſchaft ſoll beſtehen, Bis der Tod ein Ende macht. — Ich will hier noch etwas anmerken: Unſere jungen Univerſi___er pflegen gern mit ihren Landsleuten genauen und vertrauten Umgang anzufangen und ihnen alle ihre Heimlichkeiten zu entdecken. Das

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/55>, abgerufen am 24.11.2024.