der Bärenstraße. Meine neue Wohnung stand zwi- schen zwei Bordellen: auf der einen Seite war Ma- dam Lindemann, und auf der andern eine andere stille Wirthschaft, die man die diamantne Schnalle nannte.
Der neue Wirth war ein äusserst schnurriger Mensch, alle Tage en canaille besoffen mit allen seinen Hausleuten, seiner Frau, Sohn, Sohnsfrau und Nichte. Eine possirlichere Haushaltung habe ich nie gesehen.
Ein Bursche von der Kompagnie hatte gerade gegen über sein Quartier auch in einem Bordelle. Man muß wissen, daß jenes ganze Viertel fast aus lauter Bordellen besteht, und daher das Hurenviertel heißt: es begreift die Bären-Französische und Ka- nonier-Straße in sich. Der Bursche stand Abends vor der Thür, als ein Kanonier-Leutenant kam, und in dieses Stramhaus -- so nannten die Soldaten diese Häuser in Berlin -- gehen wollte. Er fragte den Burschen, was er da stünde, und ohne seine Antwort abzuwarten, hieß er ihn alsobald reisen. Der Bursche erwiderte, daß hier sein Quartier sey, und daß er sich da nicht wegjagen liesse. Das ver- droß den Herrn Officier so sehr, daß er nach dem Degen griff, und Gerstenbergen, so hieß der Soldat, damit schlug. Gerstenberg sprang fort, und verklagte den Officier, dessen Nane nun bekannt ge-
der Baͤrenſtraße. Meine neue Wohnung ſtand zwi- ſchen zwei Bordellen: auf der einen Seite war Ma- dam Lindemann, und auf der andern eine andere ſtille Wirthſchaft, die man die diamantne Schnalle nannte.
Der neue Wirth war ein aͤuſſerſt ſchnurriger Menſch, alle Tage en canaille beſoffen mit allen ſeinen Hausleuten, ſeiner Frau, Sohn, Sohnsfrau und Nichte. Eine poſſirlichere Haushaltung habe ich nie geſehen.
Ein Burſche von der Kompagnie hatte gerade gegen uͤber ſein Quartier auch in einem Bordelle. Man muß wiſſen, daß jenes ganze Viertel faſt aus lauter Bordellen beſteht, und daher das Hurenviertel heißt: es begreift die Baͤren-Franzoͤſiſche und Ka- nonier-Straße in ſich. Der Burſche ſtand Abends vor der Thuͤr, als ein Kanonier-Leutenant kam, und in dieſes Stramhaus — ſo nannten die Soldaten dieſe Haͤuſer in Berlin — gehen wollte. Er fragte den Burſchen, was er da ſtuͤnde, und ohne ſeine Antwort abzuwarten, hieß er ihn alſobald reiſen. Der Burſche erwiderte, daß hier ſein Quartier ſey, und daß er ſich da nicht wegjagen lieſſe. Das ver- droß den Herrn Officier ſo ſehr, daß er nach dem Degen griff, und Gerſtenbergen, ſo hieß der Soldat, damit ſchlug. Gerſtenberg ſprang fort, und verklagte den Officier, deſſen Nane nun bekannt ge-
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der Baͤrenſtraße. Meine neue Wohnung ſtand zwi-
ſchen zwei Bordellen: auf der einen Seite war Ma-
dam Lindemann, und auf der andern eine andere
ſtille Wirthſchaft, die man die diamantne Schnalle
nannte.
Der neue Wirth war ein aͤuſſerſt ſchnurriger
Menſch, alle Tage en canaille beſoffen mit allen
ſeinen Hausleuten, ſeiner Frau, Sohn, Sohnsfrau
und Nichte. Eine poſſirlichere Haushaltung habe
ich nie geſehen.
Ein Burſche von der Kompagnie hatte gerade
gegen uͤber ſein Quartier auch in einem Bordelle.
Man muß wiſſen, daß jenes ganze Viertel faſt aus
lauter Bordellen beſteht, und daher das Hurenviertel
heißt: es begreift die Baͤren-Franzoͤſiſche und Ka-
nonier-Straße in ſich. Der Burſche ſtand Abends
vor der Thuͤr, als ein Kanonier-Leutenant kam, und
in dieſes Stramhaus — ſo nannten die Soldaten
dieſe Haͤuſer in Berlin — gehen wollte. Er fragte
den Burſchen, was er da ſtuͤnde, und ohne ſeine
Antwort abzuwarten, hieß er ihn alſobald reiſen.
Der Burſche erwiderte, daß hier ſein Quartier ſey,
und daß er ſich da nicht wegjagen lieſſe. Das ver-
droß den Herrn Officier ſo ſehr, daß er nach dem
Degen griff, und Gerſtenbergen, ſo hieß der
Soldat, damit ſchlug. Gerſtenberg ſprang fort, und
verklagte den Officier, deſſen Nane nun bekannt ge-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 459[461]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/463>, abgerufen am 25.11.2024.
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