er sich ersäuft. Was doch nicht alle mit den Men- schenkindern geschehen kann!
In Merzdorf weiß man recht viel zu erzählen von Meister Rübezal. Ueberhaupt sind die Schle- sier sehr orthodox, folglich auch sehr abergläubig; aber die Bergschlesier sind es über alle Maaßen. Stun- denlang wissen sie von ihrem Rübezal und andern Gespenstern zu schwatzen, faseln tausend Fratzen her, und wenn man ihnen diese widerlegt, so werden sie grob und fangen an zu schelten. Wo Gespenster zu Hause sind, sinds auch Hexen, also auch hier.
Eine gute Eigenschaft darf ich aber nicht über- gehen, die ich an den Schlesiern bemerkt habe: sie ist freilich zum Theil in ihrem Aberglauben gegrün- det: -- sie fluchen und schwören nicht, reißen auch keine Zoten. Sie kreuzten und segneten sich allemal, wenn unsere Leute fürchterliche Flüche und derbe Zo- ten ausstießen. -- Die Schlesier Bauermädchen sind auch lange nicht so gefällig und aufgeweckt, als die in der Mark, in Sachsen und anderswo.
An meinen braven Bispink hatte ich von Dittersbach aus geschrieben, und erhielt seine erste Antwort schon in Merzdorf. Ich freute mich, in dem Briefe des ehrlichen Mannes alle Gesinnun- gen zu finden, welche ich immer bei ihm gefunden habe. Ich antwortete gleich wieder und bath ihn, doch an meine Mutter zu schreiben, damit diese der
er ſich erſaͤuft. Was doch nicht alle mit den Men- ſchenkindern geſchehen kann!
In Merzdorf weiß man recht viel zu erzaͤhlen von Meiſter Ruͤbezal. Ueberhaupt ſind die Schle- ſier ſehr orthodox, folglich auch ſehr aberglaͤubig; aber die Bergſchleſier ſind es uͤber alle Maaßen. Stun- denlang wiſſen ſie von ihrem Ruͤbezal und andern Geſpenſtern zu ſchwatzen, faſeln tauſend Fratzen her, und wenn man ihnen dieſe widerlegt, ſo werden ſie grob und fangen an zu ſchelten. Wo Geſpenſter zu Hauſe ſind, ſinds auch Hexen, alſo auch hier.
Eine gute Eigenſchaft darf ich aber nicht uͤber- gehen, die ich an den Schleſiern bemerkt habe: ſie iſt freilich zum Theil in ihrem Aberglauben gegruͤn- det: — ſie fluchen und ſchwoͤren nicht, reißen auch keine Zoten. Sie kreuzten und ſegneten ſich allemal, wenn unſere Leute fuͤrchterliche Fluͤche und derbe Zo- ten ausſtießen. — Die Schleſier Bauermaͤdchen ſind auch lange nicht ſo gefaͤllig und aufgeweckt, als die in der Mark, in Sachſen und anderswo.
An meinen braven Bispink hatte ich von Dittersbach aus geſchrieben, und erhielt ſeine erſte Antwort ſchon in Merzdorf. Ich freute mich, in dem Briefe des ehrlichen Mannes alle Geſinnun- gen zu finden, welche ich immer bei ihm gefunden habe. Ich antwortete gleich wieder und bath ihn, doch an meine Mutter zu ſchreiben, damit dieſe der
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[442[444]/0446]
er ſich erſaͤuft. Was doch nicht alle mit den Men-
ſchenkindern geſchehen kann!
In Merzdorf weiß man recht viel zu erzaͤhlen
von Meiſter Ruͤbezal. Ueberhaupt ſind die Schle-
ſier ſehr orthodox, folglich auch ſehr aberglaͤubig; aber
die Bergſchleſier ſind es uͤber alle Maaßen. Stun-
denlang wiſſen ſie von ihrem Ruͤbezal und andern
Geſpenſtern zu ſchwatzen, faſeln tauſend Fratzen her,
und wenn man ihnen dieſe widerlegt, ſo werden ſie
grob und fangen an zu ſchelten. Wo Geſpenſter zu
Hauſe ſind, ſinds auch Hexen, alſo auch hier.
Eine gute Eigenſchaft darf ich aber nicht uͤber-
gehen, die ich an den Schleſiern bemerkt habe: ſie
iſt freilich zum Theil in ihrem Aberglauben gegruͤn-
det: — ſie fluchen und ſchwoͤren nicht, reißen auch
keine Zoten. Sie kreuzten und ſegneten ſich allemal,
wenn unſere Leute fuͤrchterliche Fluͤche und derbe Zo-
ten ausſtießen. — Die Schleſier Bauermaͤdchen ſind
auch lange nicht ſo gefaͤllig und aufgeweckt, als die
in der Mark, in Sachſen und anderswo.
An meinen braven Bispink hatte ich von
Dittersbach aus geſchrieben, und erhielt ſeine erſte
Antwort ſchon in Merzdorf. Ich freute mich, in
dem Briefe des ehrlichen Mannes alle Geſinnun-
gen zu finden, welche ich immer bei ihm gefunden
habe. Ich antwortete gleich wieder und bath ihn,
doch an meine Mutter zu ſchreiben, damit dieſe der
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 442[444]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/446>, abgerufen am 22.11.2024.
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