ren Lebenslauf, und ich ward gerührt. Ich fragte sie, ob sie Lust hätte, aus diesem Leben herauszu- kommen, und sie gestand: -- nur ihre Schulden hielten sie zurück: sonst ging sie herzlich gern gleich wieder weg. -- Das Ding fuhr mir im Kopf her- um; ich wußte aber nicht, wie ich es anfangen sollte, sie zu retten, da ich kein Geld hatte, um für sie zu bezahlen, und sie dadurch auszulösen. Endlich machte ich gemeinschaftliche Sache mit einigen derben Kava- leristen und zwei Soldaten von unserm Regimente. Ich stellte ihnen die abscheuliche Lage des unglückli- chen Mädchens vor, und den Wunsch, den sie hatte, zu ihren Verwandten zurückzukehren. Dann ver- sicherte ich sie, das Vorgeben solcher Wirthe von Schuld, sey nur ein Kniff, die Mädchen festzuhal- ten: die Kerls wären Erzpreller: es sey übrigens ein sehr gutes verdienstliches Werk, ein solches Geschöpf vom Untergang zu retten. Dabei brauchte ich mei- ne militärische Beredsamkeit dergestalt, daß die bra- ven Kavaleristen und Musketiers schwuren: "der Teufel sollte sie alle samt und sonders holen, wenn das Mädchen nicht innerhalb 24 Stunden frey seyn sollte! Den folgenden Tag gegen Abend gingen wir alle auf einen Haufen in die Talgfabrike, tranken Bier und schäkerten so herum. Endlich gab ich Jett- chen ein Zeichen, daß sie sich nur zu uns halten sollte: dann nahm ein Kavalerist sie beim Arm, und wollte
ren Lebenslauf, und ich ward geruͤhrt. Ich fragte ſie, ob ſie Luſt haͤtte, aus dieſem Leben herauszu- kommen, und ſie geſtand: — nur ihre Schulden hielten ſie zuruͤck: ſonſt ging ſie herzlich gern gleich wieder weg. — Das Ding fuhr mir im Kopf her- um; ich wußte aber nicht, wie ich es anfangen ſollte, ſie zu retten, da ich kein Geld hatte, um fuͤr ſie zu bezahlen, und ſie dadurch auszuloͤſen. Endlich machte ich gemeinſchaftliche Sache mit einigen derben Kava- leriſten und zwei Soldaten von unſerm Regimente. Ich ſtellte ihnen die abſcheuliche Lage des ungluͤckli- chen Maͤdchens vor, und den Wunſch, den ſie hatte, zu ihren Verwandten zuruͤckzukehren. Dann ver- ſicherte ich ſie, das Vorgeben ſolcher Wirthe von Schuld, ſey nur ein Kniff, die Maͤdchen feſtzuhal- ten: die Kerls waͤren Erzpreller: es ſey uͤbrigens ein ſehr gutes verdienſtliches Werk, ein ſolches Geſchoͤpf vom Untergang zu retten. Dabei brauchte ich mei- ne militaͤriſche Beredſamkeit dergeſtalt, daß die bra- ven Kavaleriſten und Musketiers ſchwuren: „der Teufel ſollte ſie alle ſamt und ſonders holen, wenn das Maͤdchen nicht innerhalb 24 Stunden frey ſeyn ſollte! Den folgenden Tag gegen Abend gingen wir alle auf einen Haufen in die Talgfabrike, tranken Bier und ſchaͤkerten ſo herum. Endlich gab ich Jett- chen ein Zeichen, daß ſie ſich nur zu uns halten ſollte: dann nahm ein Kavaleriſt ſie beim Arm, und wollte
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[419[421]/0423]
ren Lebenslauf, und ich ward geruͤhrt. Ich fragte
ſie, ob ſie Luſt haͤtte, aus dieſem Leben herauszu-
kommen, und ſie geſtand: — nur ihre Schulden
hielten ſie zuruͤck: ſonſt ging ſie herzlich gern gleich
wieder weg. — Das Ding fuhr mir im Kopf her-
um; ich wußte aber nicht, wie ich es anfangen ſollte,
ſie zu retten, da ich kein Geld hatte, um fuͤr ſie zu
bezahlen, und ſie dadurch auszuloͤſen. Endlich machte
ich gemeinſchaftliche Sache mit einigen derben Kava-
leriſten und zwei Soldaten von unſerm Regimente.
Ich ſtellte ihnen die abſcheuliche Lage des ungluͤckli-
chen Maͤdchens vor, und den Wunſch, den ſie hatte,
zu ihren Verwandten zuruͤckzukehren. Dann ver-
ſicherte ich ſie, das Vorgeben ſolcher Wirthe von
Schuld, ſey nur ein Kniff, die Maͤdchen feſtzuhal-
ten: die Kerls waͤren Erzpreller: es ſey uͤbrigens ein
ſehr gutes verdienſtliches Werk, ein ſolches Geſchoͤpf
vom Untergang zu retten. Dabei brauchte ich mei-
ne militaͤriſche Beredſamkeit dergeſtalt, daß die bra-
ven Kavaleriſten und Musketiers ſchwuren: „der
Teufel ſollte ſie alle ſamt und ſonders holen, wenn
das Maͤdchen nicht innerhalb 24 Stunden frey ſeyn
ſollte! Den folgenden Tag gegen Abend gingen wir
alle auf einen Haufen in die Talgfabrike, tranken
Bier und ſchaͤkerten ſo herum. Endlich gab ich Jett-
chen ein Zeichen, daß ſie ſich nur zu uns halten ſollte:
dann nahm ein Kavaleriſt ſie beim Arm, und wollte
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 419[421]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/423>, abgerufen am 25.11.2024.
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