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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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kostet haben, ehe es ihm gelungen sey, nach gewissen-
hafter, sorgfältiger Prüfung sich erst über den Ka-
tholicismus und endlich gar über Alles, was höhere
Offenbarung heißt, mit ruhiger Ueberzeugung weg-
zusetzen. Bei dieser Denkungsart war es wohl un-
vermeidlich, nicht hier und da durch freimüthigere
Aeußerungen im Sprechen und Handeln den Ver-
dacht und Haß seiner Ordens- und Glaubensgenossen
sich zuzuziehen. Dies geschah vorzüglich die vier
Jahre hindurch, die er als Professor der Philoso-
phie im Franziskanerkloster zu Warendorf docirte.
Der Erfolg davon war, daß man ihn bei den Fran-
ziskanern zu Rittberg so lange gefänglich verwahrte,
bis man ihn im dritten Jahre für todt erfroren sei-
ner Gefangenschaft entließ. Drei Vierteljahre gin-
gen hin, ehe er sich von den Folgen dieses Zustandes
erholte. Kaum war er aber seiner Glieder wieder
mächtig, so sann er auf Mittel, sich den geistlichen
Cannibalen, samt allem, was Gewissens- und Kir-
chenzwang heißt, auch auf Kosten seines Lebens, zu
entziehen, und auf Gottes weiter Welt als freier
Mensch zu bestehen. Er entwarf lange und vorsichtig,
und es gelang ihm, 1783 aus dem Franziskanerklo-
ster zu Hardenberg nach Schwelm in der Grafschaft
Mark glücklich zu entwischen. Hier begab er sich
unter Preußischen Schutz, fand an Herrn Pastor
Spitzbarth einen zweiten Vater, und kam end-

koſtet haben, ehe es ihm gelungen ſey, nach gewiſſen-
hafter, ſorgfaͤltiger Pruͤfung ſich erſt uͤber den Ka-
tholicismus und endlich gar uͤber Alles, was hoͤhere
Offenbarung heißt, mit ruhiger Ueberzeugung weg-
zuſetzen. Bei dieſer Denkungsart war es wohl un-
vermeidlich, nicht hier und da durch freimuͤthigere
Aeußerungen im Sprechen und Handeln den Ver-
dacht und Haß ſeiner Ordens- und Glaubensgenoſſen
ſich zuzuziehen. Dies geſchah vorzuͤglich die vier
Jahre hindurch, die er als Profeſſor der Philoſo-
phie im Franziskanerkloſter zu Warendorf docirte.
Der Erfolg davon war, daß man ihn bei den Fran-
ziskanern zu Rittberg ſo lange gefaͤnglich verwahrte,
bis man ihn im dritten Jahre fuͤr todt erfroren ſei-
ner Gefangenſchaft entließ. Drei Vierteljahre gin-
gen hin, ehe er ſich von den Folgen dieſes Zuſtandes
erholte. Kaum war er aber ſeiner Glieder wieder
maͤchtig, ſo ſann er auf Mittel, ſich den geiſtlichen
Cannibalen, ſamt allem, was Gewiſſens- und Kir-
chenzwang heißt, auch auf Koſten ſeines Lebens, zu
entziehen, und auf Gottes weiter Welt als freier
Menſch zu beſtehen. Er entwarf lange und vorſichtig,
und es gelang ihm, 1783 aus dem Franziskanerklo-
ſter zu Hardenberg nach Schwelm in der Grafſchaft
Mark gluͤcklich zu entwiſchen. Hier begab er ſich
unter Preußiſchen Schutz, fand an Herrn Paſtor
Spitzbarth einen zweiten Vater, und kam end-

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[373[375]/0377] koſtet haben, ehe es ihm gelungen ſey, nach gewiſſen- hafter, ſorgfaͤltiger Pruͤfung ſich erſt uͤber den Ka- tholicismus und endlich gar uͤber Alles, was hoͤhere Offenbarung heißt, mit ruhiger Ueberzeugung weg- zuſetzen. Bei dieſer Denkungsart war es wohl un- vermeidlich, nicht hier und da durch freimuͤthigere Aeußerungen im Sprechen und Handeln den Ver- dacht und Haß ſeiner Ordens- und Glaubensgenoſſen ſich zuzuziehen. Dies geſchah vorzuͤglich die vier Jahre hindurch, die er als Profeſſor der Philoſo- phie im Franziskanerkloſter zu Warendorf docirte. Der Erfolg davon war, daß man ihn bei den Fran- ziskanern zu Rittberg ſo lange gefaͤnglich verwahrte, bis man ihn im dritten Jahre fuͤr todt erfroren ſei- ner Gefangenſchaft entließ. Drei Vierteljahre gin- gen hin, ehe er ſich von den Folgen dieſes Zuſtandes erholte. Kaum war er aber ſeiner Glieder wieder maͤchtig, ſo ſann er auf Mittel, ſich den geiſtlichen Cannibalen, ſamt allem, was Gewiſſens- und Kir- chenzwang heißt, auch auf Koſten ſeines Lebens, zu entziehen, und auf Gottes weiter Welt als freier Menſch zu beſtehen. Er entwarf lange und vorſichtig, und es gelang ihm, 1783 aus dem Franziskanerklo- ſter zu Hardenberg nach Schwelm in der Grafſchaft Mark gluͤcklich zu entwiſchen. Hier begab er ſich unter Preußiſchen Schutz, fand an Herrn Paſtor Spitzbarth einen zweiten Vater, und kam end-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 373[375]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/377>, abgerufen am 22.11.2024.