mich mehr als einmal verdient gemacht hatte. Ich trat also an seine Thür und klopfte; Herr Schnau- bert kam heraus: "Was will Er?" -- Ei, ei, Herr Professor, Sie kennen mich wohl nicht mehr? Hier hatte ich vergessen, den Hofraths-Titel herzu- beten, und auf diese Art hatte ich den Meister vol- lends außer Fassung gebracht. "Ja, ja, sagte er, Sie sind Laukhard: "ist mir Lieb, Sie zu sehen: aber pardonniren Sie, ich hab' Geschäfte!" -- Sapper- ment, wie mich das Ding ärgerte! in die Augen hätt' ich ihm spucken mögen. -- "Ich habe, fuhr er fort, von ihren Switen gehört: der Kanzler Koch hat mirs nach Helmstädt geschrieben." So! erwie- derte ich: wahrscheinlich wollte er Ihnen die Mähr- chen wieder vergelten, die Sie ihm in Gießen so reichlich zutrugen. Hat er Ihnen vielleicht auch sein Heft übers Kanonikum von Böhmer geschickt, daß Sie es damit machen können, wie Sie es mit dem Gatzertischen s) gemacht haben?" Mein Mann er- boßte, und lief in seine Stube, und ich -- schob ab. Auf dem Keller erzählte ich, wie billig, die ganze Historie mit allem Kolorit, den Studenten: diese murrten gewaltig. "Es ist 'n Schl**, sagte der
s) Man muß wissen, daß Schnauberts berufener Kom- mentar über das Kompendium juris feudalis weiter nichts ist, als die Vorlesungen des gelehrten Herrn Gatzert.
mich mehr als einmal verdient gemacht hatte. Ich trat alſo an ſeine Thuͤr und klopfte; Herr Schnau- bert kam heraus: „Was will Er?“ — Ei, ei, Herr Profeſſor, Sie kennen mich wohl nicht mehr? Hier hatte ich vergeſſen, den Hofraths-Titel herzu- beten, und auf dieſe Art hatte ich den Meiſter vol- lends außer Faſſung gebracht. „Ja, ja, ſagte er, Sie ſind Laukhard: „iſt mir Lieb, Sie zu ſehen: aber pardonniren Sie, ich hab' Geſchaͤfte!“ — Sapper- ment, wie mich das Ding aͤrgerte! in die Augen haͤtt' ich ihm ſpucken moͤgen. — „Ich habe, fuhr er fort, von ihren Switen gehoͤrt: der Kanzler Koch hat mirs nach Helmſtaͤdt geſchrieben.“ So! erwie- derte ich: wahrſcheinlich wollte er Ihnen die Maͤhr- chen wieder vergelten, die Sie ihm in Gießen ſo reichlich zutrugen. Hat er Ihnen vielleicht auch ſein Heft uͤbers Kanonikum von Boͤhmer geſchickt, daß Sie es damit machen koͤnnen, wie Sie es mit dem Gatzertiſchen s) gemacht haben?“ Mein Mann er- boßte, und lief in ſeine Stube, und ich — ſchob ab. Auf dem Keller erzaͤhlte ich, wie billig, die ganze Hiſtorie mit allem Kolorit, den Studenten: dieſe murrten gewaltig. „Es iſt 'n Schl**, ſagte der
s) Man muß wiſſen, daß Schnauberts berufener Kom- mentar uͤber das Kompendium juris feudalis weiter nichts iſt, als die Vorleſungen des gelehrten Herrn Gatzert.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0335"n="323[333]"/>
mich mehr als einmal verdient gemacht hatte. Ich<lb/>
trat alſo an ſeine Thuͤr und klopfte; Herr Schnau-<lb/>
bert kam heraus: „Was will Er?“— Ei, ei,<lb/>
Herr Profeſſor, Sie kennen mich wohl nicht mehr?<lb/>
Hier hatte ich vergeſſen, den Hofraths-Titel herzu-<lb/>
beten, und auf dieſe Art hatte ich den Meiſter vol-<lb/>
lends außer Faſſung gebracht. „Ja, ja, ſagte er,<lb/>
Sie ſind Laukhard: „iſt mir Lieb, Sie zu ſehen: aber<lb/>
pardonniren Sie, ich hab' Geſchaͤfte!“— Sapper-<lb/>
ment, wie mich das Ding aͤrgerte! in die Augen<lb/>
haͤtt' ich ihm ſpucken moͤgen. —„Ich habe, fuhr er<lb/>
fort, von ihren Switen gehoͤrt: der Kanzler Koch<lb/>
hat mirs nach Helmſtaͤdt geſchrieben.“ So! erwie-<lb/>
derte ich: wahrſcheinlich wollte er Ihnen die Maͤhr-<lb/>
chen wieder vergelten, die Sie ihm in Gießen ſo<lb/>
reichlich zutrugen. Hat er Ihnen vielleicht auch ſein<lb/>
Heft uͤbers Kanonikum von Boͤhmer geſchickt, daß<lb/>
Sie es damit machen koͤnnen, wie Sie es mit dem<lb/>
Gatzertiſchen <noteplace="foot"n="s)">Man muß wiſſen, daß Schnauberts berufener Kom-<lb/>
mentar uͤber das Kompendium <hirendition="#aq">juris feudalis</hi> weiter<lb/>
nichts iſt, als die Vorleſungen des gelehrten Herrn<lb/><hirendition="#g">Gatzert</hi>.</note> gemacht haben?“ Mein Mann er-<lb/>
boßte, und lief in ſeine Stube, und ich —ſchob ab.<lb/>
Auf dem Keller erzaͤhlte ich, wie billig, die ganze<lb/>
Hiſtorie mit allem Kolorit, den Studenten: dieſe<lb/>
murrten gewaltig. „Es iſt 'n Schl**, ſagte der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[323[333]/0335]
mich mehr als einmal verdient gemacht hatte. Ich
trat alſo an ſeine Thuͤr und klopfte; Herr Schnau-
bert kam heraus: „Was will Er?“ — Ei, ei,
Herr Profeſſor, Sie kennen mich wohl nicht mehr?
Hier hatte ich vergeſſen, den Hofraths-Titel herzu-
beten, und auf dieſe Art hatte ich den Meiſter vol-
lends außer Faſſung gebracht. „Ja, ja, ſagte er,
Sie ſind Laukhard: „iſt mir Lieb, Sie zu ſehen: aber
pardonniren Sie, ich hab' Geſchaͤfte!“ — Sapper-
ment, wie mich das Ding aͤrgerte! in die Augen
haͤtt' ich ihm ſpucken moͤgen. — „Ich habe, fuhr er
fort, von ihren Switen gehoͤrt: der Kanzler Koch
hat mirs nach Helmſtaͤdt geſchrieben.“ So! erwie-
derte ich: wahrſcheinlich wollte er Ihnen die Maͤhr-
chen wieder vergelten, die Sie ihm in Gießen ſo
reichlich zutrugen. Hat er Ihnen vielleicht auch ſein
Heft uͤbers Kanonikum von Boͤhmer geſchickt, daß
Sie es damit machen koͤnnen, wie Sie es mit dem
Gatzertiſchen s) gemacht haben?“ Mein Mann er-
boßte, und lief in ſeine Stube, und ich — ſchob ab.
Auf dem Keller erzaͤhlte ich, wie billig, die ganze
Hiſtorie mit allem Kolorit, den Studenten: dieſe
murrten gewaltig. „Es iſt 'n Schl**, ſagte der
s) Man muß wiſſen, daß Schnauberts berufener Kom-
mentar uͤber das Kompendium juris feudalis weiter
nichts iſt, als die Vorleſungen des gelehrten Herrn
Gatzert.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 323[333]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/335>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.