Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Seine Schicksale hat er mir oft erzählt, wie er den
Venedigern, Franzosen und Spaniern gedient ha-
be, wie er als Schnurrant durch ganz Italien, die
Schweitz und Deutschland gereiset sey, in Heidel-
berg, Gießen und Göttingen Kollegia gehört habe,
u. s. w. Er war ein wahrer Aventurier, dessen Um-
gang allemal unterhaltend war, ob er gleich selbst
jene Wissenschaften bei weitem nicht besaß, die er zu
besitzen vorgab. Er war kein Badiggi, aber doch
zehnmal ehrlicher als Badiggi.

Bartolini gab hier in seiner Sprache Unter-
richt, und ernährte sich ganz ordentlich. Unser ge-
meinschaftliche Brodt-Erwerb verband uns noch
genauer, besonders da wir niemals in Kollision ka-
men, indem er ganz andre Lectionen gab, als ich.
Allein für mich hatte Bartolinis Umgang eben nicht
die besten Folgen. Freund Bartolini war stark an
die geistigen Getränke gewöhnt, und trank den Bran-
tewein wie Wasser. Ich habe ihn mehrmals bei
Schäfern auf dem Schlamm drei bis vier Nösel oder
zwei Kannen binnen sechs Stunden saufen gesehen,
ohne daß er stark wäre besoffen worden. Wollte ich
also seinen Umgang recht geniessen, so mußte ich die
Schnappskneipen auch besuchen, die er besuchte,
muste mich oft halbe Tage lang bei Schäfern oder
Tanneberg hinsetzen, und beim kleinen Glas philoso-
phiren. -- Ein gewisser Stantke, welcher eben-

Seine Schickſale hat er mir oft erzaͤhlt, wie er den
Venedigern, Franzoſen und Spaniern gedient ha-
be, wie er als Schnurrant durch ganz Italien, die
Schweitz und Deutſchland gereiſet ſey, in Heidel-
berg, Gießen und Goͤttingen Kollegia gehoͤrt habe,
u. ſ. w. Er war ein wahrer Aventurier, deſſen Um-
gang allemal unterhaltend war, ob er gleich ſelbſt
jene Wiſſenſchaften bei weitem nicht beſaß, die er zu
beſitzen vorgab. Er war kein Badiggi, aber doch
zehnmal ehrlicher als Badiggi.

Bartolini gab hier in ſeiner Sprache Unter-
richt, und ernaͤhrte ſich ganz ordentlich. Unſer ge-
meinſchaftliche Brodt-Erwerb verband uns noch
genauer, beſonders da wir niemals in Kolliſion ka-
men, indem er ganz andre Lectionen gab, als ich.
Allein fuͤr mich hatte Bartolinis Umgang eben nicht
die beſten Folgen. Freund Bartolini war ſtark an
die geiſtigen Getraͤnke gewoͤhnt, und trank den Bran-
tewein wie Waſſer. Ich habe ihn mehrmals bei
Schaͤfern auf dem Schlamm drei bis vier Noͤſel oder
zwei Kannen binnen ſechs Stunden ſaufen geſehen,
ohne daß er ſtark waͤre beſoffen worden. Wollte ich
alſo ſeinen Umgang recht genieſſen, ſo mußte ich die
Schnappskneipen auch beſuchen, die er beſuchte,
muſte mich oft halbe Tage lang bei Schaͤfern oder
Tanneberg hinſetzen, und beim kleinen Glas philoſo-
phiren. — Ein gewiſſer Stantke, welcher eben-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0303" n="291[301]"/>
Seine Schick&#x017F;ale hat er mir oft erza&#x0364;hlt, wie er den<lb/>
Venedigern, Franzo&#x017F;en und Spaniern gedient ha-<lb/>
be, wie er als Schnurrant durch ganz Italien, die<lb/>
Schweitz und Deut&#x017F;chland gerei&#x017F;et &#x017F;ey, in Heidel-<lb/>
berg, Gießen und Go&#x0364;ttingen Kollegia geho&#x0364;rt habe,<lb/>
u. &#x017F;. w. Er war ein wahrer Aventurier, de&#x017F;&#x017F;en Um-<lb/>
gang allemal unterhaltend war, ob er gleich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
jene Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften bei weitem nicht be&#x017F;aß, die er zu<lb/>
be&#x017F;itzen vorgab. Er war kein <hi rendition="#g">Badiggi</hi>, aber doch<lb/>
zehnmal ehrlicher als <hi rendition="#g">Badiggi</hi>.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Bartolini</hi> gab hier in &#x017F;einer Sprache Unter-<lb/>
richt, und erna&#x0364;hrte &#x017F;ich ganz ordentlich. Un&#x017F;er ge-<lb/>
mein&#x017F;chaftliche Brodt-Erwerb verband uns noch<lb/>
genauer, be&#x017F;onders da wir niemals in Kolli&#x017F;ion ka-<lb/>
men, indem er ganz andre Lectionen gab, als ich.<lb/>
Allein fu&#x0364;r mich hatte Bartolinis Umgang eben nicht<lb/>
die be&#x017F;ten Folgen. Freund Bartolini war &#x017F;tark an<lb/>
die gei&#x017F;tigen Getra&#x0364;nke gewo&#x0364;hnt, und trank den Bran-<lb/>
tewein wie Wa&#x017F;&#x017F;er. Ich habe ihn mehrmals bei<lb/>
Scha&#x0364;fern auf dem Schlamm drei bis vier No&#x0364;&#x017F;el oder<lb/>
zwei Kannen binnen &#x017F;echs Stunden &#x017F;aufen ge&#x017F;ehen,<lb/>
ohne daß er &#x017F;tark wa&#x0364;re be&#x017F;offen worden. Wollte ich<lb/>
al&#x017F;o &#x017F;einen Umgang recht genie&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o mußte ich die<lb/>
Schnappskneipen auch be&#x017F;uchen, die er be&#x017F;uchte,<lb/>
mu&#x017F;te mich oft halbe Tage lang bei Scha&#x0364;fern oder<lb/>
Tanneberg hin&#x017F;etzen, und beim kleinen Glas philo&#x017F;o-<lb/>
phiren. &#x2014; Ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#g">Stantke</hi>, welcher eben-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291[301]/0303] Seine Schickſale hat er mir oft erzaͤhlt, wie er den Venedigern, Franzoſen und Spaniern gedient ha- be, wie er als Schnurrant durch ganz Italien, die Schweitz und Deutſchland gereiſet ſey, in Heidel- berg, Gießen und Goͤttingen Kollegia gehoͤrt habe, u. ſ. w. Er war ein wahrer Aventurier, deſſen Um- gang allemal unterhaltend war, ob er gleich ſelbſt jene Wiſſenſchaften bei weitem nicht beſaß, die er zu beſitzen vorgab. Er war kein Badiggi, aber doch zehnmal ehrlicher als Badiggi. Bartolini gab hier in ſeiner Sprache Unter- richt, und ernaͤhrte ſich ganz ordentlich. Unſer ge- meinſchaftliche Brodt-Erwerb verband uns noch genauer, beſonders da wir niemals in Kolliſion ka- men, indem er ganz andre Lectionen gab, als ich. Allein fuͤr mich hatte Bartolinis Umgang eben nicht die beſten Folgen. Freund Bartolini war ſtark an die geiſtigen Getraͤnke gewoͤhnt, und trank den Bran- tewein wie Waſſer. Ich habe ihn mehrmals bei Schaͤfern auf dem Schlamm drei bis vier Noͤſel oder zwei Kannen binnen ſechs Stunden ſaufen geſehen, ohne daß er ſtark waͤre beſoffen worden. Wollte ich alſo ſeinen Umgang recht genieſſen, ſo mußte ich die Schnappskneipen auch beſuchen, die er beſuchte, muſte mich oft halbe Tage lang bei Schaͤfern oder Tanneberg hinſetzen, und beim kleinen Glas philoſo- phiren. — Ein gewiſſer Stantke, welcher eben-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/303
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 291[301]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/303>, abgerufen am 24.11.2024.