was Rechtens wäre. Als ich diese Nachricht hörte, hatte ich genug, und erklärte den Studenten, daß alle ihre Mühe verlohren wäre: es würde bleiben, wie es wäre.
Nachmittags schrieb mir auch Herr D. Sem- ler einen großen lateinischen Brief, welchen ich 1787 nebst mehr andern Schreibereien mit nach Hause nahm, und zu Wendelsheim zurück ließ. In diesem Briefe erschien das edle Herz des guten Mannes auf eine sehr sichtbare Weise. Ich hätte, schrieb er, dergleichen nicht unternehmen können, wenn ich nicht allen Glauben an die göttliche Vorsehung verlohren hätte: dieser Glaube sey das höchste Gut des Men- schen: man müsse ihn beibehalten, gesetzt auch, er sey Vorurtheil. Hätte ich mich in meinen übeln Umständen, die ihm nun recht gut bekannt wären, mich an ihn gewandt, so würde er wohl Wege zu meiner Beruhigung entweder selbst einge- schlagen, oder sie mir doch gewiesen haben. Indessen sey das nun einmal nicht mehr zu ändern; deswegen sollte ich auf eine Zeitlang Geduld haben, und er- warten und hoffen, daß alles könnte verbessert und für meine Ruhe gut eingerichtet werden. Auf ihn sollte ich mich immer verlassen: er würde mir immer Freund und Beistand seyn: se enim nemini esse alienum, multo minus ei, quem sciret esse in- f[ - 1 Zeichen fehlt]licem, quocunque modo adversa fuerit accita
was Rechtens waͤre. Als ich dieſe Nachricht hoͤrte, hatte ich genug, und erklaͤrte den Studenten, daß alle ihre Muͤhe verlohren waͤre: es wuͤrde bleiben, wie es waͤre.
Nachmittags ſchrieb mir auch Herr D. Sem- ler einen großen lateiniſchen Brief, welchen ich 1787 nebſt mehr andern Schreibereien mit nach Hauſe nahm, und zu Wendelsheim zuruͤck ließ. In dieſem Briefe erſchien das edle Herz des guten Mannes auf eine ſehr ſichtbare Weiſe. Ich haͤtte, ſchrieb er, dergleichen nicht unternehmen koͤnnen, wenn ich nicht allen Glauben an die goͤttliche Vorſehung verlohren haͤtte: dieſer Glaube ſey das hoͤchſte Gut des Men- ſchen: man muͤſſe ihn beibehalten, geſetzt auch, er ſey Vorurtheil. Haͤtte ich mich in meinen uͤbeln Umſtaͤnden, die ihm nun recht gut bekannt waͤren, mich an ihn gewandt, ſo wuͤrde er wohl Wege zu meiner Beruhigung entweder ſelbſt einge- ſchlagen, oder ſie mir doch gewieſen haben. Indeſſen ſey das nun einmal nicht mehr zu aͤndern; deswegen ſollte ich auf eine Zeitlang Geduld haben, und er- warten und hoffen, daß alles koͤnnte verbeſſert und fuͤr meine Ruhe gut eingerichtet werden. Auf ihn ſollte ich mich immer verlaſſen: er wuͤrde mir immer Freund und Beiſtand ſeyn: ſe enim nemini eſſe alienum, multo minus ei, quem ſciret eſſe in- f[ – 1 Zeichen fehlt]licem, quocunque modo adverſa fuerit accita
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[243[253]/0255]
was Rechtens waͤre. Als ich dieſe Nachricht hoͤrte,
hatte ich genug, und erklaͤrte den Studenten, daß
alle ihre Muͤhe verlohren waͤre: es wuͤrde bleiben,
wie es waͤre.
Nachmittags ſchrieb mir auch Herr D. Sem-
ler einen großen lateiniſchen Brief, welchen ich 1787
nebſt mehr andern Schreibereien mit nach Hauſe
nahm, und zu Wendelsheim zuruͤck ließ. In dieſem
Briefe erſchien das edle Herz des guten Mannes auf
eine ſehr ſichtbare Weiſe. Ich haͤtte, ſchrieb er,
dergleichen nicht unternehmen koͤnnen, wenn ich nicht
allen Glauben an die goͤttliche Vorſehung verlohren
haͤtte: dieſer Glaube ſey das hoͤchſte Gut des Men-
ſchen: man muͤſſe ihn beibehalten, geſetzt auch,
er ſey Vorurtheil. Haͤtte ich mich in meinen
uͤbeln Umſtaͤnden, die ihm nun recht gut bekannt
waͤren, mich an ihn gewandt, ſo wuͤrde er wohl
Wege zu meiner Beruhigung entweder ſelbſt einge-
ſchlagen, oder ſie mir doch gewieſen haben. Indeſſen
ſey das nun einmal nicht mehr zu aͤndern; deswegen
ſollte ich auf eine Zeitlang Geduld haben, und er-
warten und hoffen, daß alles koͤnnte verbeſſert und
fuͤr meine Ruhe gut eingerichtet werden. Auf ihn
ſollte ich mich immer verlaſſen: er wuͤrde mir immer
Freund und Beiſtand ſeyn: ſe enim nemini eſſe
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 243[253]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/255>, abgerufen am 24.11.2024.
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