ich sagte -- Ja. So war ich also angeworben. Nun ließ der Hauptmann einschenken, was das Zeug hielt, und da ich die Schnurre noch von der vorigen Nacht im Kopfe hatte, so war es natürlich, daß ich derb besoffen ward. Ich ging nach der großen Wachtstube, machte mit allen Soldaten, die da waren, Brüderschaft, und war nun seelenfroh, daß ich -- Soldat war. Die Nacht über schlief ich in der großen Wachtstube, und zwar auf der Prit- sche, obgleich Herr von Müffling mir in der Officier- stube ein Bette hatte bereiten lassen.
Man sollte denken, daß ich früh die Sachen anders, als den vorigen Abend angesehn, und mich derb über meinen unbesonnenen Schritt werde ge- kränkt haben. Das war aber nicht so: meine Stim- mung hatte sich nicht geändert, und als ich erwachte, freute ich mich noch immer über das, was ich gethan hatte. Das Grundgefühl von Rache, die Sehnsucht nach Ruhe, nebst der täuschenden Erwartung der Dinge, die jetzt alle kommen würden, unterhielten die Spannung meiner Seele, und versetzten mich zu sehr außer mir, als daß ich meinen damaligen gegenwärti- gen Zustand hätte nach der Wahrheit prüfen und werthigen können. Ich sprach mit dem Hauptmann so unbefangen, als wenn ich schon zehn Jahre bei den Soldaten gewesen wäre. Herr von Müffling freute sich über dies mein aufgeräumtes Wesen, und
ich ſagte — Ja. So war ich alſo angeworben. Nun ließ der Hauptmann einſchenken, was das Zeug hielt, und da ich die Schnurre noch von der vorigen Nacht im Kopfe hatte, ſo war es natuͤrlich, daß ich derb beſoffen ward. Ich ging nach der großen Wachtſtube, machte mit allen Soldaten, die da waren, Bruͤderſchaft, und war nun ſeelenfroh, daß ich — Soldat war. Die Nacht uͤber ſchlief ich in der großen Wachtſtube, und zwar auf der Prit- ſche, obgleich Herr von Muͤffling mir in der Officier- ſtube ein Bette hatte bereiten laſſen.
Man ſollte denken, daß ich fruͤh die Sachen anders, als den vorigen Abend angeſehn, und mich derb uͤber meinen unbeſonnenen Schritt werde ge- kraͤnkt haben. Das war aber nicht ſo: meine Stim- mung hatte ſich nicht geaͤndert, und als ich erwachte, freute ich mich noch immer uͤber das, was ich gethan hatte. Das Grundgefuͤhl von Rache, die Sehnſucht nach Ruhe, nebſt der taͤuſchenden Erwartung der Dinge, die jetzt alle kommen wuͤrden, unterhielten die Spannung meiner Seele, und verſetzten mich zu ſehr außer mir, als daß ich meinen damaligen gegenwaͤrti- gen Zuſtand haͤtte nach der Wahrheit pruͤfen und werthigen koͤnnen. Ich ſprach mit dem Hauptmann ſo unbefangen, als wenn ich ſchon zehn Jahre bei den Soldaten geweſen waͤre. Herr von Muͤffling freute ſich uͤber dies mein aufgeraͤumtes Weſen, und
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ich ſagte — Ja. So war ich alſo angeworben.
Nun ließ der Hauptmann einſchenken, was das
Zeug hielt, und da ich die Schnurre noch von der
vorigen Nacht im Kopfe hatte, ſo war es natuͤrlich,
daß ich derb beſoffen ward. Ich ging nach der
großen Wachtſtube, machte mit allen Soldaten, die
da waren, Bruͤderſchaft, und war nun ſeelenfroh,
daß ich — Soldat war. Die Nacht uͤber ſchlief ich
in der großen Wachtſtube, und zwar auf der Prit-
ſche, obgleich Herr von Muͤffling mir in der Officier-
ſtube ein Bette hatte bereiten laſſen.
Man ſollte denken, daß ich fruͤh die Sachen
anders, als den vorigen Abend angeſehn, und mich
derb uͤber meinen unbeſonnenen Schritt werde ge-
kraͤnkt haben. Das war aber nicht ſo: meine Stim-
mung hatte ſich nicht geaͤndert, und als ich erwachte,
freute ich mich noch immer uͤber das, was ich gethan
hatte. Das Grundgefuͤhl von Rache, die Sehnſucht
nach Ruhe, nebſt der taͤuſchenden Erwartung der
Dinge, die jetzt alle kommen wuͤrden, unterhielten die
Spannung meiner Seele, und verſetzten mich zu ſehr
außer mir, als daß ich meinen damaligen gegenwaͤrti-
gen Zuſtand haͤtte nach der Wahrheit pruͤfen und
werthigen koͤnnen. Ich ſprach mit dem Hauptmann
ſo unbefangen, als wenn ich ſchon zehn Jahre bei
den Soldaten geweſen waͤre. Herr von Muͤffling
freute ſich uͤber dies mein aufgeraͤumtes Weſen, und
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 238[248]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/250>, abgerufen am 28.11.2024.
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