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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Unter diesen Umständen wünschte ich mich wie-
der in die Pfalz zurück, und bedaurte, daß ich kein
Bonzen- oder Talapoinen-Gehirn von der Natur
bekommen hatte.

Ich rannte nach Haus, als ich dies gehört
hatte, -- ich hörte es auf der Straße -- es war
ohngefähr den 6ten Dezember 1783, -- und schrieb
einen äusserst heftigen Brief an meinen Vater, dem
ich einen an meinen Bruder beischloß. Daß ich im
letztern schröcklich loszog, vermuthet jeder. Ich bat
um schleunige Antwort, und setzte dazu den 21sten
Dezember fest. Würde ich in dieser Zeit keinen Brief
erhalten und kein Geld, so müste ich das äußerste
wagen: es käme auf sie an, ob sie mich retten woll-
ten, oder nicht. -- Bitten konnte ich nicht mehr,
blos trotzen und rasen. Solch abscheuliche Briefe
sind noch niemals aus meiner Feder geflossen. Früh
schickte ich sie auf die Post, und schien mir selbst
ruhiger zu seyn.

Indessen ward ich krank, und mußte einen Arzt
haben. Der Chirurgus Noskovius hielt meine
Krankheit für ein Faulfieber: aber er irrte. Ich
mußte aber einen Arzt haben. Goldhagen kannte
ich noch nicht: ich schickte also zu einem gewissen an-
dern Herrn, und ließ ihn bitten, mich zu besuchen.
Es hieß, er wäre nicht zu Hause: ich jagte die Auf-
wärterin in einem Tage wohl zehnmal hin, aber der

Unter dieſen Umſtaͤnden wuͤnſchte ich mich wie-
der in die Pfalz zuruͤck, und bedaurte, daß ich kein
Bonzen- oder Talapoinen-Gehirn von der Natur
bekommen hatte.

Ich rannte nach Haus, als ich dies gehoͤrt
hatte, — ich hoͤrte es auf der Straße — es war
ohngefaͤhr den 6ten Dezember 1783, — und ſchrieb
einen aͤuſſerſt heftigen Brief an meinen Vater, dem
ich einen an meinen Bruder beiſchloß. Daß ich im
letztern ſchroͤcklich loszog, vermuthet jeder. Ich bat
um ſchleunige Antwort, und ſetzte dazu den 21ſten
Dezember feſt. Wuͤrde ich in dieſer Zeit keinen Brief
erhalten und kein Geld, ſo muͤſte ich das aͤußerſte
wagen: es kaͤme auf ſie an, ob ſie mich retten woll-
ten, oder nicht. — Bitten konnte ich nicht mehr,
blos trotzen und raſen. Solch abſcheuliche Briefe
ſind noch niemals aus meiner Feder gefloſſen. Fruͤh
ſchickte ich ſie auf die Poſt, und ſchien mir ſelbſt
ruhiger zu ſeyn.

Indeſſen ward ich krank, und mußte einen Arzt
haben. Der Chirurgus Noskovius hielt meine
Krankheit fuͤr ein Faulfieber: aber er irrte. Ich
mußte aber einen Arzt haben. Goldhagen kannte
ich noch nicht: ich ſchickte alſo zu einem gewiſſen an-
dern Herrn, und ließ ihn bitten, mich zu beſuchen.
Es hieß, er waͤre nicht zu Hauſe: ich jagte die Auf-
waͤrterin in einem Tage wohl zehnmal hin, aber der

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[236/0238] Unter dieſen Umſtaͤnden wuͤnſchte ich mich wie- der in die Pfalz zuruͤck, und bedaurte, daß ich kein Bonzen- oder Talapoinen-Gehirn von der Natur bekommen hatte. Ich rannte nach Haus, als ich dies gehoͤrt hatte, — ich hoͤrte es auf der Straße — es war ohngefaͤhr den 6ten Dezember 1783, — und ſchrieb einen aͤuſſerſt heftigen Brief an meinen Vater, dem ich einen an meinen Bruder beiſchloß. Daß ich im letztern ſchroͤcklich loszog, vermuthet jeder. Ich bat um ſchleunige Antwort, und ſetzte dazu den 21ſten Dezember feſt. Wuͤrde ich in dieſer Zeit keinen Brief erhalten und kein Geld, ſo muͤſte ich das aͤußerſte wagen: es kaͤme auf ſie an, ob ſie mich retten woll- ten, oder nicht. — Bitten konnte ich nicht mehr, blos trotzen und raſen. Solch abſcheuliche Briefe ſind noch niemals aus meiner Feder gefloſſen. Fruͤh ſchickte ich ſie auf die Poſt, und ſchien mir ſelbſt ruhiger zu ſeyn. Indeſſen ward ich krank, und mußte einen Arzt haben. Der Chirurgus Noskovius hielt meine Krankheit fuͤr ein Faulfieber: aber er irrte. Ich mußte aber einen Arzt haben. Goldhagen kannte ich noch nicht: ich ſchickte alſo zu einem gewiſſen an- dern Herrn, und ließ ihn bitten, mich zu beſuchen. Es hieß, er waͤre nicht zu Hauſe: ich jagte die Auf- waͤrterin in einem Tage wohl zehnmal hin, aber der

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/238>, abgerufen am 25.11.2024.