Schneider Thieme zur Thür hinaus schmiß. Die Kerls liefen nun hin zum Prorector; allein da wur- den sie mit dem alten Weidspruche abgewiesen: wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Dieses mußte ich mir dann wider sagen lassen, und ärgerte mich nicht wenig.
Indessen setzte ich doch meine Vorlesungen fleis- sig fort: da es mir aber an Holz fehlte, auch das Auditorium zu heitzen, so verloren sich meine Zuhö- rer nach und nach. Die Studenten hatten sich zwar zum Holzgelde unterschrieben: allein nur wenige zahl- ten; und das Bissel Holz, welches für das wenige Geld angeschaft werden konnte, war gar bald ver- brannt, zumal, da ich das Einheitzen durch Leute mußte geschehen lassen, welche mich derb prellten. Was Wunder, wenn nun der eine Student -- wie ich es selbst gehört habe -- zum andern sagte: gern ging ich in Laukhards Reichshistorie: er gefällt mir besser, als der --; aber es ist zu kalt in seinem Kollegium: man möchte das Fieber kriegen: -- und der andre dann replicirte: es ist Schade, daß der Mann so in Noth ist: hätt' ich Geld, ich kauf- te ihm Holz. -- Wie gesagt, ich hörte dies von ohngefähr, und hörte hintendrein noch eine weit- läuftige Beschreibung meiner fatalen Lage, welche durchaus wahr aber desto schmerzhafter für mich war.
Schneider Thieme zur Thuͤr hinaus ſchmiß. Die Kerls liefen nun hin zum Prorector; allein da wur- den ſie mit dem alten Weidſpruche abgewieſen: wo nichts iſt, hat der Kaiſer ſein Recht verloren. Dieſes mußte ich mir dann wider ſagen laſſen, und aͤrgerte mich nicht wenig.
Indeſſen ſetzte ich doch meine Vorleſungen fleiſ- ſig fort: da es mir aber an Holz fehlte, auch das Auditorium zu heitzen, ſo verloren ſich meine Zuhoͤ- rer nach und nach. Die Studenten hatten ſich zwar zum Holzgelde unterſchrieben: allein nur wenige zahl- ten; und das Biſſel Holz, welches fuͤr das wenige Geld angeſchaft werden konnte, war gar bald ver- brannt, zumal, da ich das Einheitzen durch Leute mußte geſchehen laſſen, welche mich derb prellten. Was Wunder, wenn nun der eine Student — wie ich es ſelbſt gehoͤrt habe — zum andern ſagte: gern ging ich in Laukhards Reichshiſtorie: er gefaͤllt mir beſſer, als der —; aber es iſt zu kalt in ſeinem Kollegium: man moͤchte das Fieber kriegen: — und der andre dann replicirte: es iſt Schade, daß der Mann ſo in Noth iſt: haͤtt' ich Geld, ich kauf- te ihm Holz. — Wie geſagt, ich hoͤrte dies von ohngefaͤhr, und hoͤrte hintendrein noch eine weit- laͤuftige Beſchreibung meiner fatalen Lage, welche durchaus wahr aber deſto ſchmerzhafter fuͤr mich war.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0237"n="235"/>
Schneider <hirendition="#g">Thieme</hi> zur Thuͤr hinaus ſchmiß. Die<lb/>
Kerls liefen nun hin zum Prorector; allein da wur-<lb/>
den ſie mit dem alten Weidſpruche abgewieſen: wo<lb/>
nichts iſt, hat der Kaiſer ſein Recht verloren. Dieſes<lb/>
mußte ich mir dann wider ſagen laſſen, und aͤrgerte<lb/>
mich nicht wenig.</p><lb/><p>Indeſſen ſetzte ich doch meine Vorleſungen fleiſ-<lb/>ſig fort: da es mir aber an Holz fehlte, auch das<lb/>
Auditorium zu heitzen, ſo verloren ſich meine Zuhoͤ-<lb/>
rer nach und nach. Die Studenten hatten ſich zwar<lb/>
zum Holzgelde unterſchrieben: allein nur wenige zahl-<lb/>
ten; und das Biſſel Holz, welches fuͤr das wenige<lb/>
Geld angeſchaft werden konnte, war gar bald ver-<lb/>
brannt, zumal, da ich das Einheitzen durch Leute<lb/>
mußte geſchehen laſſen, welche mich derb prellten.<lb/>
Was Wunder, wenn nun der eine Student — wie<lb/>
ich es ſelbſt gehoͤrt habe — zum andern ſagte: gern<lb/>
ging ich in Laukhards Reichshiſtorie: er gefaͤllt mir<lb/>
beſſer, als der —; aber es iſt zu kalt in ſeinem<lb/>
Kollegium: man moͤchte das Fieber kriegen: — und<lb/>
der andre dann replicirte: es iſt Schade, daß der<lb/>
Mann ſo in Noth iſt: haͤtt' ich Geld, ich kauf-<lb/>
te ihm Holz. — Wie geſagt, ich hoͤrte dies von<lb/>
ohngefaͤhr, und hoͤrte hintendrein noch eine weit-<lb/>
laͤuftige Beſchreibung meiner fatalen Lage, welche<lb/>
durchaus wahr aber deſto ſchmerzhafter fuͤr mich<lb/>
war.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[235/0237]
Schneider Thieme zur Thuͤr hinaus ſchmiß. Die
Kerls liefen nun hin zum Prorector; allein da wur-
den ſie mit dem alten Weidſpruche abgewieſen: wo
nichts iſt, hat der Kaiſer ſein Recht verloren. Dieſes
mußte ich mir dann wider ſagen laſſen, und aͤrgerte
mich nicht wenig.
Indeſſen ſetzte ich doch meine Vorleſungen fleiſ-
ſig fort: da es mir aber an Holz fehlte, auch das
Auditorium zu heitzen, ſo verloren ſich meine Zuhoͤ-
rer nach und nach. Die Studenten hatten ſich zwar
zum Holzgelde unterſchrieben: allein nur wenige zahl-
ten; und das Biſſel Holz, welches fuͤr das wenige
Geld angeſchaft werden konnte, war gar bald ver-
brannt, zumal, da ich das Einheitzen durch Leute
mußte geſchehen laſſen, welche mich derb prellten.
Was Wunder, wenn nun der eine Student — wie
ich es ſelbſt gehoͤrt habe — zum andern ſagte: gern
ging ich in Laukhards Reichshiſtorie: er gefaͤllt mir
beſſer, als der —; aber es iſt zu kalt in ſeinem
Kollegium: man moͤchte das Fieber kriegen: — und
der andre dann replicirte: es iſt Schade, daß der
Mann ſo in Noth iſt: haͤtt' ich Geld, ich kauf-
te ihm Holz. — Wie geſagt, ich hoͤrte dies von
ohngefaͤhr, und hoͤrte hintendrein noch eine weit-
laͤuftige Beſchreibung meiner fatalen Lage, welche
durchaus wahr aber deſto ſchmerzhafter fuͤr mich
war.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/237>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.