denten, mit denen sie schmaußte. Als sie mich er- blickte, sprang sie auf, umarmte mich mit der größten Frechheit, und führte mich auf die Bank neben sich. Die Kusinen kamen dazu. Ich konnte nicht reden, bis die Reflexion, daß ich mich durch Vorwürfe lächerlich machen würde, meinen Unwil- len besiegte. Jetzt sucht' ich mein lustiges Wesen hervor, und schäkerte mit Mamsell Dorchen und ihren Kusinen; ja ich konnte sie sogar nach Halle begleiten, am Arme führen, küssen, u. dgl.
Zu Hause überlegte ich die Beleidigung, und beschloß, geradezu zu brechen. Ich schrieb einen Brief an Dorchen, und sagte ihr derbe Wahrheiten, und bath, ferner nicht an mich zu denken. Das war ein erzdummer Streich, den ich nicht hätte spielen sollen! Verachtung und nicht Empfindlichkeit muß man bei dergleichen Gelegenheiten zeigen. Jung- fer Dore schrieb mir wieder: meine Vorwürfe seyen zwar ungerecht, doch aber sey sie froh, daß sie mei- ner los wäre: es hätte aus uns ohnedies nichts wer- den können: sie möchte keine Liebste eines Menschen seyn, der sie doch nimmermehr nehmen könnte u. s. w. Bald hernach hörte ich, daß Mamsell Dorchen aus- sprengte, ich hätte um sie angehalten; aber den Korb bekommen. Das war mir schon recht! Wer hieß mich so einen tollen Roman anzufangen? -- Welch ein Unterschied zwischen einer so feilen Nymphe und
denten, mit denen ſie ſchmaußte. Als ſie mich er- blickte, ſprang ſie auf, umarmte mich mit der groͤßten Frechheit, und fuͤhrte mich auf die Bank neben ſich. Die Kuſinen kamen dazu. Ich konnte nicht reden, bis die Reflexion, daß ich mich durch Vorwuͤrfe laͤcherlich machen wuͤrde, meinen Unwil- len beſiegte. Jetzt ſucht' ich mein luſtiges Weſen hervor, und ſchaͤkerte mit Mamſell Dorchen und ihren Kuſinen; ja ich konnte ſie ſogar nach Halle begleiten, am Arme fuͤhren, kuͤſſen, u. dgl.
Zu Hauſe uͤberlegte ich die Beleidigung, und beſchloß, geradezu zu brechen. Ich ſchrieb einen Brief an Dorchen, und ſagte ihr derbe Wahrheiten, und bath, ferner nicht an mich zu denken. Das war ein erzdummer Streich, den ich nicht haͤtte ſpielen ſollen! Verachtung und nicht Empfindlichkeit muß man bei dergleichen Gelegenheiten zeigen. Jung- fer Dore ſchrieb mir wieder: meine Vorwuͤrfe ſeyen zwar ungerecht, doch aber ſey ſie froh, daß ſie mei- ner los waͤre: es haͤtte aus uns ohnedies nichts wer- den koͤnnen: ſie moͤchte keine Liebſte eines Menſchen ſeyn, der ſie doch nimmermehr nehmen koͤnnte u. ſ. w. Bald hernach hoͤrte ich, daß Mamſell Dorchen aus- ſprengte, ich haͤtte um ſie angehalten; aber den Korb bekommen. Das war mir ſchon recht! Wer hieß mich ſo einen tollen Roman anzufangen? — Welch ein Unterſchied zwiſchen einer ſo feilen Nymphe und
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denten, mit denen ſie ſchmaußte. Als ſie mich er-
blickte, ſprang ſie auf, umarmte mich mit der
groͤßten Frechheit, und fuͤhrte mich auf die Bank
neben ſich. Die Kuſinen kamen dazu. Ich konnte
nicht reden, bis die Reflexion, daß ich mich durch
Vorwuͤrfe laͤcherlich machen wuͤrde, meinen Unwil-
len beſiegte. Jetzt ſucht' ich mein luſtiges Weſen
hervor, und ſchaͤkerte mit Mamſell Dorchen und
ihren Kuſinen; ja ich konnte ſie ſogar nach Halle
begleiten, am Arme fuͤhren, kuͤſſen, u. dgl.
Zu Hauſe uͤberlegte ich die Beleidigung, und
beſchloß, geradezu zu brechen. Ich ſchrieb einen
Brief an Dorchen, und ſagte ihr derbe Wahrheiten,
und bath, ferner nicht an mich zu denken. Das
war ein erzdummer Streich, den ich nicht haͤtte
ſpielen ſollen! Verachtung und nicht Empfindlichkeit
muß man bei dergleichen Gelegenheiten zeigen. Jung-
fer Dore ſchrieb mir wieder: meine Vorwuͤrfe ſeyen
zwar ungerecht, doch aber ſey ſie froh, daß ſie mei-
ner los waͤre: es haͤtte aus uns ohnedies nichts wer-
den koͤnnen: ſie moͤchte keine Liebſte eines Menſchen
ſeyn, der ſie doch nimmermehr nehmen koͤnnte u. ſ. w.
Bald hernach hoͤrte ich, daß Mamſell Dorchen aus-
ſprengte, ich haͤtte um ſie angehalten; aber den Korb
bekommen. Das war mir ſchon recht! Wer hieß
mich ſo einen tollen Roman anzufangen? — Welch
ein Unterſchied zwiſchen einer ſo feilen Nymphe und
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/221>, abgerufen am 27.11.2024.
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