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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Petimäterwesen gehaßt, konnte mich deshalben we-
der in die Komplimente noch in die Gespräche der
schönen Welt schicken: und so würde ich aller Orten,
wo ich zur feinen Welt gekommen wäre, das fünfte
Rad am Wagen gewesen seyn. -- Ein hiesiges
Frauenzimmer sagte mir einmal unter die Augen, daß
ich in der feinen Monde niemals mein Fortune ma-
chen würde, weil mir das bel air fehlte. Aber statt
über die richtige Bemerkung dieser Dame nachzuden-
ken, fiel mir es nur auf, daß sie deutsch und fran-
zösisch untereinander sprach. So geht es aber in
der Welt! Man gewöhnt sich aus studentischem He-
roismus einen ungeschliffenen Ton an, und behält
ihn hernach immer, weil man sich schämt, den ein-
mal angenommenen Ton abzulegen, oder weil man
keine Gelegenheit mehr hat, sich abzufeilen. -- Ich
war von Jugend auf selten unter feinen Leuten ge-
wesen: Vornehme hatte ich zwar mehrmals um mich
gehabt, und war mit Vornehmen auch umgegangen;
allein die waren entweder selbst nicht fein, oder zeig-
ten damals, als ich mit ihnen umging, ihre Fein-
heit nicht: und wenn sie es auch gethan hätten,
so würde ich gelacht und ihre Gesellschaft vermieden
haben.

In meiner Jugend war ich unter rohen Leuten
aufgewachsen, hatte hernach auf einer äußerst rüden
Akademie meine Bildung gesucht, war dem Burschen-

Petimaͤterweſen gehaßt, konnte mich deshalben we-
der in die Komplimente noch in die Geſpraͤche der
ſchoͤnen Welt ſchicken: und ſo wuͤrde ich aller Orten,
wo ich zur feinen Welt gekommen waͤre, das fuͤnfte
Rad am Wagen geweſen ſeyn. — Ein hieſiges
Frauenzimmer ſagte mir einmal unter die Augen, daß
ich in der feinen Monde niemals mein Fortune ma-
chen wuͤrde, weil mir das bel air fehlte. Aber ſtatt
uͤber die richtige Bemerkung dieſer Dame nachzuden-
ken, fiel mir es nur auf, daß ſie deutſch und fran-
zoͤſiſch untereinander ſprach. So geht es aber in
der Welt! Man gewoͤhnt ſich aus ſtudentiſchem He-
roismus einen ungeſchliffenen Ton an, und behaͤlt
ihn hernach immer, weil man ſich ſchaͤmt, den ein-
mal angenommenen Ton abzulegen, oder weil man
keine Gelegenheit mehr hat, ſich abzufeilen. — Ich
war von Jugend auf ſelten unter feinen Leuten ge-
weſen: Vornehme hatte ich zwar mehrmals um mich
gehabt, und war mit Vornehmen auch umgegangen;
allein die waren entweder ſelbſt nicht fein, oder zeig-
ten damals, als ich mit ihnen umging, ihre Fein-
heit nicht: und wenn ſie es auch gethan haͤtten,
ſo wuͤrde ich gelacht und ihre Geſellſchaft vermieden
haben.

In meiner Jugend war ich unter rohen Leuten
aufgewachſen, hatte hernach auf einer aͤußerſt ruͤden
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[213/0215] Petimaͤterweſen gehaßt, konnte mich deshalben we- der in die Komplimente noch in die Geſpraͤche der ſchoͤnen Welt ſchicken: und ſo wuͤrde ich aller Orten, wo ich zur feinen Welt gekommen waͤre, das fuͤnfte Rad am Wagen geweſen ſeyn. — Ein hieſiges Frauenzimmer ſagte mir einmal unter die Augen, daß ich in der feinen Monde niemals mein Fortune ma- chen wuͤrde, weil mir das bel air fehlte. Aber ſtatt uͤber die richtige Bemerkung dieſer Dame nachzuden- ken, fiel mir es nur auf, daß ſie deutſch und fran- zoͤſiſch untereinander ſprach. So geht es aber in der Welt! Man gewoͤhnt ſich aus ſtudentiſchem He- roismus einen ungeſchliffenen Ton an, und behaͤlt ihn hernach immer, weil man ſich ſchaͤmt, den ein- mal angenommenen Ton abzulegen, oder weil man keine Gelegenheit mehr hat, ſich abzufeilen. — Ich war von Jugend auf ſelten unter feinen Leuten ge- weſen: Vornehme hatte ich zwar mehrmals um mich gehabt, und war mit Vornehmen auch umgegangen; allein die waren entweder ſelbſt nicht fein, oder zeig- ten damals, als ich mit ihnen umging, ihre Fein- heit nicht: und wenn ſie es auch gethan haͤtten, ſo wuͤrde ich gelacht und ihre Geſellſchaft vermieden haben. In meiner Jugend war ich unter rohen Leuten aufgewachſen, hatte hernach auf einer aͤußerſt ruͤden Akademie meine Bildung geſucht, war dem Burſchen-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/215>, abgerufen am 27.11.2024.