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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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fentlich zu bezeugen, wie viel ich Semlern schuldig
war, wie sehr ich ihn verehrte: und das that ich mit
einem mir sonst ungewöhnlichen Feuer. Ich konnte
dazu meinen zu Hause entworffenen Aufsatz nicht
brauchen, sondern ließ hier meiner Empfindung freien
Lauf, und diese bildete meinen Vortrag so glücklich,
daß ich mit mir in Absicht dessen, was ich Semlern
sagte, selbst zufrieden war. -- Herr Wald hat
auch recht artig opponirt.

Nun kam die Reihe an meinen Bruder, welcher
freilich ganz neue Argumente auftischte. Ich hatte
meine Dissertation dem Herrn von Oberndorf,
Kurpfälzischen ersten Staatsminister zugeschrieben,
und in der Dedication freilich Vorzüge an diesem
Herrn gerühmt, die ich ihm im Herzen selbst ab-
sprach. Allein das ist ja der Fall bei den meisten
Dedicationen! Mein Bruder griff also die Zuschrift
an, und zwar mit Argumenten von folgender Art:
Ein niederträchtiger Schmeichler ist ein Lügner, je-
ner bist du; folglich bist du auch dieser. Ich stutzte
gewaltig bei diesem Schluß, leugnete aber natürlich
den Untersatz; er indeß bewies ihn aus meiner Zu-
schrift. Ich hatte hier gesagt, Herr von Oberndorf
mache die Pfalz glücklich: mein Bruder führte meh-
rere Thatsachen an, woraus das Gegentheil erhellete,
und worüber die Zuhörer lachten. Ich hatte ferner
gesagt, Herr von Oberndorf sorge für die Heidelber-

fentlich zu bezeugen, wie viel ich Semlern ſchuldig
war, wie ſehr ich ihn verehrte: und das that ich mit
einem mir ſonſt ungewoͤhnlichen Feuer. Ich konnte
dazu meinen zu Hauſe entworffenen Aufſatz nicht
brauchen, ſondern ließ hier meiner Empfindung freien
Lauf, und dieſe bildete meinen Vortrag ſo gluͤcklich,
daß ich mit mir in Abſicht deſſen, was ich Semlern
ſagte, ſelbſt zufrieden war. — Herr Wald hat
auch recht artig opponirt.

Nun kam die Reihe an meinen Bruder, welcher
freilich ganz neue Argumente auftiſchte. Ich hatte
meine Diſſertation dem Herrn von Oberndorf,
Kurpfaͤlziſchen erſten Staatsminiſter zugeſchrieben,
und in der Dedication freilich Vorzuͤge an dieſem
Herrn geruͤhmt, die ich ihm im Herzen ſelbſt ab-
ſprach. Allein das iſt ja der Fall bei den meiſten
Dedicationen! Mein Bruder griff alſo die Zuſchrift
an, und zwar mit Argumenten von folgender Art:
Ein niedertraͤchtiger Schmeichler iſt ein Luͤgner, je-
ner biſt du; folglich biſt du auch dieſer. Ich ſtutzte
gewaltig bei dieſem Schluß, leugnete aber natuͤrlich
den Unterſatz; er indeß bewies ihn aus meiner Zu-
ſchrift. Ich hatte hier geſagt, Herr von Oberndorf
mache die Pfalz gluͤcklich: mein Bruder fuͤhrte meh-
rere Thatſachen an, woraus das Gegentheil erhellete,
und woruͤber die Zuhoͤrer lachten. Ich hatte ferner
geſagt, Herr von Oberndorf ſorge fuͤr die Heidelber-

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[169/0171] fentlich zu bezeugen, wie viel ich Semlern ſchuldig war, wie ſehr ich ihn verehrte: und das that ich mit einem mir ſonſt ungewoͤhnlichen Feuer. Ich konnte dazu meinen zu Hauſe entworffenen Aufſatz nicht brauchen, ſondern ließ hier meiner Empfindung freien Lauf, und dieſe bildete meinen Vortrag ſo gluͤcklich, daß ich mit mir in Abſicht deſſen, was ich Semlern ſagte, ſelbſt zufrieden war. — Herr Wald hat auch recht artig opponirt. Nun kam die Reihe an meinen Bruder, welcher freilich ganz neue Argumente auftiſchte. Ich hatte meine Diſſertation dem Herrn von Oberndorf, Kurpfaͤlziſchen erſten Staatsminiſter zugeſchrieben, und in der Dedication freilich Vorzuͤge an dieſem Herrn geruͤhmt, die ich ihm im Herzen ſelbſt ab- ſprach. Allein das iſt ja der Fall bei den meiſten Dedicationen! Mein Bruder griff alſo die Zuſchrift an, und zwar mit Argumenten von folgender Art: Ein niedertraͤchtiger Schmeichler iſt ein Luͤgner, je- ner biſt du; folglich biſt du auch dieſer. Ich ſtutzte gewaltig bei dieſem Schluß, leugnete aber natuͤrlich den Unterſatz; er indeß bewies ihn aus meiner Zu- ſchrift. Ich hatte hier geſagt, Herr von Oberndorf mache die Pfalz gluͤcklich: mein Bruder fuͤhrte meh- rere Thatſachen an, woraus das Gegentheil erhellete, und woruͤber die Zuhoͤrer lachten. Ich hatte ferner geſagt, Herr von Oberndorf ſorge fuͤr die Heidelber-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/171>, abgerufen am 24.11.2024.