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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Früh um neun Uhr wurden wir vors Conci-
lium gefordert, wobei aber niemand als der Pro-
rector, Herr Woltär, und Herr Prof. Schulze
gegenwärtig waren. Ich und Schmitz wurden be-
sonders verhört. Schmitz sprach kein Wort; ich
desto mehr. Aber was halfs? Nach einigen Debat-
ten über unsre Unschuld u. dgl. sahen wir uns genö-
thigt, jeder 4 Rthl. 12 gl. Schleppgebühren für die
Herren Häscher auszuzahlen: und so waren wir wie-
der frei und so ehrlich als vorhin.

Kaum war ich und Schmitz in unsrer Woh-
nung angekommen, als schon Herrn Semlers Feyge
da war, und uns zu ihm in seinen Garten einlud.
Hier ließ sich der gute Mann sehr wider uns aus:
er nannte unser Betragen unwürdig, schlecht und
pöbelhaft: da galt auch nicht einmal die Ausflucht,
daß wir nicht gewust hätten, daß der Korb ein Hu-
renhaus wäre. Es sey sogar, sagte er, einem Man-
ne, der den Wissenschaften obliege, unanständig,
Wirthshäuser und Kneipen zu besuchen. Ich erin-
nere mich noch, daß er bei dieser Gelegenheit einige
bittere Anmerkungen über den Moralisten Bahrdt
anbrachte, der auch Kneipen und Bordelle besuchen
sollte. Und so gings fort in einem Schelten ohnge-
fähr eine Viertelstunde: denn wenn Semler einmal
ins Keifen kam, so konnte er das Ende nicht leicht
wieder finden. Indeß alle seine Bemerkungen tra-

Fruͤh um neun Uhr wurden wir vors Conci-
lium gefordert, wobei aber niemand als der Pro-
rector, Herr Woltaͤr, und Herr Prof. Schulze
gegenwaͤrtig waren. Ich und Schmitz wurden be-
ſonders verhoͤrt. Schmitz ſprach kein Wort; ich
deſto mehr. Aber was halfs? Nach einigen Debat-
ten uͤber unſre Unſchuld u. dgl. ſahen wir uns genoͤ-
thigt, jeder 4 Rthl. 12 gl. Schleppgebuͤhren fuͤr die
Herren Haͤſcher auszuzahlen: und ſo waren wir wie-
der frei und ſo ehrlich als vorhin.

Kaum war ich und Schmitz in unſrer Woh-
nung angekommen, als ſchon Herrn Semlers Feyge
da war, und uns zu ihm in ſeinen Garten einlud.
Hier ließ ſich der gute Mann ſehr wider uns aus:
er nannte unſer Betragen unwuͤrdig, ſchlecht und
poͤbelhaft: da galt auch nicht einmal die Ausflucht,
daß wir nicht gewuſt haͤtten, daß der Korb ein Hu-
renhaus waͤre. Es ſey ſogar, ſagte er, einem Man-
ne, der den Wiſſenſchaften obliege, unanſtaͤndig,
Wirthshaͤuſer und Kneipen zu beſuchen. Ich erin-
nere mich noch, daß er bei dieſer Gelegenheit einige
bittere Anmerkungen uͤber den Moraliſten Bahrdt
anbrachte, der auch Kneipen und Bordelle beſuchen
ſollte. Und ſo gings fort in einem Schelten ohnge-
faͤhr eine Viertelſtunde: denn wenn Semler einmal
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wieder finden. Indeß alle ſeine Bemerkungen tra-

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[158/0160] Fruͤh um neun Uhr wurden wir vors Conci- lium gefordert, wobei aber niemand als der Pro- rector, Herr Woltaͤr, und Herr Prof. Schulze gegenwaͤrtig waren. Ich und Schmitz wurden be- ſonders verhoͤrt. Schmitz ſprach kein Wort; ich deſto mehr. Aber was halfs? Nach einigen Debat- ten uͤber unſre Unſchuld u. dgl. ſahen wir uns genoͤ- thigt, jeder 4 Rthl. 12 gl. Schleppgebuͤhren fuͤr die Herren Haͤſcher auszuzahlen: und ſo waren wir wie- der frei und ſo ehrlich als vorhin. Kaum war ich und Schmitz in unſrer Woh- nung angekommen, als ſchon Herrn Semlers Feyge da war, und uns zu ihm in ſeinen Garten einlud. Hier ließ ſich der gute Mann ſehr wider uns aus: er nannte unſer Betragen unwuͤrdig, ſchlecht und poͤbelhaft: da galt auch nicht einmal die Ausflucht, daß wir nicht gewuſt haͤtten, daß der Korb ein Hu- renhaus waͤre. Es ſey ſogar, ſagte er, einem Man- ne, der den Wiſſenſchaften obliege, unanſtaͤndig, Wirthshaͤuſer und Kneipen zu beſuchen. Ich erin- nere mich noch, daß er bei dieſer Gelegenheit einige bittere Anmerkungen uͤber den Moraliſten Bahrdt anbrachte, der auch Kneipen und Bordelle beſuchen ſollte. Und ſo gings fort in einem Schelten ohnge- faͤhr eine Viertelſtunde: denn wenn Semler einmal ins Keifen kam, ſo konnte er das Ende nicht leicht wieder finden. Indeß alle ſeine Bemerkungen tra-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/160>, abgerufen am 24.11.2024.