derrieth er mir philosophisch-theologische Bücher zu lesen, bis ich erst den Mist hinlänglich aus der Ge- schichte kennen würde. Die Exegese lobte Semler; aber ohne große Kenntniß der alten christlichen Hi- storie sey auch Exegese ein sehr geringes Hülfsmittel, um in der eigentlichen Theologie klug zu werden.
Meine Leser verzeihen mir, daß ich so manche Urtheile des vortreflichen Semlers anführe: sie waren gewiß von ihm durchdacht, und verdienen allemal von Liebhabern der Theologie, die keine bloßen Nachbeter oder Systematiker seyn und bleiben wol- len, überlegt zu werden.
Semler empfahl mir, Vorlesungen zu halten. Man lernt da viel, sagte er, und fühlt die Lücken besser, als wenn man so blos für sich studirt: man setzt sich auch in den Principien fester. Er hob sogar die Schwierigkeiten, die ich ihm entgegenstell- te, und rieth mir, deutsche Reichshistorie vorzutra- gen. Semler wuste recht wohl, daß diese Historie viele Schwierigkeiten hat; aber er wuste auch, daß ich
Molfischen, Kantischen und andern theologischen Phi- losophen und philosophischen Historiker dienen zum Bei- spiel. Die Herren machens um kein Haar besser, als Duns Scotus, welcher schloß: Quicquid Deus potest facere, quodque cum decet facere, id et facit. Atqui matrem filii sui facere immacu- latam a labe originali etc. Ergo. --
derrieth er mir philoſophiſch-theologiſche Buͤcher zu leſen, bis ich erſt den Miſt hinlaͤnglich aus der Ge- ſchichte kennen wuͤrde. Die Exegeſe lobte Semler; aber ohne große Kenntniß der alten chriſtlichen Hi- ſtorie ſey auch Exegeſe ein ſehr geringes Huͤlfsmittel, um in der eigentlichen Theologie klug zu werden.
Meine Leſer verzeihen mir, daß ich ſo manche Urtheile des vortreflichen Semlers anfuͤhre: ſie waren gewiß von ihm durchdacht, und verdienen allemal von Liebhabern der Theologie, die keine bloßen Nachbeter oder Syſtematiker ſeyn und bleiben wol- len, uͤberlegt zu werden.
Semler empfahl mir, Vorleſungen zu halten. Man lernt da viel, ſagte er, und fuͤhlt die Luͤcken beſſer, als wenn man ſo blos fuͤr ſich ſtudirt: man ſetzt ſich auch in den Principien feſter. Er hob ſogar die Schwierigkeiten, die ich ihm entgegenſtell- te, und rieth mir, deutſche Reichshiſtorie vorzutra- gen. Semler wuſte recht wohl, daß dieſe Hiſtorie viele Schwierigkeiten hat; aber er wuſte auch, daß ich
Molfiſchen, Kantiſchen und andern theologiſchen Phi- loſophen und philoſophiſchen Hiſtoriker dienen zum Bei- ſpiel. Die Herren machens um kein Haar beſſer, als Duns Scotus, welcher ſchloß: Quicquid Deus poteſt facere, quodque cum decet facere, id et facit. Atqui matrem filii ſui facere immacu- latam a labe originali etc. Ergo. —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0140"n="138"/>
derrieth er mir philoſophiſch-theologiſche Buͤcher zu<lb/>
leſen, bis ich erſt den Miſt hinlaͤnglich aus der Ge-<lb/>ſchichte kennen wuͤrde. Die Exegeſe lobte Semler;<lb/>
aber ohne große Kenntniß der alten chriſtlichen Hi-<lb/>ſtorie ſey auch Exegeſe ein ſehr geringes Huͤlfsmittel,<lb/>
um in der eigentlichen Theologie klug zu werden.</p><lb/><p>Meine Leſer verzeihen mir, daß ich ſo manche<lb/>
Urtheile des vortreflichen <hirendition="#g">Semlers</hi> anfuͤhre: ſie<lb/>
waren gewiß von ihm durchdacht, und verdienen<lb/>
allemal von Liebhabern der Theologie, die keine bloßen<lb/>
Nachbeter oder Syſtematiker ſeyn und bleiben wol-<lb/>
len, uͤberlegt zu werden.</p><lb/><p><hirendition="#g">Semler</hi> empfahl mir, Vorleſungen zu halten.<lb/>
Man lernt da viel, ſagte er, und fuͤhlt die Luͤcken<lb/>
beſſer, als wenn man ſo blos fuͤr ſich ſtudirt: man<lb/>ſetzt ſich auch in den Principien feſter. Er hob<lb/>ſogar die Schwierigkeiten, die ich ihm entgegenſtell-<lb/>
te, und rieth mir, deutſche Reichshiſtorie vorzutra-<lb/>
gen. Semler wuſte recht wohl, daß dieſe Hiſtorie<lb/>
viele Schwierigkeiten hat; aber er wuſte auch, daß ich<lb/><notexml:id="note-0140"prev="#note-0139"place="foot"n="c)">Molfiſchen, Kantiſchen und andern theologiſchen Phi-<lb/>
loſophen und philoſophiſchen Hiſtoriker dienen zum Bei-<lb/>ſpiel. Die Herren machens um kein Haar beſſer, als<lb/><hirendition="#aq">Duns Scotus,</hi> welcher ſchloß: <hirendition="#aq">Quicquid Deus<lb/>
poteſt facere, quodque cum <hirendition="#g">decet</hi> facere, id<lb/>
et <hirendition="#g">facit</hi>. Atqui matrem filii ſui facere immacu-<lb/>
latam a labe originali etc. Ergo.</hi>—</note><lb/></p></div></body></text></TEI>
[138/0140]
derrieth er mir philoſophiſch-theologiſche Buͤcher zu
leſen, bis ich erſt den Miſt hinlaͤnglich aus der Ge-
ſchichte kennen wuͤrde. Die Exegeſe lobte Semler;
aber ohne große Kenntniß der alten chriſtlichen Hi-
ſtorie ſey auch Exegeſe ein ſehr geringes Huͤlfsmittel,
um in der eigentlichen Theologie klug zu werden.
Meine Leſer verzeihen mir, daß ich ſo manche
Urtheile des vortreflichen Semlers anfuͤhre: ſie
waren gewiß von ihm durchdacht, und verdienen
allemal von Liebhabern der Theologie, die keine bloßen
Nachbeter oder Syſtematiker ſeyn und bleiben wol-
len, uͤberlegt zu werden.
Semler empfahl mir, Vorleſungen zu halten.
Man lernt da viel, ſagte er, und fuͤhlt die Luͤcken
beſſer, als wenn man ſo blos fuͤr ſich ſtudirt: man
ſetzt ſich auch in den Principien feſter. Er hob
ſogar die Schwierigkeiten, die ich ihm entgegenſtell-
te, und rieth mir, deutſche Reichshiſtorie vorzutra-
gen. Semler wuſte recht wohl, daß dieſe Hiſtorie
viele Schwierigkeiten hat; aber er wuſte auch, daß ich
c)
c) Molfiſchen, Kantiſchen und andern theologiſchen Phi-
loſophen und philoſophiſchen Hiſtoriker dienen zum Bei-
ſpiel. Die Herren machens um kein Haar beſſer, als
Duns Scotus, welcher ſchloß: Quicquid Deus
poteſt facere, quodque cum decet facere, id
et facit. Atqui matrem filii ſui facere immacu-
latam a labe originali etc. Ergo. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/140>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.