sagte er, "wird aus dir nichts, hier verdirbst du an Leib und Seele, und ärgerst mich noch zu Tode!" -- Ich stellte ihm vor, daß noch lange nicht Ostern wä- ren, daß es Aufsehn erregen würde, ausser der An- trittszeit sich zur Universität zu begeben, u. s. w. Aber alle meine Vorstellungen waren vergebens: es blieb bei seinem Entschluß: kaum konnte ich noch acht Tage Aufschub erhalten, um von meinen nächsten Bekannten Abschied zu nehmen; - meine Therese sollt' ich durchaus nicht weiter besuchen. -- Das that mir freilich sehr wehe; aber die Erwartung der Dinge, welche ich nun bald auf der Universität erle- ben sollte, milderte meinen Schmerz, erheiterte meine Mine.
Mein Vater wollte mich selbst nach Gießen -- denn dahin sollte ich -- begleiten, damit ich unter- wegs keine dummen Händel vornehmen möchte. Trotz aller dieser Strenge schrieb ich aber doch einige Tage vor meinem Abzug noch an meine Therese, und erhielt eine recht zärtliche Antwort. Von Frankfurt am Main hab ich noch einmal an sie geschrieben.
Unterwegs gab mir mein Vater viele vortreffli- che Lehren; und ich würde gut gefahren seyn, wenn ich sie befolgt hätte: aber leider schon in Frankfurt vernachlässigte ich eine seiner Hauptvorschriften. In dieser Stadt diente ein Barbiergeselle aus meiner Gegend, den ich aufsuchte, weil mir seine Anver-
ſagte er, „wird aus dir nichts, hier verdirbſt du an Leib und Seele, und aͤrgerſt mich noch zu Tode!“ — Ich ſtellte ihm vor, daß noch lange nicht Oſtern waͤ- ren, daß es Aufſehn erregen wuͤrde, auſſer der An- trittszeit ſich zur Univerſitaͤt zu begeben, u. ſ. w. Aber alle meine Vorſtellungen waren vergebens: es blieb bei ſeinem Entſchluß: kaum konnte ich noch acht Tage Aufſchub erhalten, um von meinen naͤchſten Bekannten Abſchied zu nehmen; – meine Thereſe ſollt' ich durchaus nicht weiter beſuchen. — Das that mir freilich ſehr wehe; aber die Erwartung der Dinge, welche ich nun bald auf der Univerſitaͤt erle- ben ſollte, milderte meinen Schmerz, erheiterte meine Mine.
Mein Vater wollte mich ſelbſt nach Gießen — denn dahin ſollte ich — begleiten, damit ich unter- wegs keine dummen Haͤndel vornehmen moͤchte. Trotz aller dieſer Strenge ſchrieb ich aber doch einige Tage vor meinem Abzug noch an meine Thereſe, und erhielt eine recht zaͤrtliche Antwort. Von Frankfurt am Main hab ich noch einmal an ſie geſchrieben.
Unterwegs gab mir mein Vater viele vortreffli- che Lehren; und ich wuͤrde gut gefahren ſeyn, wenn ich ſie befolgt haͤtte: aber leider ſchon in Frankfurt vernachlaͤſſigte ich eine ſeiner Hauptvorſchriften. In dieſer Stadt diente ein Barbiergeſelle aus meiner Gegend, den ich aufſuchte, weil mir ſeine Anver-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0077"n="63"/>ſagte er, „wird aus dir nichts, hier verdirbſt du an<lb/>
Leib und Seele, und aͤrgerſt mich noch zu Tode!“—<lb/>
Ich ſtellte ihm vor, daß noch lange nicht Oſtern waͤ-<lb/>
ren, daß es Aufſehn erregen wuͤrde, auſſer der An-<lb/>
trittszeit ſich zur Univerſitaͤt zu begeben, u. ſ. w.<lb/>
Aber alle meine Vorſtellungen waren vergebens: es<lb/>
blieb bei ſeinem Entſchluß: kaum konnte ich noch acht<lb/>
Tage Aufſchub erhalten, um von meinen naͤchſten<lb/>
Bekannten Abſchied zu nehmen; – meine Thereſe<lb/>ſollt' ich durchaus nicht weiter beſuchen. — Das<lb/>
that mir freilich ſehr wehe; aber die Erwartung der<lb/>
Dinge, welche ich nun bald auf der Univerſitaͤt erle-<lb/>
ben ſollte, milderte meinen Schmerz, erheiterte<lb/>
meine Mine.</p><lb/><p>Mein Vater wollte mich ſelbſt nach Gießen —<lb/>
denn dahin ſollte ich — begleiten, damit ich unter-<lb/>
wegs keine dummen Haͤndel vornehmen moͤchte.<lb/>
Trotz aller dieſer Strenge ſchrieb ich aber doch einige<lb/>
Tage vor meinem Abzug noch an meine Thereſe, und<lb/>
erhielt eine recht zaͤrtliche Antwort. Von Frankfurt<lb/>
am Main hab ich noch einmal an ſie geſchrieben.</p><lb/><p>Unterwegs gab mir mein Vater viele vortreffli-<lb/>
che Lehren; und ich wuͤrde gut gefahren ſeyn, wenn<lb/>
ich ſie befolgt haͤtte: aber leider ſchon in Frankfurt<lb/>
vernachlaͤſſigte ich eine ſeiner Hauptvorſchriften. In<lb/>
dieſer Stadt diente ein Barbiergeſelle aus meiner<lb/>
Gegend, den ich aufſuchte, weil mir ſeine Anver-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[63/0077]
ſagte er, „wird aus dir nichts, hier verdirbſt du an
Leib und Seele, und aͤrgerſt mich noch zu Tode!“ —
Ich ſtellte ihm vor, daß noch lange nicht Oſtern waͤ-
ren, daß es Aufſehn erregen wuͤrde, auſſer der An-
trittszeit ſich zur Univerſitaͤt zu begeben, u. ſ. w.
Aber alle meine Vorſtellungen waren vergebens: es
blieb bei ſeinem Entſchluß: kaum konnte ich noch acht
Tage Aufſchub erhalten, um von meinen naͤchſten
Bekannten Abſchied zu nehmen; – meine Thereſe
ſollt' ich durchaus nicht weiter beſuchen. — Das
that mir freilich ſehr wehe; aber die Erwartung der
Dinge, welche ich nun bald auf der Univerſitaͤt erle-
ben ſollte, milderte meinen Schmerz, erheiterte
meine Mine.
Mein Vater wollte mich ſelbſt nach Gießen —
denn dahin ſollte ich — begleiten, damit ich unter-
wegs keine dummen Haͤndel vornehmen moͤchte.
Trotz aller dieſer Strenge ſchrieb ich aber doch einige
Tage vor meinem Abzug noch an meine Thereſe, und
erhielt eine recht zaͤrtliche Antwort. Von Frankfurt
am Main hab ich noch einmal an ſie geſchrieben.
Unterwegs gab mir mein Vater viele vortreffli-
che Lehren; und ich wuͤrde gut gefahren ſeyn, wenn
ich ſie befolgt haͤtte: aber leider ſchon in Frankfurt
vernachlaͤſſigte ich eine ſeiner Hauptvorſchriften. In
dieſer Stadt diente ein Barbiergeſelle aus meiner
Gegend, den ich aufſuchte, weil mir ſeine Anver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/77>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.