daß er selbst sein Leben mit Gift unterbrach, welches er zu diesem Gebrauch vielleicht schon lange bei sich geführt hatte. Er starb in schrecklichen Konvulsionen, und gestand demohngeachtet, daß er sich freuete, daß ihm seine Rache an dem Schurken, dem Hofprediger Herrenschneider, gelungen wäre. So italiänisch- unversöhnlich haßte dieser Mann Gottes in Deutsch- land! -- Er mußte über vier Wochen über der Erde liegen bleiben, weil die pfälzische Justiz ihren gewöhn- lichen Schneckengang auch hierbei ging: endlich ver- dammte ihn die Kammer zu Wezlar, nebst zwei Universitäten, zu einem Begräbniß unter -- dem Galgen!! n) -- Jezt wieder zu meiner eignen Ge- schichte!
Also, wie gesagt, mein Vater hinderte meine Liebschaft nicht: er ging sogar so weit, daß er mir von Landau, wohin er wegen seiner Alchymie gereiset war, ein Paar seidene Pariser Frauenzimmer-Hand- schuh mitbrachte, und sie mir mit den Worten über- reichte: "da hast'e was vor (für) dein Mensch!"o).
n) Der Hofprediger verließ bald darauf Grehweiler, ward Pfarrer zu Rappoltsweiler im Elsaß, und hernach zu Strasburg.
o) Die Sprache in der Pfalz ist, wie meine Leser hier sehen, eben nicht delikat: eine Geliebte heißt da, auch unter den Honoratorien - Mensch; der Liebhaber -- Borsch (Bursche).
daß er ſelbſt ſein Leben mit Gift unterbrach, welches er zu dieſem Gebrauch vielleicht ſchon lange bei ſich gefuͤhrt hatte. Er ſtarb in ſchrecklichen Konvulſionen, und geſtand demohngeachtet, daß er ſich freuete, daß ihm ſeine Rache an dem Schurken, dem Hofprediger Herrenſchneider, gelungen waͤre. So italiaͤniſch- unverſoͤhnlich haßte dieſer Mann Gottes in Deutſch- land! — Er mußte uͤber vier Wochen uͤber der Erde liegen bleiben, weil die pfaͤlziſche Juſtiz ihren gewoͤhn- lichen Schneckengang auch hierbei ging: endlich ver- dammte ihn die Kammer zu Wezlar, nebſt zwei Univerſitaͤten, zu einem Begraͤbniß unter — dem Galgen!! n) — Jezt wieder zu meiner eignen Ge- ſchichte!
Alſo, wie geſagt, mein Vater hinderte meine Liebſchaft nicht: er ging ſogar ſo weit, daß er mir von Landau, wohin er wegen ſeiner Alchymie gereiſet war, ein Paar ſeidene Pariſer Frauenzimmer-Hand- ſchuh mitbrachte, und ſie mir mit den Worten uͤber- reichte: „da haſt'e was vor (fuͤr) dein Menſch!“o).
n) Der Hofprediger verließ bald darauf Grehweiler, ward Pfarrer zu Rappoltsweiler im Elſaß, und hernach zu Strasburg.
o) Die Sprache in der Pfalz iſt, wie meine Leſer hier ſehen, eben nicht delikat: eine Geliebte heißt da, auch unter den Honoratorien – Menſch; der Liebhaber — Borſch (Burſche).
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daß er ſelbſt ſein Leben mit Gift unterbrach, welches
er zu dieſem Gebrauch vielleicht ſchon lange bei ſich
gefuͤhrt hatte. Er ſtarb in ſchrecklichen Konvulſionen,
und geſtand demohngeachtet, daß er ſich freuete, daß
ihm ſeine Rache an dem Schurken, dem Hofprediger
Herrenſchneider, gelungen waͤre. So italiaͤniſch-
unverſoͤhnlich haßte dieſer Mann Gottes in Deutſch-
land! — Er mußte uͤber vier Wochen uͤber der Erde
liegen bleiben, weil die pfaͤlziſche Juſtiz ihren gewoͤhn-
lichen Schneckengang auch hierbei ging: endlich ver-
dammte ihn die Kammer zu Wezlar, nebſt zwei
Univerſitaͤten, zu einem Begraͤbniß unter — dem
Galgen!! n) — Jezt wieder zu meiner eignen Ge-
ſchichte!
Alſo, wie geſagt, mein Vater hinderte meine
Liebſchaft nicht: er ging ſogar ſo weit, daß er mir
von Landau, wohin er wegen ſeiner Alchymie gereiſet
war, ein Paar ſeidene Pariſer Frauenzimmer-Hand-
ſchuh mitbrachte, und ſie mir mit den Worten uͤber-
reichte: „da haſt'e was vor (fuͤr) dein Menſch!“ o).
n) Der Hofprediger verließ bald darauf Grehweiler, ward
Pfarrer zu Rappoltsweiler im Elſaß, und hernach zu
Strasburg.
o) Die Sprache in der Pfalz iſt, wie meine Leſer hier
ſehen, eben nicht delikat: eine Geliebte heißt da, auch
unter den Honoratorien – Menſch; der Liebhaber —
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/74>, abgerufen am 16.02.2025.
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