und war in der ganzen Gegend weit angesehener, als jene mit Privilegien und Diplomen der Universität versehene Pfuscher. Dieser, junge Mann ward mein innigster Freund, so wie sein Bruder, der Pfarrer zu Niedersaulheim. Wäre ich nicht schon zu sehr verdorben gewesen, oder hätte ich nur Muth genug gehabt, mich von meinen lustigen Verbindungen los- zureißen; ich glaube, diese Leute hätten mich noch auf bessere Wege bringen können.
Obersaulheim ist nur eine halbe Stunde von Udenheim entfernt, wo ich Vikarius gewesen war. Die Udenheimer Bauern hatten noch viel Liebe zu mir, wenigstens liebten sie mich weit mehr, als ihren Pastor, den sie nur schlechtweg den Magister Weit- maul und den Zundermann titulirten. Daher kam es, daß die Udenheimer fleißig nach meinen Predigten liefen, und Wageners Kirche leer stehen ließen. Darüber ärgerte sich nun Mosje Wagener ganz abscheulich, und eiferte in allen seinen heiligen Reden über gewisse Leute, die zwar Gottes Wort lehren wollten; aber von dem, was sie sagten, auch kein Wort glaubten, und überdem noch ein lieder- liches Leben führten u. s. w. -- -- Der Schulmei- ster Tautfeß von Udenheim, gab mir von diesen erbaulichen Reden Nachricht, und ich -- war so un- klug, daß ich gegen den Menschen, den ich hätte verachten sollen, eben solche Waffen ergriff, und phi-
und war in der ganzen Gegend weit angeſehener, als jene mit Privilegien und Diplomen der Univerſitaͤt verſehene Pfuſcher. Dieſer, junge Mann ward mein innigſter Freund, ſo wie ſein Bruder, der Pfarrer zu Niederſaulheim. Waͤre ich nicht ſchon zu ſehr verdorben geweſen, oder haͤtte ich nur Muth genug gehabt, mich von meinen luſtigen Verbindungen los- zureißen; ich glaube, dieſe Leute haͤtten mich noch auf beſſere Wege bringen koͤnnen.
Oberſaulheim iſt nur eine halbe Stunde von Udenheim entfernt, wo ich Vikarius geweſen war. Die Udenheimer Bauern hatten noch viel Liebe zu mir, wenigſtens liebten ſie mich weit mehr, als ihren Paſtor, den ſie nur ſchlechtweg den Magiſter Weit- maul und den Zundermann titulirten. Daher kam es, daß die Udenheimer fleißig nach meinen Predigten liefen, und Wageners Kirche leer ſtehen ließen. Daruͤber aͤrgerte ſich nun Mosje Wagener ganz abſcheulich, und eiferte in allen ſeinen heiligen Reden uͤber gewiſſe Leute, die zwar Gottes Wort lehren wollten; aber von dem, was ſie ſagten, auch kein Wort glaubten, und uͤberdem noch ein lieder- liches Leben fuͤhrten u. ſ. w. — — Der Schulmei- ſter Tautfeß von Udenheim, gab mir von dieſen erbaulichen Reden Nachricht, und ich — war ſo un- klug, daß ich gegen den Menſchen, den ich haͤtte verachten ſollen, eben ſolche Waffen ergriff, und phi-
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und war in der ganzen Gegend weit angeſehener, als
jene mit Privilegien und Diplomen der Univerſitaͤt
verſehene Pfuſcher. Dieſer, junge Mann ward mein
innigſter Freund, ſo wie ſein Bruder, der Pfarrer
zu Niederſaulheim. Waͤre ich nicht ſchon zu ſehr
verdorben geweſen, oder haͤtte ich nur Muth genug
gehabt, mich von meinen luſtigen Verbindungen los-
zureißen; ich glaube, dieſe Leute haͤtten mich noch auf
beſſere Wege bringen koͤnnen.
Oberſaulheim iſt nur eine halbe Stunde von
Udenheim entfernt, wo ich Vikarius geweſen war.
Die Udenheimer Bauern hatten noch viel Liebe zu
mir, wenigſtens liebten ſie mich weit mehr, als ihren
Paſtor, den ſie nur ſchlechtweg den Magiſter Weit-
maul und den Zundermann titulirten. Daher
kam es, daß die Udenheimer fleißig nach meinen
Predigten liefen, und Wageners Kirche leer ſtehen
ließen. Daruͤber aͤrgerte ſich nun Mosje Wagener
ganz abſcheulich, und eiferte in allen ſeinen heiligen
Reden uͤber gewiſſe Leute, die zwar Gottes Wort
lehren wollten; aber von dem, was ſie ſagten, auch
kein Wort glaubten, und uͤberdem noch ein lieder-
liches Leben fuͤhrten u. ſ. w. — — Der Schulmei-
ſter Tautfeß von Udenheim, gab mir von dieſen
erbaulichen Reden Nachricht, und ich — war ſo un-
klug, daß ich gegen den Menſchen, den ich haͤtte
verachten ſollen, eben ſolche Waffen ergriff, und phi-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/382>, abgerufen am 24.11.2024.
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